Reichtum des Dialektausdrucks
P. Josef Böffgen
Dialekte sind für eine jede Sprache der stets bereite Quell der Sprachbereicherung und Sprachverjüngung. Was aus dem Englischen (Amerikanischen) heute in unsere Umgangssprache und in die Sprache der modernen Unterhaltungsindustrie eingedrungen ist, ist Sprachverderbnis und Sprach-Barbarei. Selbstverständlich hat auch das Französische im Eifler Dialekt seinen Einfluß geltend gemacht in ein paar hundert Ausdrücken. Aber all das ist hier nicht gemeint. Ich meine den Reichtum der Ausdrucksweise und die plastischen Vergleiche aus der Natur. Dazu einige Beispiele:
In der Bedeutung von »schnell« kennt unser Dialekt schwenn flott hoß sihr jeng schetzisch = sechs Ausdrücke. Jeder war einst in seiner Bedeutung ein wenig verschieden vom anderen, es gab feine Unterschiede, die uns heute schon verloren gegangen sind. Ich möchte hier aus meinem Dialekt-Wörter-Verzeichnis nur die beiden ersten Buchstaben des Alphabets hernehmen (in Auswahl), um einen kleinen Einblick zu geben.
ächter = etwa, ungefähr
Arbel = ein Arm voll (Holz, Heu, Stroh, etc.)
babbele, hätschele (lautmalerisch) = plappern
bäd = müde, erschöpft
bäe = einen Aufschlag (Kompresse) machen
bampele = (frei beweglich) herunterhängen
baschde = bersten Arbeet fir ze baschde
baschdisch = stark, kräftig, arg, sehr
Beschtje = durchtriebener, kleiner Kerl
bejse = (kein Wort Hochdeutsch), die Koh bejst;
on en joot Heck jebejst = ein einträgliches
Geschäft gemacht
Besser (orrde Fongere) = das Beißen vor Kälte
Betglock = das Angelus-Läuten
Birrebunnes = Birnenmus
Bischdebenner (hongerisch wie en B.) =
sehr hungrig
bodde = frei (beim Spiel der Kinder)
Bokert = Fastnachtsgeck
Bommes = getrockneter Nasenschleim
bredisch (Huhn) = glucksig
Brehling = Läuferschwein
Brozzele = Schnittlauch
Bunnentertisch = Gemisch aus Kartoffeln
und Gemüse
Butsch = Ziege
Zu diesen Beispielen kommen viele andere hinzu, vor allem aus dem Bereich der typischen Eifler Kleidung und Speisen. Damit hängt zusammen die plastische Ausdrucksweise, vor allem mit ihren Vergleichen aus Haus und Flur. Wir finden sie vor allem in Sprichwörtern und Redewendungen. Der in Gerolstein (3. 9. 78) verstorbene Lehrer Toni Redagne hatte ca. 2 000 solcher Redewendungen gesammelt. Hier ein paar Beispiele:
Krankheet kitt ze Pärd jeridde un jeet fott mot Schneckeschridde.
Krähen de Honner, flöten de Mädcher un danzen de Pfaffe, soll m'r se us dem Land schaffe.
On em Bouernhous solle net min Fraue sen wie Backoweslächer.
En schlofende Fuchs fängt keen Hoon.
Leddisch Deppe rappelt et meest leddisch Kepp plappern et meest.
Van anner Leks Ledder oß joot Reeme schnegge.
Besser en Koscht on d'r Täsch wie en Fedder op dem Hoot (= Mahnung zur Bescheidenheit).
Dän het et net wejt boß ob de Specher (= ist schnell erregt).
Dän deet et Wasser noch berschop loofe (= ist eingebildet).
Dän het e Jescheck wie en Katz firr Hei ze fräße (= ungeschickt).
Diese und andere Redewendungen sind Ausdruck echter Lebensweisheit, die herkommt aus der Beobachtung von Mensch und Natur. Die Vergleiche, die sie benutzen, zeugen von einer intensiven Naturverbundenheit. Hier hat gerade der mit der Natur, mit Haus und Hof, mit der Welt der Tiere und Pflanzen verbundene Mensch einen großen Vorteil gegenüber dem Städter, der sein Leben in einer Steinwüste zubringen muß und der tagaus tagein hinter einer ratternden Maschine steht oder in der unerträglichen Hitze des Hochofens, der im ohrenbetäubenden Lärm der Fabrik sein Tagewerk verbringt.
Es wäre ein unersetzlicher Verlust, wenn dieser Reichtum der Ausdrucksweise unserer Mundart verloren ginge. Dialekt besagt Nestwärme, besser: Jeheschnis und Heimat. Heimat ist wahrlich mehr als Vaterland und Nation. Während diese beiden Wörter in erster Linie juristische Begriffe sind, ist »Heimat« emotionsgeladen, ist etwas, was nur die deutsche Sprache kennt. Es besagt: sich geborgen fühlen und zusammen mit anderen sorgen, daß es so bleibt.