Landrat Karl-Adolf Orth:

Vorwärts schauen — aufbauen!

Mut zum persönlichen Einsatz

Vertrauen und Verantwortungsbewußtsein in der Bewährung

Vorweg gesagt: Wir wollen uns die Laune nicht selbst verderben. Wir wollen sie uns auch nicht von anderen verderben lassen. Dazu haben wir und haben unsere Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Daun keinen Grund. Wir wollen bei unserem Ausblick zum Jahre 1983 nicht nur in den Rückspiegel schauen, sondern nach vorne und Neuland entdecken — und doch das Zurückliegende nicht aus den Augen verlieren.

Es gibt von der Arbeit des Kreistages und der Kreisverwaltung im vergangenen Jahr trotz der schwierigen finanziellen Lage manches Positive zu berichten. Sie kennen alle das berühmte Beispiel von der Flasche, die zur Hälfte gefüllt ist. Für den Pessimisten ist die halb leer, für den Optimisten halb voll. Würde die Gruppe der Pessimisten mehr Anhänger gewinnen, dann würde auch bei uns ein Gefühl wachsen, als ob es keine Auswege aus dem Land der leeren Kassen, der Landkreise mit den wachsenden finanziellen Schwierigkeiten und der Städte ohne Geld gebe. Ich hoffe, daß die Kreisbürger die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sehen, aber nicht so tun, als ob es bei uns überhaupt keine positiven Entwicklungen mehr gebe.

Hoffnung aus neuen Ideen 

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben ein Phänomen aufgedeckt, das in der Zeit des flüssigen Geldes kaum beachtet wurde. Ich meine, das Problem des ärmerwerdenden Gefühls, des Interesses für den Nachbarn (abgesehen von dem Blick auf das vielleicht größere Auto oder schönere Haus) und für die Erhaltung des dörflichen oder auch kleinstädtischen Lebens milder Pflege der Ortskerne und des Hausgartens nach Großmutters Art. Oder haben wir uns losgekauft davon?

Wir wollen doch gemeinsam die wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinden. Vielleicht geht das um so leichter, je mehr wir uns der geistigen Probleme annehmen. Dazu bedarf es aber nicht nur der Kraft, nicht nur der Einschränkung des persönlichen Lebensstandards, dazu bedarf es vor allem der Phantasie, neuer Ideen und der Hoffnung. Der Staat, die Kommunen, die Unternehmen und die Arbeitnehmer, die Selbständigen, die Jugendlichen und die Rentner, müssen sich gegenseitig Vertrauen schenken und nach neuen Wegen suchen, die das gewachsene Lebensgefühl und die Dorfsubstanz behutsam mit-einbeziehen. Hier sollten die schöpferischen Ideen an erster Stelle stehen, dann erst Zuschüsse und Geld. Sicher, die Führenden in Staat, Kommune und Wirtschaft sind in die Verantwortung genommen, neue Handlungsspielräume zu finden und zu nutzen. Auf ausgetretenen Pfaden kann neues Wachstum nicht gedeihen. Auch der scheele Blick auf die Nachbargemeinde und Nachbarstadt, auf deren Schwimmbad, deren Dorfgemeinschaftshaus oder den neu gestalteten Dorfplatz ist nicht angebracht. Heute ist Originalität gefragt. Dann kommt eines Tages bestimmt auch die Turnhalle oder ein schöner Brunnenplatz. Wir brauchen Gemeinden, Verbandsgemeinden und einen Landkreis mit einer Bürgerschaft, die sich aufeinander verlassen kann, um aus finanzieller Not herauszukommen.

Die Chancen erkennen

Wo liegt nun die Chance, die Krise zu überwinden? Der Wille der Zusammenarbeit und die Mitverantwortung des Einzelnen sind die Voraussetzung dazu. Wir wollen ganz unkonventionell einmal wagen, uns auf das Subsidiaritätsprinzip zu besinnen. Die Vereine, die Verbände und, sagen wir Gruppen wie die freiwillige Feuerwehr, sollten sich in das Gemeindeleben einfügen und einbinden lassen.

Unser Bild zeigt Landrat Orth mit Handballspielern des TuS Daun 05 bei der Übergabe des Wanderpokals der Kreisverwaltung Daun beim IX. Eifel-Jugendturnier 1982 im Wehrbüschstadion Daun.

Wir haben im Landkreis Daun vor einigen Jahren damit begonnen, die Vereine aufzuwerten. Da waren die Zeichen der Zeit richtig erkannt. Unsere Vereine sind selbstbewußter geworden, sie sind aktiv und bringen manches Mal ein Dorf in Schwung. Die Sportvereine, die Gesang- und Musikvereine sind doch so etwas wie das Salz in der Suppe des dörflichen Lebens. Sie helfen mit, den negativen Folgen der modernen Arbeits- und Berufswelt entgegenzusteuern. Es ist die bunte Mischung, die das Leben in den Dörfern interessant macht. Jedes aktive Mitglied in einem solchen Verein hilft mit, Dorfgemeinschaft zu prägen und zu fördern. Hier sind wir da, was wir das ehrenamtliche Engagement nennen. Was in den Vereinen und Clubs schon lange selbstverständlich getan wird: sich mit Elan einsetzen für die Kultur, die Musik und den Sport, das sollte ausgeweitet werden auf Einrichtungen im Kindergarten, in der Schule, im Krankenhaus und auf den Kinderspielplätzen. Hier sind noch lange nicht alle Kräfte ausgeschöpft.

Oder: ein Blick zum Eifelverein. Es könnte doch viel Freude machen, bei der Wegemarkierung zu helfen, beim Aufstellen von Ruhebänken, man braucht ja nicht die Landschaft zu möblieren. Aber, über diese Landschaft zu wachen, Brauchtum und Sitte zu pflegen, das müßte jeden Bürger interessieren. Und man sollte auch nicht warten, bis man angesprochen wird, sondern selbst seiner Begabung nach mithelfen. Es ist hier beileibe nicht daran gedacht, ausgebildete Fachkräfte in den Kindergärten, in den Schulen oder auch in den Forstämtern durch »hauptamtliche ehrenamtliche Kräfte« zu ersetzen.

Pflichtbewußtsein wecken! 

Unser Modell »Stärkung der Jugendarbeit auf dem Lande« soll unsere Jugendarbeit nicht kommunalisieren, sondern soll die Vereine und Verbände in die Pflicht nehmen, selbst etwas zu tun. Es geht darum, unter Jugendlichen und Erwachsenen Ideen und schöpferische Kräfte zu wecken.

Und noch eine Gruppe gilt es, neu zu entdekken: die Nachbarn. Die Kinder haben es da leicht. Machen wir es den Kindern nach und gucken wir es ihnen ab, wie unkompliziert sie sich in der Nachbarschaft Freunde erobern. Die meisten von uns haben ihre Kindheit noch mit Spielen in Höfen hinter dem Haus oder in der Nachbarschaft verbracht. Das waren wahre Fundgruben für Phantasie- und Abenteuerspiele. Ob in unseren gut durchdachten und perfekt geplanten Neubaugebieten auch einmal ein gemeinsamer Hof als erweitertes Wohnzimmer für Pflege der Nachbarschaft entstehen könnte? Das wäre ein bürgerschaftliches Engagement, das sich auch bei Krankheit, bei »Behüten von Kindern« des Nachbarn und bei Freizeitbeschäftigung auszahlen würde.

Nachbarschaft pflegen

Auch das gemeinsame Musizieren in den Familien und auf den Höfen wäre eine Nachbarschaftspflege, welche die Bürger von Straßenzügen zusammenbringt. Ich bin sicher, daß die Menschen an der Basis mehr Verständnis für ein Mitwirken auf ehrenamtlicher und gemeinschaftsbildender Grundlage haben als es viele hauptamtliche Funktionäre in Verbänden und Vereinen wahrhaben wollen. Es gibt im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich eine Unmenge zu tun. Ich bin jedem dankbar, der mitmacht und möchte mich auch bei denen bedanken, die schon viele Jahre lang selbstverständlich mitarbeiten und sei es auch nur mit Sammellisten und Sammelbüchsen für Straßen- und Haussammlungen. An diese Helfer wird selten gedacht; sie tun aber doch etwas sehr Wichtiges.

Engagement macht stark 

Vielleicht, kann unsere Gesellschaft schneller als erwartet wieder die Kräfte entfalten, auf die wir vertrauen. Der Mißmut darf sich nicht weiter ausbreiten, sondern Optimismus und Zuversicht müssen wachsen, die eine freiheitlich-pluralistische Gesellschaft in einer wirtschaftlich schweren Zeit vordringlich braucht. Daß als Nebeneffekt solchen ehrenamtlichen Engagements öffentliche Gelder eingespart werden können, muß ebenso erwähnt werden.

So lassen sich die uns allen gestellten Aufgaben realistisch lösen; wie in jener Notzeit nach dem Krieg, als jeder da zupackte, wo seine Mithilfe zu einem wertbeständigen Faktor des gesamten Gemeinschaftslebens wurde. Denn es ist ja nicht so, als ob die Kommunen, in unserem Falle der Kreis, nicht auch helfen würden.

Ich jedenfalls hab' für 1983 »mein' Sach' auf Gott« — und die bewährte Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger des Kreises Daun gestellt.