Rund um das Backes

Eine besinnliche Plauderei

Paul Quabeck

Ja, ihr habt recht gehört, »das Backes« muß es heißen, denn das Wort bedeutet nichts anderes als Backhaus; und wenn viele Familien im Eifelland sich noch heute Backes oder Backhaus schreiben, so haben sie irgendwie mit unserem lieben alten Backes zu tun.

Vor rund fünfzig Jahren gab es in unseren Eifeldörfern noch ein oder mehrere Backes, die von Backgemeinschaften in vierwöchigen Abständen benutzt wurden. Sollte ein neues gebaut werden, dann rief man die Ofenbauer aus Bell am Laacher See. Sie verstanden ihr Handwerk vorzüglich; und sie bauten auch manche Backofen in die Bauernhäuser ein, die man sofort an den herausgemauerten Ofenbögen erkennen konnte. In jedem Haus war unter der Tischplatte ein Backtrog zu finden. Mohle oder Mulde genannt; darin wurde vom letzten Backtag ein Rest vom Sauerteig aufbewahrt. Den streckte die Hausmutter schon am Abend vorher mit Mehl, damit er am anderen Morgen, gut durchsäuert, für das Ansetzen des Teiges gebraucht werden konnte. Der Teig wurde dann kräftig geknetet, gewirkt und dann nach längerem Gehen auf der Tischplatte in Klumpen abgeteilt. Die Teigklumpen kamen in die Kurbeln«, wo sie weiter gehen mußten. »Kurbeln, das waren länglich ovale Körbchen, die an den langen Winterabenden aus Stroh geflochten wurden. Sie gaben dem Brot später das schöne Druckmuster.

Inzwischen hatten die Mannsleute mit Schanzen (Reiserbündeln) und mit langen Buchenscheiten den Ofen kräftig eingeheizt bis die Steine glühten. Mit Kratzern und nassen Wischern wurde der Backofen sauber ausgeputzt, damit die herbeigetragenen Brotteige mit einem Schieber in den Backofen eingeschossen werden konnten. Nach der Garzeit wurden die fertigen Brote mit Wasser abgewaschen, damit sie ihren schönen Glanz bekamen. Daheim aber standen sie dann auf den Treppenstufen zum Abschwitzen und ihr würziger Duft durchzog das ganze Haus.

Nach dem Brot kamen die Floadden an die Reihe, flache Hefekuchen mit Obst und Pudding für die Sonn- und Festtage; und in der letzten Abwärme wurden noch Pflaumen, Äpfel und Birnen gedörrt. Aus gebackenen Birnen wurde »Bunnes« (Birnenmus) bereitet, das von allen Eiflern besonders begehrt war. Floadden gab es auch bei den Hochzeiten; dabei kam die echte Festfreude nie zu kurz. Oft wurde vorher ein großer Kranz, Bund oder Zöpfe gebacken. Der wurde mit bunten Bändern geschmückt, zu einer Stange im Hochzeitszug mit Musik hinauf zur Schule getragen. Nach einem gemeinsamen Lied wurde der Kranz unter die Kinder aufgeteilt damit auch der Letzte seinen Anteil an der Hochzeitsfreude hatte: Zusammen zog man dann wieder zurück ins Dorf.

Die Hausmutter schnitt kein frisches Brot an, ohne vorher darauf ein Kreuz zu zeichnen. Dann aber ließ man es sich munden, entweder mit frischem Klatschkäs, oder in guten Zeiten auch mit Butter und Schinken. Kein Stückchen Brot ging verloren. Aus den Resten wußte die Hausmutter noch eine leckere Suppe mit Milch, Rosinen und Anis zu bereiten. Eine Mülltonne gab es nicht. Brot war Gottesgabe.

Unlängst bekam der Eifelfreund ein Päckchen mit frisch gebackenem Roggenbrot. Es war anläßlich eines Dorffestes erstellt worden. Sein kräftiger Duft war wie ein Gruß aus vergangenen Tagen. Auch eine von den alten »Kurbeln« war dabei, liebevoll gereinigt und mit Blumen geschmückt. Sie fand bei ihm einen Ehrenplatz. Wie oft bitten wir nun um das tägliche Brot mit den Worten des Vaterunsers. Denken wir dabei nicht nur an die Nahrung für den Leib, sondern auch an alles was wir zum Leben nötig haben, Gesundheit, Kraft, Mut zur Entscheidung, Ausdauer im Kampf für das Gute, Geduld im Leiden, Ausweg in der Verzweiflung und an echte Lebensfreude? Ist das nicht auch tägliches Brot, Brot für die Seele? Und schließlich steht da noch das wunderbare Brot, das der Herr uns Pilgern für die Lebenswanderung und für die letzte Not bereitet hat! Brot spendet Leben. Es ist etwas Geheimnisvolles, Ehrfurchtgebietendes. Bei dem großen leiblichen und seelischen Hunger in der Welt bleibt es ein stetiger Anruf an alle, sich auch um das tägliche Brot der anderen zu kümmern, d.h. wörtlich, sich Kummer zu machen, damit auch sie satt werden.

 »Man empfindet so gut, was ein Stück Brot wert ist, wenn man aus eigener Erfahrung weiß, wieviel Mühe es kostet, es herzustellen.«

Charles de Foucauld