Die Sage von der
Kerschenbacher
Mühle
H. Delvos +
Es schauen friedlich in Kerschenbach |
die Häuser zu m Wiesengrund, |
wo drunten an dem klaren Bach |
die Mühle klappert, Stund' um Stund'!
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Sie klappert bei Tag, sie klappert bei Nacht |
und schafft das Mehl herbei. |
der Müller sich ins Fäustchen lacht, |
bald ist die Mühle frei.
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Der Müller hat ein hartes Herz |
und haßt, was gut und weich; |
er häuft das Geld mit Spott und Scher. |
und wird allmählich reich.
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Im Winter einst bei Schnee und Wind |
klopft's an der Mühle Tor, |
es bittet eine Frau mit Kind |
in Not um Brot davor.
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Der Müller hat ein hartes Herz |
und weiset schroff sie ab; |
er fühlt nicht mit de r Ärmsten Schmerz, |
treibt sie vom Hof hinab.
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Als es dann wieder Sommer ward, |
stand's mit der Ernte schlecht, |
die Ähren leer, de r Boden hart, |
vergebens mühten Herr und Knecht.
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Die Mühle hört zu klappern auf und stellt das Mahlen ein. Es plätschert nur des Baches Lauf, kein Bauer bringet Korn herein.
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Und als die Not kein Ende nahm, |
ward bald der Müller arm. |
Der Meister Tod zur Mühle kam |
oh n 'Gnade und Erbarm '.
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Der holt i h m fortsein Weib und Kind, |
des Müllers Herz bleibt Stein; |
wegging der Knecht, sein Hausgesind', |
am Grab stand er allein.
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Und wie ein Fluch verfolgt es ihn, |
er haßt sein Haus und Land, |
legt in der Wut ein Feuer hin, |
bald steht die Müh/' in Brand.
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Es flattert wild der rote Hahn |
hoch auf dem strohgedeckten Dach, |
der Müller lacht in seinem Wahn, |
entsetzt dreht sich das Rad i m Bach.
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Er geht gestützt auf seinen Stab, |
zum Berg und schaut dem Feuer zu, |
die Mühle wird zum Aschengrab. |
Dann wandert erohn' Rast und Ruh.
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Sein harter Sinn hat ihm genommen |
das Glück und gab ihm Haß und Qual, |
nie ist er mehr zurückgekommen |
in dieses schöne, stille Tal.
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Die Flur, wo einst die Mühle stand, |
wird heut' noch »en d'r Mühl« genannt, |
und in der Erd' die Mauer steht |
am Bach, wo sich das Rad gedreht. |