Leben in der Diaspora

Die Schwestern Münch in Daun

Udo Köhler

Würde ich den Schwester Lisbeth und Frida Münch in Daun eine Laudatio halten wollen, würden sie das brüsk zurückweisen. Zu ihrer Beruhigung schon jetzt: Ich halte mich dazu auch nicht für zuständig. Das hat übrigens bereits Pfarrer Hans-Jürgen Schank in der Schrift »1250 Jahre Daun«, S. 105/6 mit den Worten getan: »Werden und Leben der kleinen Gemeinde in extremer Diasporasituation wäre aber nicht denkbar ohne die treue und zum Teil aufopferungsvolle ehrenamtliche Mitarbeit zahlreicher ungenannter Gemeindemitglieder. Stellvertretend für sie alle seien die Namen der Geschwister Frida und Lisbeth Münch genannt, die über mehrere Jahrzehnte hinweg zum Teil bis in die Gegenwart das Gemeindeleben mitgeprägt und getragen haben.

Nachdem das »daß« somit festgelegt ist, sei hier erlaubt, auf das »wie« hinzuweisen. Wie haben die beiden Schwestern ihren ehrenamtlichen Dienst ausgeübt? Da gibt es Hinweise, die auch heute über die jeweilige Konfession hinaus Anregung für freiwillige Mitarbeit dieser oder jener Art in den Kirchengemeinden geben könnten.

Selbstverständlich sind hier nicht darstellbar unzählige persönliche Gespräche, die oft schon begannen, wenn der Gottesdienst gerade beendet war; denn hier trafen sich Gemeindemitglieder von »weither«.

Mut, Zuversicht und Hoffnung wurden den Gesprächspartnern zugesprochen oder sie wurden einfach zum nächsten Gottesdienst eingeladen. Nicht darstellbar sind die Gespräche mit Kranken zu Hause oder beim Besuch im Krankenhaus.

Beide Schwestern wußten sich vor allem dem Altar verpflichtet. Dazu gehörte eine saubere, wohl gebügelte, weiße Decke! Zur Gottesdienstvorbereitung gehörte die Pflege der Altarkerzen. Ihre Ränder mußten geschnitten sein, damit der Docht nicht blakend im »eigenen Saft« erstickte. Natürlich durfte auch der jahreszeitliche Blumenschmuck nicht fehlen. Das taten die beiden Schwestern mit ebenso vieler Mühe wie gutem Geschmack. Oft mußten neben den eigentlichen Altarvasen auch zwei flankierende große Standkörbe mit Blumen gefüllt werden. Da Kunstblumen zu Recht abgelehnt wurden, galt es, gleichsam Massen von Blumen heranzuschleppen. Das war nur möglich, weil sie diese Blumen zum großen Teil im eigenen Garten heranzogen. Da der Weg vom Hausgarten zum steilen Burgberg weit war, diente ihnen ein beidseitig mit Taschen behangenes Fahrrad als Transportgerät. So gab es viele eigene Narzissen, Gladiolen, Astern, Sonnenblumen, Dahlien, sogar den seltenen kostbaren Türkenbund (Lilium martagon) für den Altarschmuck. Sollte die Jahreszeit keinen eigenen Blumen- oder Zweigschmuck mehr zulassen, stand zumindest eine echte Topfpflanze auf dem Altar. Zur Gottesdienstvorbereitung gehörte auch das Verteilen der Gesangbücher, bankweise, um den Besuchern das Singen zu erleichtern. Dazu mußten auch die Liednummern des Gesangbuches angesteckt werden. Dann begann das pünktliche Läuten, erst mit Seil, dann elektrisch.

 

Den vollen Einsatz ihrer Mithilfe entfalteten die beiden Schwestern im Gottesdienst selbst. Fr. Liesbeth Münch begleitete auf dem Harmonium Liturgie und Choräle. Nicht nur als Organistin, auch als Chorleiterin trug sie zur Bereicherung des Gottesdienstes bei, während Fr. Frida Münch, wenn der Chor nicht eingesetzt wurde, daß Amt der Vorsängerin wahrnahm, um der Gemeinde neue Melodien in Liturgie und Gesang zugänglicher zu machen. So haben sie dem Pfarrer die Einführung der neuen Agende von 1959 in der Gemeinde erleichtert, wobei sie ihren Urlaub opferten, um sich musikalisch bei den landeskirchlichen Singwochen (z. B. unter Kirchenmusikdirektor Rahner — Saarbrücken) weiterbilden zu lassen.

Ging der Gottesdienst zu Ende, war eine der Schwestern zur Stelle, um die Kollekte für den jeweils bekanntgegebenen sozialen Dienst der Kirche einzusammeln, während die andere Flugblätter oder Einladungen verteilte. Ihr Dienst endete mit dem Auszählen und ordnungsgemäßen Verbuchen der von der Gemeinde geopferten Gaben. Vielleicht gaben sie dem jeweiligen Küster noch hilfreiche Hinweise.

Aber noch immer nicht war ihr Dienst zu Ende, jedenfalls nicht für Fr. Frida Münch. Während sich Fr. Lisbeth Münch um das nötige Mittagessen kümmerte, warteten auf Fr. Frida Münch schon eine ganze Reihe Kinder, die ebenfalls ihren Gottesdienst erwarteten. Während der Pfarrer in einer der damals 16 Predigtstätten seinen Dienst unter den Gemeindemitgliedern »in der Zerstreuung« tat, lauschten die Kinder regelmäßig der neuen biblischen Geschichte, die Fr. Frida Münch begeisternd vortrug und damit den Grund für die stetig nachwachsende Gemeinde legte.

Sei noch erwähnt, daß die Schwestern durch ihre anregenden Diskussionen in Gemeindeversammlungen, Wahlgottesdiensten, bei Festgottesdiensten (z. B. Grundsteinlegung, Kirchweihe, Krippenspiel usw.), in Frauenhilfe, Bibelstunden, bei Vorträgen durch die Dauner Kurprediger und auch im Presbyterium, d. h. im Gemeindekirchenrat (Fr. Frida Münch) Gemeinde von der Basis her gebaut und gelebt haben. Beide Schwestern wirkten trotz ihrer vollen Berufe auf dem Landrats- bzw. dem Gesundheitsamt, indem sie Kraft und Zeit unentgeltlich und ehrenhalber der Gemeinde zur Verfügung stellten nach dem Wahlspruch: »Ich diene, weil ich darf!«