Helmut Habrich,

 genannt HARUN . . .

. . . und seine Volksspielgruppe Oberbettingen

Marianne Schönberg

Die schönsten Kränze flicht man Verstorbenen, Eine alte Weisheit, denn welcher Nachruf ist keine Laudatio? Dem zum Trotz wage ich die Behauptung, daß dieser Helmut Harun aus Duppach zu Lebzeiten eine sehr umstrittene Persönlichkeit war, keineswegs von allen geliebt und anerkannt. Und das war gut so.

Schließlich hat ein Schriftsteller und Regisseur nicht nur die Aufgabe, der Gesellschaft Freundliches zu sagen. Kritik und profilierte Hinweise zum Nachdenken müssen aus dieser Richtung kommen; wer könnte sie treffender formulieren? Jeder Künstler hat in seinem Aussagebereich ein Stück Narrenfreiheit und es ist seifte Pflicht, diese zu nutzen. Helmut Harun hat sie wahrgenommen und dafür danken ihm' viele Menschen in Ost und West.

Harun war Rheinländer, Jahrgang 1914. Nach Schule und Wehrdienst absolvierte er die Schauspielerausbildung und studierte Theaterwissenschaften in Köln, Magdeburg und Münster. Freier Schriftsteller wurde er im Jahre 1952 und ... »um mir das leisten zu können, war ich nebenbei Holzfäller, Schrottplatzarbeiter, Antiquitätenrestaurateur sowie Autor und Regisseur von mehr als 400 Film- und Fernsehsynchronisationen«.

Es gab Erfolge für das Theaterstück »Es geht um Dein Leben«, mit dem Roman »Mätti Mensch« und den Erzählungen »Tiere beschenken uns«. Harun erhielt den Hörspielpreis des Bayerischen Rundfunks, den Dramenpreis des Keller-Verlags Starnberg, das Carl-Bertelsmann-Stipendium, den Förderpreis Rheinland-Pfalz.

Doch lassen wir ihn noch einmal selbst zu Wort kommen. »Warum ich schreibe? Aus Mitleid mit der aufgestandenen Masse, die alle echten Leitbilder verlor. Aus Empörung darüber, daß Medien und Institutionen nicht versuchen, ihr neue Leitbilder zu geben, sondern sie mit den Rauschmitteln Geld, Supermann-Kampfmaschinen, Techno-Schwärmerei und rachitischem Cowboy-Schwachsinn füttern. Ich schreibe, weil ich weiß, daß man ein Volk nicht allein lassen darf.«

Er konnte härtere Sätze formulieren. Das hat man ihm oft übel genommen. Vor allem seine Kritik an den »Auswüchsen des Sozialstaates«, am "für ihn »grausigen Begriff Freizeitgestaltung«. Er plädierte für Anbieten, nicht für Gestalten.

Im Laufe vieler turbulenter Berufsjahre hat Harun an mancher Bühne Klassiker inszeniert. Ihm war das Worten vertraut, der Ausdruck, die Szene. Was lag näher, als eine eigene Gruppe zu gründen? Im April 1976 war es soweit. Im Gasthaus Kläs in Oberbettingen trafen sich Interessenten zur Gründung einer Volksspielgruppe. Werner Dünnwald, der Initiator und Schwiegersohn von Harun sprach über Sinn und Zweck der Gruppe, Harun hielt das Grundsatzreferat über die Aufgaben eines Volkstheaters. Der Vorstand wurde gewählt und alle waren sich einig, jetzt gilt's, modernes und gutes Theater auf die Bretter zu bringen. Die Regie von Harun tat dem Kreis wohl, was den Erfolg anbetraf.

Die Probezeit der Stücke war harte Arbeit, und wer hier Entspannung nach Feierabend suchte, war fehl am Platze. Der Kontakt zum Publikum kam spontan zustande und das Boulevardstück »Flitterwochen« erlebte vielbejubelte Aufführungen. In 1978 machte die VSG mit Sartre's »Ehrbare Dirne« von sich reden, in Oberbettingen, an der Oberen Kyll, in Rheinland/Pfalz. Paralell veranstaltete die Volkshochschule Gerolstein mit Harun einen Literaturabend, eine Borchert-Lesung schloß sich an. Harun las in Mainz im Kultusministerium Gedichte und kleine Prosa. Ein guter Abend, für den sich viele Hörer spontan bedankten. Die VSG probte indes den »Kyllapostel«, einen Schwank in Eifeler Mundart. Er fand sein Publikum, in der Eifel, in den Nachbarländern. Dann kam das Drama »Der Weibsteufel« in die Proben, ein Wagnis für die VSG. Mitten in der Arbeit starb Harun, für seine Freunde nicht unerwartet. Unter der Regie von Werner Dünnwald wurde das Stück ein Erfolg und damit zur Laudatio für die Pionierarbeit des Helmut Habrich, genannt Harun.

Helmut Harun las im Kultusministerium in Mainz Poesie und Prosa. Staatssekretär Stollenwerk begrüßte den Schriftsteller aus der Eifel, die Brunnenstadt Gerolstein schickte eine Abordnung in die Landeshauptstadt; Harun hatte ein interessiertes Publikum.

Die Volksspielgruppe Oberbettingen nach erfolgreicher Premiere für den »Kyllapostel«, ein Mundartstück, von Helmut Harun eigens für »seine« VSG geschrieben. Mit ihm nehmen die Laienspieler den Dank des Publikums entgegen. (Harun rechts außen).