Wiesbaum im

Hillesheimer Land

Matthias Weber

Wer mit dem PKW aus Richtung Köln kommend das Hillesheimer Land besucht, passiert zwischen Dollendorf und Mirbach eine unsichtbare Ländergrenze: die zwischen dem Bundesland Nordrhein-Westfalen und dem Land Rheinland-Pfalz. Zur Besatzungszeit nach dem II. Weltkrieg spielte sie noch eine bedeutende Rolle. Davor gehörten die beiden Eifelteile zur gleichen Rheinprovinz.

In Mirbach, das seit dem Frühjahr 1975 nach Wiesbaum eingemeindet worden ist, grüßt rechts der Straße die neuromanische Erlöserkapelle. Ihre Stiftungsurkunde hat noch Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1902 im Berliner Schloß unterschrieben. Die Preußen in der Eifel — ein wahrhaft weites, nicht unergiebiges Thema! Kurz hinter Mirbach gabelt sich die Straße in die neue, Ende der 60er Jahre gebaute Umgehungsstraße L 26 und die alte Ortsstraße, die K 75, die über Wiesbaum nach Birgel führt. Gerade von der Umgehungsstraße aus wirkt der alte Ort Wiesbaum mit seinem »Zwei-Kirchenblick« — eine erste Pfarrkirche ist hier schon 1131 nachgewiesen — wie eine betuliche Idylle. Der Friedhof mit seinen jahrhundertealten Linden— sie stehen unter Naturschutz — ist hier noch ein echter »Kirchhof« neben der alten Kirche. Nur bei näherem Erkundigen stoßen wir auf die Probleme der emsigen Dorfbewohner. Eines davon ist die gebührende bauliche Erhaltung ihrer geschichtsträchtigen alten Kirche. Deutlich hat der Zahn der Zeit an ihr genagt und wird dies weiter tun, wenn nichts geschieht. Aber das eben wollen die Wiesbaumer nicht zulassen.

Stellen wir das schmucke Dorf kurz vor. Laut dem Hillesheimer Verwaltungsbericht 1980 hat es 440 Bewohner, die sich auf 80 Haushaltungen verteilen. Mit den 91 Einwohnern und 40 Haushaltungen Mirbachs (Jakob Blum) sind es sogar 531 bzw. 120. Obwohl man im Hillesheimer Land hören kann, »die Wiesbaumer Landwirte liefern die meiste Milch an das Milchwerk Hillesheim«, gibt es nur 8 Haupterwerbs- und 15 Nebenerwerbsbetriebe am Ort. In Mirbach ist das Verhältnis 3 : 4. Neben zwei Gewerbebetrieben (Heizungsbedarf und Geschenkartikel) hat sich sowohl in Wiesbaum als auch in Mirbach nur jeweils eine Gastwirtschaft gehalten. Bei größeren Festivitäten einschließlich einer Diamantenen Hochzeit springt allerdings das Pfarrheim mit ein, nicht nur mit seiner Kegelbahn. Wiesbaum verfügt über beachtliche Gemeinschaftseinrichtungen. Sein Wasser holt es sich immer noch aus dem gemeindeeigenen »Fölschpütz«. Schulen, besser gesagt, Schulhäuser hat es genausoviel wie Kirchen, jeweils eine alte und eine neue. Seit der Schulreform im Lande Rheinland-Pfalz Ende der 60er Jahre dienen aber beide nicht mehr schulischen Zwecken. Alle Dorfkinder besuchen heute die Grundschule im wenige km entfernten Schulzentrum Hillesheim  (ab1.8.1971).

Wer nicht anschließend zur Realschule Hillesheim oder zum Gymnasium in Gerolstein überwechselt, macht in Hillesheim noch die Hauptschule zu Ende. Die Umschulung der Wiesbaumer Schulkinder geschah 1968 zunächst nach Jünkerath. Die alte Wiesbaumer Schule ist heute eine Mehrzweckeinrichtung der Gemeinde: einmal Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr, die am 29./30. 8. 1981 ihr 8Ojähriges Bestehen mit einem Verbandsfeuerwehrfest feiern konnte, also »Spritzenhaus«, ferner Kühlhaus und Jugendheim. Zusätzlich gibt es das weit geräumigere und moderne Pfarrheim, das im Bereich der neuen Pfarrkirche von 1926/28 steht. Der sehr gepflegte Friedhof liegt neben der alten Kirche. Man plant, sie als Leichenhalle und für Totenämter zu nutzen.

Auf dem Friedhof stehen an der Mauer nach Süden auch noch drei alte Linden. Alle sind sie im Naturdenkmalbuch des Kreises Daun verzeichnet, wenn sich dies auch über ihr ehrwürdiges Alter ausschweigt. Eine davon hat — so unser Gewährsmann Matthias Pauli — hier schon mehr als 300 Jahre hinter sich gebracht. Erfreuliehe Zeichen von Schutzmaßnahmen zeigen, daß man sie weiter hegt und pflegt. Weitere Naturdenkmäler Wiesbaums sind das Wacholderschutzgebiet am Wintersberg (Richtung Alendorf) sowie eine alte Buche, »Hudebuche«, die in Richtung Feusdorf steht.

Für sportliche und gesellige Betätigung haben sich die Wiesbaumer am Waldrand nach Flesten zu eine ansehnliche Sportplatzanlage mit Umkleideräumen gebaut. Hinzu kam noch eine attraktive Schutzhütte, deren Einweihungsfest man am 12./13. 9. 1981 feiern konnte. Den Reinerlös des Festes stellten die veranstaltenden Vereine in vorbildlicher Gemeinnützigkeit zur Restaurierung ihrer alten Kirche zur Verfügung. Wiesbaum beweist einmal mehr, wie leistungsfähig solch örtlicher Gemeinschaftsgeist sein kann.

Besucht man erstmals das gegenüberliegende Wiesbaumer Neubaugebiet, meint man in einem städtischen Villenvorort zu sein. Manche Bewohner bedauern es ein wenig, daß die neue Umgehungsstraße das »Ober- und Unterdorf« oder auch »Alt- und Neuwiesbaum« räumlich etwas trennt. Doch reges Gemeinde- und Vereinsleben sorgen dafür, daß nicht langer Trennungsschmerz aufkommt. Wiesbaum hat heute sechs Vereine: die schon genannte Freiwillige Feuerwehr (1901) als ältesten, dann den Sportverein (1949), die Katholische Frauengemeinschaft, einen Karnevalsverein, die Katholische Jugend und sogar einen »Strickverein«. Neben Familien- und Jubiläumsfesten wird hier mindestens zweimal im Jahr tüchtig gefeiert, zum »Anne-Fest« (26.7.) und zur Martinskirmes (11. 11.). St. Martin ist Pfarrpatron.

Die in der Mitteleifel weit bekannten »Wisber Streech« (Streiche) quittieren die heutigen Bewohner mit einem milden Lächeln. Sie sollten damit werben!

An Bräuchen unterscheidet sich Wiesbaum ein wenig von anderen Orten im Hillesheimer Land. Nicht nur die Kläpperjungen sammeln hier zu Ostern »nach getaner Arbeit« Eier, sondern auch die Junggesellen (von 16 bis 23) zu Pfingsten die Pfingsteier. In der Jugendzeit des 84jährigen Matthias Pauli gab's hier diesen Brauch noch nicht, dafür aber das Sammeln von Speck, Weck und Taart (so heißen die Fladen hier!) zu »Fassenacht«. Nach der Heirat auf dem Standesamt wurde zum Hillichschleifen am aufgebockten Wagenrad die Sense noch richtig scharf gemacht. In der Hochzeitsnacht stützte man das Haus mit Balken, wie das im Kronenburger Land vor einigen Jahren noch der Fall war. »Die Haustür und alles wurde zujestellt, dat se morjens net mehr rauskamen«, erzählt unser Gewährsmann in seiner begeisterten Art. Wohl kaum einer der lebenden Wiesbaumer weiß mehr über die Dorfgeschichte dieses Ortes. Wir sind ihm dankbar für sein Interesse und seine Mitteilungen.

»Wisber Streech«

 (Wiesbaumer Streiche)

Das grundsolide wirkende Wiesbaum genießt in Hoch- und Mitteleifel seit vielen Jahrzehnten einen Ruhm besonderer Art. Man schreibt dem Erfindungsreichtum seiner Bewohner schnurrige, ulkige Handlungen und Verhaltungsweisen zu, wie den Leuten des sächsischen Schilda die vielen Schildbürgerstreiche. Von Adenau bis Kronenburg und von Daun bis Gerolstein nennt man sie »Wisber Streech« oder einfach »Wisber«. Immer ist Komisches, zum Schmunzeln Verlockendes mit im Spiel. Die Wiesbaumer selbst schmunzeln darüber kräftig mit. Sie nennen sie »Wisber Sprung« (Jakob Blum). In der Tat machen darin menschliche Logik und Erfahrung ganz beachtliche Sprünge, aber passieren kann dabei keinem was, außer, daß die Lachmuskeln in befreiende Bewegung geraten.

Eigentlich weiß aber in Wiesbaum niemand, warum man gerade seinen Dorfbewohnern solche Schnurren und Schwanke zuschreibt und nachsagt. Selbst die uns geläufige Eifelliteratur schweigt sich hinsichtlich eines klärenden geschichtlichen Entstehungsgrundes »eisern« aus. Wohl sind die »Wiesbaumer Streiche« bereits um 1900 und dann spätestens wieder 1940 in die Eifelliteratur eingegangen. Der 81jährige Bernkasteler Eifelschriftsteller Peter Kremer veröffentlichte in seinem Büchlein »Das lachende Eifeldorf« eine ganze Reihe davon. So beispielsweise die Schwanke »Wie die Wiesbaumer einen Ortsvorsteher wählten«, »Wie die Wiesbaumer Eselseier ausbrüten ließen«, »Wie sie Stiere säten«.

 

Denkmal von 1550                                    Zwei-Kirchenblick mit Friedhof         Fotos: M. Weber

Kreuzwegstation mit Grußrelief                                                    Alte und neue Schule   Fotos:M, Webe

 

Den heutigen Wiesbaumern kommen diese Dinge eher überraschend vor, soweit sie nicht der älteren Generation angehören. Keineswegs haben sie bisher wie die Wittlicher mit ihrem verkehrsamtlichen Spruch »Es grüßen die Säubrenner« ihre »Wisber« zur Ortswerbung genutzt. Adam Wrede, der sich in seiner »Eifeler Volkskunde« (3. Aufl., Bonn 1960, S. 155 f) noch am gründlichsten mit den Wiesbaumer Streichen befaßt hat, gibt dazu folgende Erläuterung:

»Wiesbaum (Kr. Daun) geriet ins Gerede der umliegenden Gemeinden und die Wiesbaumer galten in der Hocheifel als Sündenböcke für närrische Handlungen, ähnlich wie die Dahner Gecken. Unter den Erzählungen sind eine Reihe solcher festzustellen, die mit ähnlichen, aus Orten außerhalb der Eifel überlieferten Schildbürgereien gleichlaufen, vermutlich Wanderschnurren, Wanderschwänke. Es wäre festzustellen, wie weit außer der jeweiligen mundartlichen Form der Erzählung das Motiv, der Leitgedanke bodenständig ist, also in der Eifel selber aufgekommen ist.. . . Früher hat man im Eifeler Landvolk immer gern und viel erzählt, Erzählungen gern gehört, sich an ihnen erfreut und sich Kurzweil bereitet. Erzählen war das wichtigste Unterhaltungsmittel und der Einzelne in der Familie oder Gemeinde erlangte im Erzählen eine gewisse Kunst und Meisterschaft. . . Die Mannigfaltigkeit der volkstümlichen Erzählungen war immer groß . ..«

Als Kostprobe für einen »Wisber« hier »Der Kuckuckshafer« von »Jodokus«, einem anonymen Eifelpoeten vermutlich Ende des 19. Jahrhunderts.