30 Jahre Krankenpflegeschule in Daun

Berufung zum Dienst am Kranken und Schwachen

Dr. med. J. Weis

Am Krankenhaus Maria Hilf in Daun besteht seit 1952 eine Krankenpflegeschule. In 27 staatlichen Examen für Krankenschwestern und Krankenpfleger haben bisher 211 Schüler und Schülerinnen das Examen bestanden. In den ersten Jahren des Bestehens dieser Schule, wo der Schwesternberuf noch Mangelware war, gab es jährlich nur drei bis fünf Absolventen. Inzwischen wurde im Juni 1978 das neue Schulgebäude eingeweiht. Dadurch können drei Kurse mit je 20 Schülern oder Schülerinnen eingerichtet werden. Zur Zeit besuchen die Schule 77 Schülerinnen und Schüler.

Die Dauer der Ausbildung beträgt drei Jahre. Während der Ausbildung erfolgen theoretische Unterweisungen und praktische Einsätze in den einzelnen Fachabteilungen. Die Schule hat drei Unterrichtsschwestern und eine große Zahl von Dozenten, teils Ärzte aus dem Krankenhaus, teils andere Lehrer aus Daun und Umgebung. Das neue Schulgebäude umfaßt drei Unterrichtsräume, einen Demonstrationsraum, einen Physik- und Chemieraum, dann eine große Bibliothek und einen Konferenzraum, auch als Aufenthaltsraum sowie mehrere Büroräume. Angegliedert ist ein Schwestern- und Schülerinnen-Wohnheim, in dem ein Teil der Schüler untergebracht werden kann. Das Ziel der Ausbildung ist, Krankenschwester oder Krankenpfleger zu werden, was heute ein sehr angesehener, wenn auch schwieriger Beruf ist, wozu man meines Erachtens neben der Ausbildung auch eine echte Berufung haben muß, wenn man den Anforderungen dieser Tätigkeit wirklich gerecht werden will.

Als diese Schwesternschule eröffnet wurde, bestand ein derartiger Mangel an Schwestern, daß die Leistung mancher Klinik gefährdet war. Dies war seinerzeit auf viele Unzulänglichkeiten der Unterbringung, Bezahlung und der Wertschätzung zurückzuführen. Inzwischen sind die wesentlichen und berechtigten Klagen der Schwestern wohl korrigiert, und es ist doch kein Beruf wie jeder andere.

Die ständig zunehmende Lebenserwartung der Menschen, die Häufung von Straßenunfällen, die steigenden Zahlen von Untersuchungsmethoden, die sich nur im Krankenhaus durchführen lassen, hat die Zahl der Kranken enorm ansteigen lassen. Vor- und Nachbehandlung sind unendlich komplizierter geworden, die Anforderungen an die Pflege infolgedessen erheblich gesteigert. Man könnte hier eine große geschichtliche Betrachtung durchführen denn zwischen dem Beruf des Chirurgen und dem der Schwester bestehen diesbezüglich erstaunliche Ähnlichkeiten.

In der ersten Zeitperiode lag das Krankenpflegewesen in der Hand von Priestern und Mitgliedern religiöser Orden, wobei die Priester nach dem Konzil von Tours im Jahre 1163 sich aus der Chirurgie zurückziehen mußten, da auf diesem Konzil die Kirche dem Blut abgeschworen hatte. Die pflegenden Ordensschwestern und Brüder blieben und sie haben ein bewundernswürdiges Kapitel der Krankenbetreuung geschrieben.

Das Gebäude der in den Maria-Hilf-Bering einbezogenen Krankenpflegeschule Daun; dahinterdas Schwesternwohnheim

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts findet dann die große Zäsur statt. Die ärztliche Kenntnis von Krankheiten der inneren Organe hatte gewaltig zugenommen, Hörrohr und Narkose waren entdeckt, Antisepsis und Asepsis waren ausgearbeitet, die neue Wissenschaft der Laboratoriumsuntersuchung begann festen Fuß im Krankenhaus zu fassen.

Mit dem Krimkrieg war dann das entscheidende Ereignis für die freien Schwesternberufe gekommen, wo Florence Nigthingale, eine Frau mit viel gesundem Menschenverstand, Organisationstalent und einer Fülle von Güte und Menschlichkeit, die Aufmerksamkeit der Ärzte auf das Primat der Krankenpflege in einer Weise leitete, welche die ganze zivilisierte Welt aufhorchen ließ.

Sie, die Frau mit der Lampe, wie sie von ihren nächtlichen Runden den Kranken und Verwundeten in Erinnerung blieb, war in allem einzigartig. Man sagt, daß sie im Krimkrieg mehr geleistet hat, als das ganze britische Kriegsministerium, und als sie nach dem Feldzug von Königin Viktoria in London empfangen wurde, soll die scharfsichtige Queen zu ihrem Mann Albert gesagt haben: »So ein Kopf. Ich wünschte, wir würden sie im Kriegsministerium haben«.

Ein paar Jahre später hat dann Henry Dunant, als er bei der Schlacht von Solferino mit tiefster Erschütterung die unvorstellbaren Nachlässigkeiten und Halbheiten," mit der Verwundete und Gefangene behandelt wurden, erlebt hat, das Rote Kreuz gegründet. Sein Ruf— »Wir sind alle Brüder« — fand den nötigen Widerhall.

Der nächste Schritt in der Entwicklung des Schwesternwesens bestand in der Gründung von Schulen, die oft der Initiative eines Krankenhauses entsprangen, die in jedem Fall aber mit einem oder mehreren Krankenhäusern verbun-. den waren. Jeder Beruf darf davon überzeugt sein, daß er für die menschliche Gemeinschaft wertvoll und oft genug lebenswichtig ist. Die Pflege des kranken Menschen aber ist nicht nur ein Beruf, sie ist eine Berufung.

Die Tätigkeit der Schwester steht in dauernder und vertrauter Verbindung mit dem Schmerz, nicht selten mit dem Tod. Der lange Kontakt der Schwester mit einem oder einer Gruppe von Patienten, der zwangsläufig dem Risiko größerer emotioneller Beteiligung ausgesetzt ist, erklärt Eigentümlichkeiten der Schwesterntätigkeit; so zum Beispiel die Sehnsucht, sich in die schützende Solidarität einer uniformierten Gruppe zurückzuziehen, den Wunsch nach letzter Vollkommenheit, eine strikte, fehlerlose Disziplin. Über die Schwesternausbildung ist viel geschrieben und diskutiert worden und wird immer noch viel geschrieben und diskutiert und immer wieder geändert. Manche wollen die Schulzeit immer weiter verlängern, den Schwestern immer mehr medizinisches Wissensgut vermitteln. Und es ist wirklich so, daß, wenn die Schwestern der wissenschaftlichen Erkenntnis ihrer eigenen Leistung gerecht werden wollen, sie sich ein größeres Wissen aneignen müssen.

Das Wesen und das Ziel der Ausbildung kann jedoch dadurch nicht verkannt werden, da man einer Schwester niemals eine abgerundete medizinische Ausbildung vermitteln kann. Erfahrene Ärzte sind der Auffassung, daß das Schwergewicht der Schwestern-Leistung nicht auf dem Gebiet von ärztlichen Tätigkeiten liegt, sondern in der Pflege von Kranken; und die herausragenden Kriterien für eine werdende Schwester sind Klugheit des Herzens, Takt, Mitgefühl, Aufopferungsfähigkeit und die zeitlose Sorge für den kranken Menschen, wie sie einmal Niessen aufgezählt hat.

Unser Foto zeigt den Altbau des 1894 vollendeten Krankenhauses Maria-Hilf in Daun. Schon 1857 hatte der aus Schönbach stammende Dechant und Ehrendomherr Georg Karl Querings durch eine Stiftung zum Grundstein für ein Krankenhaus beigetragen. Nur die ältere Generation erinnert sich noch des Bauwerks, das 1951 in den Erweiterungsbau einbezogen und samt diesem in den 70er Jahren abgerissen wurde, um Raum für den 1976 vollendeten Neubau zu schaffen.

So bleiben wir nach wie vor auch in unserer jetzigen Gesellschaftsform der Auffassung, daß trotz zeitgemäßer Strömungen, wo die Aufopferungsfähigkeit diskreditiert wird, die Schwesternarbeit am Krankenbett, die Krankenbetreuung zu den befriedigendsten Arbeiten gehört, welche die Skala menschlicher Beziehungen aufzuweisen vermag.

Das übergeordnete Prinzip aller schwesterlicher Tätigkeit hat vielleicht niemand besser formuliert, als die Tübinger juristische Fakultät, als sie eine Schwester zum Ehrendoktor ernannte. Es war die schwedische Schwester, die im Ersten Weltkrieg wegen ihrer Tätigkeit in den sibirischen Gefangenenlagern als »Engel von Sibirien« benannt geworden war.

In ihrer Urkunde steht: »Elsa Brandström, die dem Gebot des Herzens folgend, mutig für die Bedrängten eintrat und den Schwachen half, die das Recht der Menschlichkeit verteidigte gegen Gewalt, die Brücken schlug von Volk zu Volk, von Mensch zu Mensch, stärker als das Recht sie zu schaffen vermag«.

In diesem Sinn wollen wir in unserer Schule junge, tüchtige und einsatzfreudige Menschen aus dem große Reservoir unserer Eifel zu hervorragenden Schwestern und Pflegern heranbilden.