Die Kopp-Gruppe fand Freunde

Von der Zusammenarbeit mit Behinderten berichten Sigrun und Kirsten Dresen, Jutta Weber

»Heutzutage, da Dienstboten kaum erhältlich sind, sind manche Familien froh, die Hilfe eines Mongoloiden im Haushalt oder im Garten zu haben. «

Der Meinung dieses Zitates aus einem Standardlehrbuch der Kinderheilkunde aus dem Jahre 1967 (!) sind wir nicht. Wir, das ist eine Schülergruppe des Dauner Thomas-Morus-Gymnasiums, die im vierzehntägigen Rhythmus jeweils mittwochs in die Westeifelwerkstätten für Behinderte im Industriegebiet in Gerolstein fährt. Diese sogenannte Kopp-Gruppe besteht aus 33 Schülern der Klassenstufen 9 bis 13 und einem beratenden Lehrer. Ihre Bezeichnung ist geschichtsbedingt mit der Gründung der Behindertenwerkstatt in Kopp verbunden.

 Für unsere Arbeit wurde ein Modell besprochen, in dem jede unserer Gruppen über den Zeitraum etwa eines halben Jahres mit einem bestimmten Stamm an Behinderten arbeitet. Nach diesem Zeitraum werden die Gruppen gewechselt, und andere Behinderte nehmen an unserem Freizeitangebot teil. Hier muß hinzugefügt werden, daß die Behinderten nicht wahllos in eine unserer Gruppen eingeteilt werden, sondern daß sie größtenteils freie Entscheidungen treffen können. Dieses Modell hat sich bewährt und wird auch von den Behinderten angenommen. Manche von ihnen fragten etwa nach einem halben Jahr: »Jetzt müßte ich doch eigentlich mal drankommen. Die Zeit ist doch bald vorbei, oder?«

Unser Freizeitangebot umfaßt folgende Gruppen:

Handarbeit:

Das Ziel dieser Gruppe ist es, die Behinderten dazu anzuleiten, sich auch zu Hause mit verschiedenen Handarbeiten zu beschäftigen. Damit die Behinderten den Spaß an der Handarbeit nicht verlieren, arbeitet die Gruppe auf ein bestimmtes Ziel hin, z. B. die Arbeiten als Geschenk zu verwenden. Die Phantasie der Behinderten soll bei dieser Arbeit gefördert werden.

Basteln:

Zusammen mit unseren Freunden haben wir im letzten Halbjahr verschiedene Bastelarbeiten ausgeführt, z. B. Körbchen aus Peddigrohr, Untersetzer aus Holzklammern u. a. m. Den Behinderten macht diese Arbeit große Freude, besonders, wenn sie die Bastelprodukte mit nach Hause nehmen können, um sie stolz zu zeigen oder zu verschenken. Diese Arbeiten sind ein gutes Training, weil sie Konzentration, Ausdauer verlangen und die Motorik stärken.

Sport:

Diese Gruppe beschäftigt sich hauptsächlich mit der Motorik des Körpers und zielt auf eine bessere Koordination der Bewegungen, die bei vielen Behinderten ja gestört ist. In der ersten Hälfte des letzten Halbjahres lag der Schwerpunkt der »Sportstunden« beim Ballspiel, insbesondere beim Fußball. Hier wurden Ballübungen mit Medizin- und Fußbällen gemacht, jedoch wurden auch Wettkämpfe ausgetragen, welche den Behinderten am meisten Spaß bereiteten. Danach lag der Schwerpunkt auf Turnen. Die Sportgruppe verzeichnete schon erhebliche Erfolge in Bewegungsabläufen und auch in der Überwindung von Ängsten.

Tanzen:

Die Behinderten, die oft sehr unter Bewegungsmangel leiden, lieben die Tanzgruppe sehr, weil sie sich hier einmal richtig austoben können. Das bedeutet aber nicht, daß hier nur »getobt« wird; denn diese Gruppe hat —wie die anderen— ebenfalls bestimmte Ziele und Aufgaben, so werden z. B. einfache Paartänze und Gruppentänze einstudiert, Auflockerungsübungen (Klatschen, Springen), gemacht. Die formalen Dinge des Tanzens (Auffordern, etc.) gehören auch dazu. Am meisten Spaß macht den Behinderten jedoch der eigene Tanz, der individuelle Tanz, den sie alleine, mit uns oder mit anderen Nichtbehinderten tanzen, ohne besonderen Schritt— ganz frei.

Kosmetik:

Der Name Kosmetik klingt vielleicht ein bißchen verwirrend, aber die Gruppe heißt eigentlich: Kosmetik- und Hygiene-Gruppe. Hier werden also mit unseren Freunden (im Moment nur Mädchen) die Grundkenntnisse der Hygiene und des Schminkens geübt, z. B. wie man sich selbst die Haare wäscht und fönt. Wir wollten auch zeigen, wie hübsch man aussehen kann, wenn man dezent geschminkt ist und wie häßlich es wirkt, wenn es den Anschein hat, man sei in einen »Topf voller Farbe« gefallen.

Anläßlich seines Besuchs im Kreise Daun freute sich Ministerpräsident Dr. Vogel über die Initiativen der Koppgruppe zur Freizeitbetreuung von Behinderten. Unser Bild zeigt in der Mitte den Ministerpräsidenten mit dem Geschäftsführer der Westeifel-Werkstätten, Erwin Görgen, und links Landrat Orth im Kreise der Mitglieder der Koppgruppe.

Orff-Gruppe:

Hier spielen die Behinderten zusammen mit zwei Mitgliedern aus unserer Gruppe einfache Lieder, oder sie begleiten Lieder mit verschiedenen Schlaginstrumenten wie Tambourin, Klangholz, Xylophon usw. Ziel der Arbeit ist, daß die Behinderten lernen, sich selbständig mit einem Instrument zu beschäftigen bzw. sich gegenseitig beim Einstudieren eines kleinen Stückes zu helfen.

Schwimmen:

Die Mitglieder dieser Gruppe treffen sich alle acht Tage. Die Behinderten werden von vier Mitgliedern unserer Gruppe und zwei bis drei Mitarbeitern der Werkstatt im Gerolsteiner Hallenbad betreut; es existiert keine bestimmte Schwimmgruppe, sondern wir betreuen jeweils eine Produktionsgruppe. Schwimmen ist wohl teilweise ein bißchen hochtrabend für das, was wir in dieser Gruppe tun, denn es werden größtenteils Bewegungsübungen gemacht, einfache Schwimmversuche.

Unsere Gruppe hat in der Schule ihren festen Stammplatz und ist schon zur Tradition geworden. Wir haben zusammen mit der SMV unseren Gruppenraum, wo wir uns treffen können, diskutieren und auch unsere Versammlungen abhalten. Wir besitzen ebenfalls eine kleine Bibliothek für die verschiedenen Arbeitsgruppen und eine Menge Informationsmaterial. Öffentlichkeitsarbeit betreiben wir eigentlich so gut wie gar nicht. Beim Weihnachtsmarkt sind wir zwar mit einem Stand vertreten, bei Schulfesten haben wir unseren festen Platz mit Informationsblättern und Verkaufsgegenständen der Werkstatt, in der Informationszeitschrift der Werkstatt werden wir erwähnt, und auch im Klecks (Schülerzeitung des TMG) findet sich häufig ein Artikel von uns, aber sonst steht mit dieser Art von Arbeit nichts bei uns auf dem Programm.

Zum Schluß ist noch zu sagen, daß für uns weder geistig- noch körperlich behinderte Menschen billige Arbeitskräfte sind, sondern sie sind Menschen, die die gleichen Bedürfnisse haben wie wir. Sie sind offen für Kontakte mit Nichtbehinderten und suchen Freunde, mit denen sie Spaß machen und reden können, mit denen sie ihre Freizeit verbringen. Im Laufe der Jahre sind die Behinderten der Werkstatt Gerolstein für uns zu Freunden geworden, mit denen wir uns oft besser verstehen als mit den sogenannten »normalen« Menschen.