NATUR UND LANDSCHAFT

 

Am Scheidewege

Gedanken zur Denkmalpflege und zum Denkmalschutz

Franz Josef Ferber

 

Was du ererbt von deinen Vätern hast,

erwirb es, um es zu besitzen.

                                                    (Goethe)

Wahrhaftig, sie sind es wert, daß man sich Gedanken um sie macht. Sie, das sind unsere Kulturdenkmäler, die kleinen und die großen, die beweglichen und die unbeweglichen. In den letzten Jahren wurde viel über Denkmalpflege und Denkmalschutz gesprochen und geschrieben. Auch wurde, das muß man redlicherweise zugeben, etwas getan. Das ist gut so. Es kann gar nicht zuviel in diesem außergewöhnlich wichtigen kulturellen Bereich — im positiven Sinne, versteht sich — unternommen werden. Wer indessen glauben sollte, das Thema Denkmalpflege sei eine neuere Erfindung, etwa aus der Nostalgiewelle heraus geboren, der würde sich irren. Über Denkmalpflege haben bereits frühere Generationen nachgedacht, und das nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande. Sonst wären uns mit Sicherheit weniger Kulturwerte überliefert worden. Bemerkenswert ist, daß der frühere Kreis Adenau, zu dessen Bereich ein Teil des heutigen Kreises Daun gehörte, schon im Jahre 1909 einen Bildband herausgegeben hat, der überschrieben ist mit »Aus dem Kreise Adenau. Ein Beitrag zu Denkmalpflege und Heimatschutz«.

Die heutige Situation

Die Frage ist unausweichlich: Wie ist es um unsere Kulturdenkmäler bestellt? Um es vorwegzusagen: nicht zum besten. Die beweglichen Denkmäler sind in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach bis auf einen verhältnismäßig kleinen Rest vernichtet worden. Was beim Umbauen nicht zerstört wurde, das haben geschäftstüchtige Händler aus unserer Heimat verschleppt. Ein bescheidener Restteil der bäuerlichen Kulturgegenstände wird heute auf Trödlermärkten, zu oftmals unsinnigen Preisen, verschleudert.

Und die unbeweglichen Denkmäler? Nun, von ihnen sind Gott sei Dank noch etliche übrig geblieben; sie sind aber zum Teil sehr stark gefährdet, weil sie entweder vom Abriß oder vom Verfall bedroht sind. Es soll nicht bestritten werden, daß es hier und da wichtige — nennen wir sie meinetwegen übergeordnete — Gründe gibt, ein an und für sich erhaltenswürdiges Bauwerk abzubrechen; Kompromisse sind ab und zu vonnöten. Gewiß, man kann sich darüber streiten, was wichtige Gründe sind. Nach aller Erfahrung jedoch muß leider eines gesagt werden: Gründe für das Kaputtmachen wertvoller oder schutzwürdiger Bausubstanz haben wir sehr schnell und zuhauf parat. Von daher gesehen braucht es nicht wunderzunehmen, wenn sich die vermeintlichen oder vorgegebenen Begründungen bei objektiver Betrachtung und nach sorgfältiger Abwägung des Für und des Wider letztendlich als ausgesprochene Scheingründe herausstellen.

 

               

                                                 Abbruch des letzten strohbedeckten Hauses in Berenbach 1954.

 

Machen wir uns also nichts vor, wir sind längst am Scheidewege angelangt. Der Punkt ist erreicht, an dem uns endgültig die Entscheidung abverlangt wird, ob wir das uns Verbliebene zerstören oder ob wir es erhalten wollen.

Die Liebe zu Details

Es soll, so sagt man, Leute geben, die es fertigbrächten, Bauten historisch höheren und höchsten Ranges zu beseitigen und sie durch scheußliche Neubauten zu ersetzen. Aber sorgen wir uns nicht um höhere Dinge. Die Gefahr, daß jemand — um Extrembeispiele zu nennen — der Porta Nigra in Trier oder dem Kölner Dom etwas zuleide täte, ist sicher sehr gering. Niemand würde es wagen, derart großartigen Bauwerken ein Härchen zu krümmen. Dagegen sind Kulturwerte, bewegliche und unbewegliche Kulturdenkmäler, desto mehr gefährdet, je unscheinbarer sie nach außen hin wirken und je unnützer — wirtschaftlich gesehen, wohlgemerkt — sie zu sein scheinen. Für diese Behauptung gibt es zahlreiche Beispiele; sie wiederholen sich fast tagtäglich, sie reichen vom alten Pflug über das steinerne Grabkreuz bis hin zum schmucken Fachwerkhäuschen.

Der Teufel steckt auch hier — und insofern trifft das alte Sprichwort für den Denkmalpflegebereich zu — im Detail. Wir Menschen sind leicht geneigt, kleinere Dinge geringzuachten. Warum eigentlich? Kein verständiger Mensch würde auf die Idee kommen, den Wert seines Mitmenschen an dessen Körpergröße zu messen. Weshalb sollte es mit den Kulturgegenständen so viel anders sein? Wenn dieser Vergleich auch hinkt, gewisse Parallelen sind unverkennbar. Jedes Kleine und Schöne zählt, es ergibt in seiner Gesamtheit ein großes Ganzes. Die vielen kleinen Dinge sind es, die unser Leben verschönern helfen; sie machen — wie vor einigen Jahren eine namhafte deutsche Zeitung schrieb — in ihrer Summe den Heimatbegriff aus. Und was meint man höheren Orts hierzu?

 »Gerade die unscheinbaren Denkmäler«, so schrieb Kultusminister Dr. Georg Gölter in seinem Vorwort zur Denkmalschutz-Broschüre, »machen das Bild unserer Städte und Gemeinden unverwechselbar und erlauben eine gefühlsmäßige Bindung an die gewachsene Umwelt oder, anders ausgedrückt, Liebe zur Heimat«. Wie recht er hat, der Herr Minister! Das müßten wir Eifeler, denen man besondere Heimatverbundenheit nachrühmt, eigentlich wissen. Schließlich sollte man nicht übersehen: Was für Trier — um bei den Beispielen zu bleiben — die Porta Nigra ist, das ist für das kleine Eifeldorf der römische Gedenkstein. Und den Dörflern ist ihre vertraute Kapelle ebensoviel wert wie den Kölnern ihr altehrwürdiger Dom.

                                                          Doppelhaustür in Mosbruch — zum Ried um 1950.

 

Weshalb Pflege und Schutz? 

Gewiß gibt es mehrere Gründe, unsere Kulturdenkmäler zu pflegen und zu schützen. Kulturdenkmäler sind wichtige Bestandteile unserer Kultur; durch sie ist und bleibt unser Lebensraum ein in ihm lebenswerter. Nicht etwa glatte, kalte Häuserfronten und geschmacklose Flachdachbauten, sondern ordentlich renovierte Fachwerkhäuser und Steinbauten mit Sandsteingewänden an Türen und Fenstern vermitteln dem Landmenschen ein Gefühl der Geborgenheit. Nicht übergroße, wie tote Augen sich darbietende Fensterscheiben, sondern die dem Lichtbedarf der Wohnräume angemessene Sprossenfenster wirken sich beruhigend auf das Gemüt aus. Und auch nicht die Plastikdächer, die Eisen- oder Aluminiumhaustüren erfreuen das Auge des Bewohners; es sind vielmehr die Dacheindeckungen und Haustüren aus einheimischem Material. Kurzum, die Atmosphäre, die die Kulturdenkmäler ausstrahlen, ist durch nichts zu ersetzen

                                                                               Typisches Trierer Haus .in Hörschhausen um 1942

Auch sozusagen moralische Gründe ließen sich für das Erfordernis der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes anführen. Bedenken wir doch, daß es unsere Vorfahren waren, die das, was wir zu Recht Kulturdenkmäler nennen, mit Fleiß und in Schweiß geschaffen haben. Sie haben es uns vererbt, sicher nicht in der Erwartung, daß wir es eines guten Tages respektlos vernichten. Man darf mit Fug und Recht annehmen, daß unsere Väter, Großväter und Urgroßväter dabei etwas ganz anderes im Sinn hatten, nämlich das Vertrauen, daß wir das Erbe hüten für uns und für unsere Kinder. Bemühen wir uns darum, uns dieses Vertrauens würdig zu erweisen. Wir dürfen stolz darauf sein, die Rolle des Hüters väterlichen Erbes übernehmen zu können.

Das Kulturerbe hüten, heißt in diesem Falle zweierlei: Einerseits ist Bedacht darauf zu nehmen, daß das althergebrachte Kulturgut nicht vernichtet wird; dabei käme eine totale äußere Veränderung einer Vernichtung gleich. Dem Schutz vor Vernichtung ebenbürtig ist — hauptsächlich bei beweglichen Denkmälern — der Schutz vor Diebstahl. Auf dessen besondere Bedeutung hat Landrat Karl Adolf Orth vor einiger Zeit in einem offenen Brief eindringlich hingewiesen. Daß die Sorgen des Dauner Landrates um den Bestand der Kulturgüter berechtigt waren, hat sich seitdem mehrfach gezeigt. Diebe haben dafür gesorgt, daß weitere Kulturwerte unserer Heimat verlorengingen.

Zu guter Letzt sei gefragt: Was muß eigentlich noch passieren, bis alle Bürger begriffen haben, daß unsere Kultur ein so hohes Gut ist, das es mit allen erdenklichen Mitteln zu pflegen und zu schützen gilt?