EIFLIA ILLUSTRATA

Zum 300. Geburtstag von Johann Friedrich Schannat 

Herbert Wagner

1974 brachte eine Gerolsteiner Abiturientin ein Souvenir vom Prager Flohmarkt mit nach Hause: Ein Buch, das 1762 in Prag als Neuauflage gedruckt wurde »ex speciali mandato« (im besonderen Auftrag) des Prager Erzbischofs Johann Moritz Gustav Graf von Manderscheid -Blankenheim - Gerolstein, Freiherr in Jünkerath, Herr in Bettingen, Daun und Erp. Der Graf aus der Eifel (*1674) war Dompropst in Köln und Straßburg und Propst an St. Gereon in Köln und wurde 1733 Erzbischof von Prag (+ 1763). Weil er auch in der Ferne seine Heimat nicht vergessen hat, verdankt ihm die Eifel ihr erstes Geschichtswerk. Denn 1734 beauftragte er einen Gelehrten mit der Abfassung einer Geschichte des gräflichen Hauses Manderscheid: Johann Friedrich Schannat, Verfasser mehrerer historischer Arbeiten, sollte das Buch schreiben.

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Johann Friedrich Schannat, Sohn eines aus Franken zugewanderten Arztes, wurde am 23. Juli 1683 in der Stadt Luxemburg geboren. Das Studium der Rechtswissenschaft in Löwen schloß er mit dem Lizentiat ab und wurde 1705 Advokat beim Parlament (Oberstes Gericht) in Mechelen. Nebenberuflich betrieb er geschichtliche Studien und verfaßte 1707 » Die Geschichte der Grafen von Mansfeld«. Um mehr Zeit zu haben und sich ganz der liebgewonnenen Geschichte widmen zu können, gab er seine Advokatur auf, studierte Theologie und wurde Abbe (Geistlicher mit niederen Weihen). Nach Studienreisen in Deutschland und Frankreich arbeitete er um 1720 im Kloster Melk an der Donau. Der dortige Abt empfahl ihn als Historiker dem Abt von Fulda, Konstantin Freiherr von Buttlar. In dessen Auftrag schrieb Schannat eine mehrteilige Geschichte der Abtei Fulda: »Vindemialitterariae . . .«, Fulda und Leipzig 1723; »Corpus traditivum Fuldensium . . .«, Leipzig 1724; »Sammlung alter historischer Schriften und Dokumente . . .«, l.Teil; »Fuldischer Lehnhof. ..«, Frankfurt 1726; »Dioecesis Fuldensis . . .«, Frankfurt 1727; »Vindiciae. . .«, Frankfurt 1728; »Historia Fuldensis . . .«, Frankfurt 1729. In dem Werk »Dioecesis Fuldensis« hatte Schannat durch Urkunden angebliche Rechte der Fürstbischöfe von Würzburg und der Landgrafen von Hessen im Gebiet der Abtei Fulda widerlegt; beide ließen Gegenschriften von Johann Georg von Eckart und Professor Estor abfassen, gegen die Schannat sich in den Werken »Vindiciae« und »Historia Fuldensis« verteidigte. Über diesem Gelehrtenstreit zerbrach seine langjährige Freundschaft mit Eckart, den er selbst nach Würzburg empfohlen hatte.

Nach dem Tod des Abtes Konstantin bekam Schannat von Pfalzgraf Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, Bischof von Breslau (1683) und Worms(1702 - 32), Erzbischof und Kurfürst von Trier (1716-29) und Mainz (1729-32), den Auftrag, die Geschichte des Bistums Worms zu schreiben. Er zog nach Worms und veröffentlichte nach gewissenhaften Archivstudien die »Historia episcopatus Wormatiensis .. .«,Mainz 1734

Im gleichen Jahr gab der Prager Erzbischof das Geschichtswerk über das Haus Manderscheid bei Schannat in Auftrag. Wie bei Fulda und Worms ist auch dies ein Beispiel dafür, wie Mäzene aus politischem oder historischem Interesse »ihre Gunst Gelehrten und Schriftstellern zugewandt« und dadurch »bedeutende Leistungen auf geistigem Gebiete« veranlaßt haben. Schannat ging mit gewohnter Sorgfalt an die Arbeit, während der sich das Manuskript zu einem umfangreichen und dem ersten Geschichtswerk über die Eitel ausweitete mit dem Titel »Eiflia borealis Illustrata«. Anfang 1739 war »Die nördliche Eifel im Bild« vollendet, obwohl Schannat in der Zwischenzeit (1735 - 38) auf Kosten des Prager Erzbischofs zu Studienzwecken in Italien war. Von dort brachte er — besonders aus der Vaticana in Rom und der Ambrosiana in Mailand — reiches Archivmaterial mit, das er zu den »Accessiones . . . Germaniae«, einem mehrbändigen Werk über die deutsche Geschichte, und zu einem Buch über die Konzile in Deutschland verarbeiten wollte. Gleichzeitig arbeitete er an einer Geschichte des Bistums Speyer.

Titelblatt des Prager Manuskripts der »Eiflia«.

 

Sein Ruf als zuverlässiger Historiker, der mit bedeutenden Fachgelehrten Europas in Briefwechsel stand, hätte ihm wahrscheinlich eine Berufung als Geschichtsschreiber an den kaiserlichen Hof in Wien eingebracht — wenn ihn nicht, während er an einer Geschichte der Pfalz arbeitete, plötzlich und unerwartet am 6. März 1739 in Heidelberg der Tod mitten aus seiner Arbeit und seinen Plänen herausgerissen hätte.

Seine »Histoire abregee de la maison Palatine« wurde posthum 1740 in Frankfurt veröffentlicht; aber zu einer Drucklegung seiner »Eiflia«, die im Frühjahr 1739 hätte erfolgen sollen, ist es nicht mehr gekommen. Erzbischof Johann Moritz Gustav von Manderscheid gab das mit einigen Zeichnungen versehene Manuskript nach Schannats Tod dem Kölner Jesuiten und Regens des Gymnasiums Tricoronatum, Hermann Josef von Hartzheim, zur Bearbeitung und Herausgabe. Dieser überarbeitete als Mitglied und mit Hilfe einer damals in Köln — wahrscheinlich unter dem Vorsitz des Prager Erzbischofs und Kölner Dompropstes — bestehenden Vereinigung von Gelehrten (»Akademie«) Schannats Manuskript und ergänzte es vor allem durch Urkunden, die Schannat nicht gekannt hatte, und viele Zeichnungen. Doch bevor das Werk veröffentlicht werden konnte, starb Hartzheim 1763. Weil mittlerweile auch der Prager Erzbischof verstorben war, kam das Manuskript Schannats mit den Ergänzungen Hartzheims in das Manderscheidsche Archiv nach Blankenheim/Eifel, wo Johann Wilhelm Franz (t 1772) und nachdessen Tod sein Bruder Josef Franz Georg Ludwig, beide Neffen des Prager Erzbischofs (s. Stammtafel), als Grafen von Manderscheid residierten. Als Josef Franz Georg Ludwig 1780 kinderlos starb, wurde Augusta, die älteste Tochter von Johann Wilhelm Franz, Erbin und regierende Gräfin aller Manderscheider Besitzungen (s. Stammtafel). Seit ihrer Heirat mit Philipp Christian Graf von Sternberg/Böhmen 1762 wohnte sie meistens im Schloß Blankenheim. Als 1794 die französischen Revolutionstruppen ins Rheinland einfielen, flüchtete die Familie von Blankenheim auf ihre Güter nach Böhmen. Dorthin konnte sie auch einen Teil des Familienarchivs retten. »Die treffliche Bibliothek, die Kunstsammlung, ein großer Teil des Archivs, welches für die Geschichte des Landes unschätzbar war, wurden geraubt und verschleudert und gingen verloren.« Auch das Manuskript der »Eiflia« schien in Verlust geraten zu sein. Da aber in der Folgezeit einige Historiker Schannats Manuskript als Quelle angaben, vermutete man es in der reichhaltigen Sammlung des Kölner Domvikars Alfter, wo es aber 1816 nicht aufzufinden war. Man hielt es endgültig für verloren, was von rheinischen Historikern sehr bedauert wurde, weil sie sich von ihm »manche Aufklärung über die frühere Geschichte des Landes« erhofft hatten.

Eine glückliche Fügung für die Eifel und ihre Geschichtsschreibung war es, daß der Prümer Landrat Georg Barsch (*1778 in Berlin, 1819 -34 Landrat in Prüm, 1834 - 48 Regierungsrat in Trier, t 1866 in Koblenz) ebenfalls ein Liebhaber der Geschichte war. »Eifrig suchte er nach geschichtlichen Nachrichten über die Eifel, an denen es damals ganz fehlte«. Er sammelte »manche Notizen über Geschichte, Geographie und Statistik der Rheinprovinz« und wertvolle Dokumente aus aufgehobenen Adels- und Klosterarchiven und -bibliotheken, die in Privatbesitz gekommen waren, besonders aus der ehemaligen Abtei Prüm, die ohne seinen Sammeleifer heute wahrscheinlich verloren wären. Bei seinen Nachforschungen stieß er auch auf Nachrichten, »daß Johann Friedrich Schannat... eine Geschichte der Eifel unter dem Titel >Eiflia illustrata< geschrieben und als Manuskript hinterlassen habe«, was ihn natürlich ganz besonders interessierte: »Alles bot ich auf, um Nachrichten über den verlorenen Schatz einzuziehen.« Nach langem Suchen und Forschen fand er gelegentlich einer Reise zufällig in der großherzoglichen Bibliothek in Darmstadt eine Kopie mit Zeichnungen, von der er sich eine Abschrift machen ließ. Die unvollständige Darmstädter Kopie stammte aus der Sammlung Alfter in Köln, in der sich später noch zwei weitere Exemplare vorfanden.

Bärschs Freude über den Zufallsfund war groß, und er wollte das Werk drucken lassen, das er deshalb mit seinem langjährigen Freund, Regierungssekretär Grack in Trier, aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzte. Er selbst bemühte sich, aus seinen reichhaltigen Notizen »die Lücken des Schannat'schen Textes auszufüllen und zu ergänzen«, wie er in der Vorrede zur »Eiflia« bescheiden mitteilt. In Wirklichkeit übertreffen seine Ergänzungen den Text Schannats um ein Vielfaches, besonders im dritten Band, so daß die »Eiflia«, zwar von Schannats Text ausgehend, in der Hauptsache doch als Arbeit Bärschs angesehen werden muß. Das achtteilige Werk mit zusätzlichem Tafelband ist unter dem Titel: »Eiflia illustrata oder geographische und historische Beschreibung der Eifel von Johann Friedrich Schannat, aus dem lateinischen Manuscripte übersetzt, mit Anmerkungen und Zusätzen bereichert, nebst vielen Abbildungen von Altertümern, Sigillen und Wappen, herausgegeben von Georg Barsch« in Köln, Aachen, Leipzig und Trier 1824-55 erschienen; ein Nachdruck des gesamten Werkes — und der zwei Bände der »Eiflia sacra« von Carl Schorn, Bonn 1888/89 — erfolgte 1966 in Osnabrück.

In den zwei Abteilungen des ersten Bandes ist die Geschichte der Eifel unter den Römern und Franken und die Geschichte der Eifeler Dynasten behandelt; die zwei Abteilungen des zweiten Bandes enthalten die Geschichte der ritterschaftlichen Geschlechter der Eifel und adeliger Familien in deren Umgebung; die Städte und Ortschaften der Eifel sind topographisch und historisch beschrieben in den vier Abschnitten des dritten Bandes; im Tafelband schließlich sind neben Höhenmessungen, einer Übersicht über die römische Provinzialverwaltung und einer Eifelkarte zahlreiche Stammtafeln Eifeler Geschlechter und »die bei Schannat (im ursprünglichen Manuskript) befindlichen Abbildungen der in der Eifel gefundenen Altertümer« auf 33 Tafeln veröffentlicht. Während der Arbeit am zweiten Teil des ersten Bandes erfuhr Barsch aus dem »Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde« (Bd. 111/2, S. 443), daß sich Schannats Originalmanuskript mit den Ergänzungen v. Hartzheims in der Bibliothek des Grafen Franz von Sternberg-Manderscheid in Prag befinde; er hat es jedoch nicht für seine »Eiflia« benutzt, in die dadurch die vielen Ergänzungen und vor allem Zeichnungen des Prager Manuskripts nicht aufgenommen sind. Gräfin Christina von Stolberg geb. von Sternberg-Manderscheid schenkte das aus Blankenheim gerettete Manuskript mit anderen Archivalien (61 Kartons mit Briefen und 15 Holzkisten mit Urkunden) dann 1851 dem heutigen Na'rodnimuseum in Prag, in dessen Archiv es sich noch befindet. Bestände der umfangreichen und wertvollen Blankenhei-mer Bibliothek befinden sich heute in der Erzbischöflichen Bibliothek in Prag.

II

Zu dem Prager Manuskript der »Eiflia« gehören zahlreiche Tuschezeichnungen, die auf Anregung Hartzheims als Vorlage für Kupferstiche von dem Kölner Kupferstecher Christoph Rösel angefertigt worden sind, womit man die »Eiflia« zur »illustrata« machen wollte, und die Barsch unbekannt waren. Dank freundlichem Entgegenkommen von Dr. Ales Chalupa, Archivdirektor des Na'rodnimuseums, können hier wenigstens einige vorgestellt werden. Sie zeigen heute nicht mehr vorhandene Grabmäler einiger Herren von Kerpen, stehen also in besonderer Beziehung zum Kreis Daun. 1. Grabplatte Dietrichs II., Herr von Kerpen, + 1270 (Abb. 2)

In der »Eiflia« ist über Dietrich II. zu lesen: »Heinrich [II., wie auch schon sein Vater Dietrich l.] ... Besitzer der Herrschaften Kerpen und Manderscheid, teilte solche in der Folge unter seine ... Söhne Diedrich und Wilhelm. Der erstere erhielt die [Stamm-]Herrschaft Kerpen, der letztere die [Neben-]Herrschaft Manderscheid. Diedrich [II.] . . . nannte sich seitdem [nur noch] Herr zu Kerpen. ... Diedrich gehört zu den Wohltätern des Klosters Himmerode, in dessen Kirche er auf seinen Wunsch seine Ruhestätte hat« (Schannat).

»Von den Söhnen Heinrichs II. setzte Wilkin [= Wilhelm II.] . . . den Stamm der Dynasten von Manderscheid fort, Richard III. [nach neueren Forschungen wie auch schon bei Schannat aber = Dietrich II.] wurde der Stammvater der [ — neuen — Dynasten] Linie von Kerpen« [und trug die Herrschaft Kerpen 1265 dem Erzbischof von Köln zu Lehen auf] (Barsch). 1506 erwarb Dietrich IV. von Manderscheid-Schleiden durch Heirat der Erbtochter Margare-ta von Sombreff-Kerpen (s. Stammtafel) die Herrschaft Kerpen für das Haus Manderscheid. Beim Erlöschen der Schleidener Linie 1593 fiel sie an die Seitenlinie der Grafen von der Mark, von 1674 -1794 gehörte sie den Herzögen von Arenberg.

Die Strichzeichnung der gotischen Grabplatte in der Abteikirche Himmerod, vorgesehen als Tafel XIV der »Eiflia«, zeigt den Verstorbenen im Rittermantel mit seinem Wappenschild (in silbernem Feld ein dreifach geschobener roter Sparrenbalken) unter einem spitzen Kleeblattbogen mit der Inschrift: DOMINVS THEODE-RICVS NOBILIS DE KERPENE (Herr Dietrich, Edelherr von Kerpen). Von der Randinschrift sind nur mehr Bruchstücke erhalten. 2. Grabmal Dietrichs IV., Graf von Manderscheid1 (1447), Blankenheim2 (1468) und Virneburg (1545), Herr in Schieiden (1451), Kerpen (1506), Reckheim (1509), Saffenburg (1545), Daun (1438), Kasselburg (1514), Neuenstein (1450), Kronenburg (1488) und Neuerburg (1487), * 14. 8. 1481, + 1551 (Abb.3) Von ihm berichtet die »Eiflia« »Durch den Tod seines Bruders Kuno [1479/89 -1501] und durch die edle Verzichtleistung seines Bruders Ulrich [Domherr in Köln, + 1518, begraben in Himmerod] wurde er [1501] Erbe und Herr des ganzen sehr ausgedehnten väterlichen Vermögens, [das er noch vergrößern konnte].

Im Jahre 1506 vermählte er sich mit Margareta, Frau zu Kerpen [der Witwe Heinrichs von Reichenstein und Erbtochter Friedrichs von Sombreff und Elisabeths von Manderscheid — einer Stiefschwester Dietrichs IV. —, + 1518], ... wodurch die ganze Herrschaft Kerpen an das Manderscheidsche Haus kam. Auch die Grafschaft Virneburg ... fiel Dietrich [1545] zu.

Seine Wirksamkeit beschränkte sich nicht bloß auf die Angelegenheiten seiner Familie, auch zu Staatsgeschäften wurde er berufen.

Als seine zweite Gemahlin [verh. 1533], Elisabeth von Neufchateau, [1543] ohne Kinder verstorben war, bestimmte er, wie seine Güter unter seine beide Söhne [Dietrich V. und Franz (1514-1548)] künftig geteilt werden sollten; dabei setzte er zugleich fest, daß die weibliche Linie von der Erbfolge auf immer ausgeschlossen bleiben sollte« (Schannat).

^»Graf Dietrich IV., welcher auch der ältere, auch wohl der Weise genannt wird, wurde 1549 [in Nachfolge seines Vaters] von Kaiser Karl V. mit .. . Schieiden . . . belehnt.

 Den berühmten [protestantischen Juristen und Historiker Johann Philippsen aus Schieiden, ge-nannt] Sleidanus [1506 -1556] hatte er als Hofmeister bei seinem zweiten Franz« (Barsch)

Grabmal Dietrichs IV. von Manderscheid.

 

SarKopnag uieincns v. von Manderscneiü.

 Für Kerpen ist Dietrich IV. vor allem deshalb erwähnenswert, weil er dort kurz nach seiner Heirat das sogenannte neue Schloß und die Burgkapelle erbauen ließ. In diesem Schloß wurde sein Sohn Dietrich V. geboren und ist sein Enkel Dietrich VI. gestorben, und dort trafen sich die Vertreter der weitverzweigten Familien des Hauses Manderscheid mehrmals zu Beratungen in Familienangelegenheiten. Es wurde 1682 und 1689 von den Franzosen zerstört; nur mehr geringe Reste der Außenmauer und eines Rundturmes stehen. Die ehemalige Burgkapelle ist jetzt Filialkirche.

Obwohl Dietrich IV. mit dem Protestantismus sympathisierte, hielt er am katholischen Bekenntnis fest und bemühte sich 1507 wegen der gesunkenen Klosterzucht im benachbarten Niedereher Nonnenkloster, einer Kerpener Stiftung, beim Abt von Steinfeld, dem es unterstand, erfolgreich um die Umwandlung in ein Männerkloster, das er 1541 nach Schleiden verlegen wollte, was der Abt aber ablehnte.

 Von Steinfeld erwarb Dietrich IV. 1539 auch das Patronatsrecht der Schleidener Schloßkapelle, nachdem er 1516 -1525 durch Baumeister Johann Vianden aus Kyllburg das heutige Kirchenschiff hatte erbauen lassen. In dieser Kirche wurde nach seiner Gemahlin Margareta auch Dietrich IV. beigesetzt. Doch erst vierzig Jahre später (in serum) ließ 1590 Dietrich VI. ein Grabmal für den »teuern Großvater« (chari . . . avi) errichten, der 1551 — und nicht 1590, wie in der Bildüberschrift angegeben — gestorben ist und unter diesem Denkmal begraben war (qui obiit anno 1551 ... hie iacet sub isto marmo-re). Von dem Grabmal ist nur noch die Mittelplatte mit der Darstellung des Verstorbenen in Ritterrüstung erhalten; aber die Tuschezeichnung (Blatt 242 des Manuskripts), gedacht als Tafel XXVIII der »Eiflia«, überliefert das ursprüngliche Aussehen:

Die Epitaphplatte war von Renaissancearchitektur eingerahmt und trug unter der Jahreszahl 1590 ein Wappen Dietrich IV.: Im 1. Feld Manderscheid (in Gold ein dreifach geschobener roter Sparrenbalken), im 2. Feld Blankenheim (in Gold ein aufrechtstehender schwarzer Löwe mit rotem Turnierkragen), im 3. Feld Schleiden (in Blau mit silbernen Kreuzchen bestreut ein aufrechtsstehender silberner gekrönter Löwe), im 4. Feld Kerpen (in Silber ein dreifach geschobener roter Sparrenbalken) und im Herzschild Virneburg (in Gold 7 - 4 : 3 - zu 2 Balken aneinandergereihte rote Rauten). Im Sockel geben in zwei Kartuschen Inschriften Hinweise auf den Toten und den Stifter des Epitaphs, aus denen hervorgeht, daß das Grabmal für Dietrich IV. errichtet worden ist und nicht für Dietrich V., wie in der Bildüberschrift angegeben ist

 3. Sarkophag Dietrichs V., Graf von Manderscheid, Blankenheim und Virneburg, Herr in Schleiden, Kerpen, Reckheim, Saffenburg, Daun, Kasselburg, Neuenstein, Kronenburg und Neuerburg, * 30. 3. 1508 auf Burg Kerpen, + 24.4. 1560 (Abb. 4) Über ihn schreibt die »Eiflia«: »Dietrich V. wurde auf dem Schlosse Kerpen am 30. März 1508 geboren. Unter ihm erreichte das Haus der Grafen von Manderscheid den höchsten Glanz. Er wurde nach dem Tode seines Bruders Franz [1548] Herr der großen Familiengüter. Am Hofe des Herzogs Wilhelm v.-Jülich-Berg stand er in großem Ansehen. . . Ebenso genoß er die Gunst Johannes [von Isenburg], Kurfürsten von Trier« (Schannat). »Dietrich V., auch der mittlere genannt, hatte sich schon im Jahre 1532 mit Erika ... v. Waldeck und Witwe ... v. d. Mark-Arenberg vermählt. . . . Nach dem Tode des Vaters [1551 bekam er] die sämtlichen Besitzungen der Schleidenschen Linie . . . , war dem evangelischen Glaubensbekenntnisse geneigt und führte im Jahre 1559 die Reformation nach dem Augsburgischen Bekenntnisse . . . ein. In seiner Ehe mit Gräfin Erika v. Waldeck . . . zeugte er sechs Söhne . . . und fünf Töchter« (Bärsch).

Die Deckelskulptur seines Sarkophags in der Schleidener Kirche zeigt den Verstorbenen in Verwesung, eingehüllt in einen zerschlissenen Mantel, umgeben von Totengewürm — Sinnbild der Vergänglichkeit. An beiden Längsseiten stehen in Nischen zahlreiche Personen, im Vordergrund jeweils zwei Paare, durch Wappen als Mitglieder der Familie von Manderscheid und ihre Frauen ausgewiesen. Außer dem Manderscheider können von rechts oben im Uhrzeigersinn die Wappen Waldeck (Stern), Sombreff (in Gold ein oben von 3 roten Vögeln begleiteter roter Balken), Schleiden, Daun (in Gold ein rotes Schräggitter), Steinkallenfels (über Gold ein grünes Schildhaupt mit schreitendem herschauenden silbernen Löwen), Neuenahr (in Gold ein schwarzer Adler) oder Kronenburg (in Silber ein roter Adler) und Virneburg zugeordnet werden. Am Fuß des Sarkophags hält ein Engel zwei Wappen: Links Manderscheid und Sombreff, rechts Neuerburg (in Silber ein schwarzer Schrägrechtsbalken) und Manderscheid. An der Kopfseite befindet sich ebenfalls ein zusammengesetztes Wappen: Im 1. - 4. Feld Manderscheid, Blankenheim, Schleiden, Kronenburg, im Herzschild Daun.

Da an dem Hochgrab keine Inschrift oder Jahreszahl angebracht ist, hielt der Zeichner es für das Grab Dietrichs IV., was aber nicht stimmen kann; denn einmal steht in der Inschrift des bei 2. besprochenen Grabmals, daß es »verspätet« 1590 »für den Großvater« errichtet worden ist, also vom damals — 1590 — regierenden (ipse comes . . . nunc) Dietrich VI. für Dietrich IV., der »hier unter diesem Marmor — also nicht im Hochgrab — liegt«. Zum ändern zeigt der Sarkophag auf der linken Seite an erster Stelle das dem Wappen Manderscheid zugeordnete Wappen Waldeck, aus welchem Geschlecht Erika, die Frau Dietrichs V. stammte; es hätte also bei Dietrich IV. noch nicht erscheinen können. Dann folgen die Wappen Manderscheid-Sombreff, der Eltern Dietrichs V. (Seit der Spätrenaissance wurden — besonders an Dynastengrabmälern — oft eine Vielzahl von Ahnenwappen ohne feste Regel in ihrer Reihenfolge angebracht, wie auch hier).

4. Epitaph für Dietrich VI., Graf von Manderscheid, Blankenheim, Virneburg, Wertheim (1574) und Roussy (1582), Herr in Schieiden, Kerpen, Reckheim, Saffenburg, Daun, Kasselburg, Neuenstein, Kronenburg und Neuerburg, + 3.1.1593 auf Burg Kerpen (Abb. 5)

Von ihm steht in der »Eiflia«:

 »Nach dem im Jahr 1560 erfolgten Tode seines Vaters Diedrich V. übernahm er als der älteste Sohn die Regierung. Die ganz einfache Grabschritt, welche ihm im Himmeroder Kloster gesetzt ist, lautet also:

>lm Jahr Christi 1593 am 3ten Januar starb der erlauchte Herr Diedrich, letzter Graf und Sohn Diedrichs, welcher Schleiden und andere Schlösser besaß, ohne männliche Nachkommen ... Er vermählte sich im Jahre 1560 mit Elisabeth . . . von Stolberg und Wertheim . . . Seine Gattin überlebte ihn ... « (Schannat). »Graf Diedrich VI. [der jüngere] bekannte sich, wie sein Vater zur Lutherischen Konfession . . . Auch zu Gerolstein, Aardorf und in ändern Oertern in dieser Gegend [wie z. B. in Kerpen und Niederehe], waren damals Evangelische Gemeinden. Noch auf seinem Todbette verordnete Graf Diedrich, daß seine Nachfolger die Evangelische Confession ungehindert üben lassen sollten. Dies geschah aber nicht . . .

Epitaph Dietrichs VI. von Manderscheid.

 Diedrich VI. starb . . . ohne Kinder, [und mit ihm erlosch] der Mannsstamm der Schleidenschen Linie der Grafen von Manderscheid, ... und es entstanden über die Erbfolge schwere Processe und viele Streitigkeiten«, [die Dietrich wohl schon vorausgesehen hat; denn in seinem Testament von 1592 hatte er nicht nur gebeten, die evangelische Lehre in seinen Ländern zu erhalten, sondern auch jeden Streit um seinen Besitz zu vermeiden. Dieses Kodizill hatte er allen Verwandten zustellen lassen, und alle haben ihm versprochen, diesen seinen letzten Willen zu respektieren, was aber nicht geschah; gleich nach seinem Tod brach der Erbstreit aus. Besonders sein Schwager Philipp von der Mark (verh. mit Dietrichs Schwester Katharina — beider Grab in der Kirche in Niederehe —) handelte schnell und besetzte schon zwei Tage nach Dietrichs Tod Burg Manderscheid und am Abend des 6. Februar 1593 Burg Kerpen auf recht hinterhältige Weise, indem er vorgab die dort wohnende »Gemahlin und Witwe in zugestandenen betrubnis zu besuchen«, und wenig später auch Schleiden, wohin Dietrichs Witwe geflüchtet war, und andere Manderscheider Besitzungen] (Bärsch).

Die Zeichnung (Blatt 239 des Manuskripts) seines Renaissanceepitaphs in der Schleidener Kirche sollte als Tafel XXV in die »Eiflia« aufgenommen werden. Sie zeigt den Verstorbenen ebenfalls in Rüstung, umgeben von zwei Wappenleisten. Die Wappen zu seiner rechten Seite beziehen sich auf die väterliche Linie (Schwertahnen): Manderscheid, Sombreff, Virneburg, Neuenahr, Schleiden, die zu seiner linken auf die mütterliche Linie (Spindelahnen): Waldeck, Hoya, Solms, Lippe, Wertheim. Im Aufbau ein Wappen Dietrichs VI.: In den Feldern 1 - 6 Manderscheid, Virneburg, Blankenheim, Kronenburg, Saffenburg, Schleiden, im Herzschild Daun.

Die zweiteilige Grabinschrift — ohne Jahreszahl — berichtet, daß Dietrich VI. dreiunddreißig Jahre (per ternas rexit messesque tricenas) mild und friedlich regiert hat (mitis in officio pacificusque) und ohne Nachkommen (sine prole) — nicht 1560, wie in der Bildüberschrift angegeben, sondern 1593 — gestorben ist als letzter der Schleidener Linie des Hauses Manderscheid, eines Adelsgeschlechts, dem es wie keinem ändern in der Eifel gelungen war, in verhältnismäßig kurzer Zeit zu ausgedehntem Besitz und großer Macht zu kommen und »im Eifelraum eine Führungsstelle« zwischen den »Großmächten« Luxemburg, Jülich, Kurtrier und Kurköln zu behaupten.

Die Eifel hat durch viele Kriege so viele ihrer Kunstschätze verloren, daß man dankbar sein muß, daß einige wenigstens im Bild erhalten geblieben sind.

1 Seit 1447 Grafen. 2 In Klammern Jahr des Erwerbs für Manderscheid

Quellen und Literatur:

Asbach, Georg Barsch und die Eiflia illustrata. Prüm 1896. Georg Barsch, Erinnerungen aus meinem vielbewegten Leben. O.O.u.J. Druck: Aachen (1857). Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen. 1. Bd. Rheinland. Berlin 1967. Otto Gruber, Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels. Beil, zu den Landeskdl. Vierteljahresbl. Trier 1962 - 65, 1967.

Herold (Hrsg.), Wappenfibel. Handbuch der Heraldik. Neu-stadt/Aisch1981.

Heimatbrief des Heimatvereins Niederbettingen, Nr. 15. Niederbettingen 1979.

Paul Krämer, Johann Friedrich Schannat — ein Freund der Eifel und Ardennen. Eifeljahrbuch 1966. Peter Neu, Die Geschichte des Hauses Manderscheid . . . Rhein. Archiv Nr. 80. Bonn 1972.

Schannat-Bärsch, Eiflia illustrata. Neudruck Osnabrück 1966. Ruth Schmitz-Ehmke, Die ehemalige Schloßkirche in Schleiden. Rhein. Kunststätten, Heft 240. Neuss 1980. Herbert Wagner, Kerpen (Hohe Eifel). Rhein. Kunststätten, Heft 233. Neuss 1980. Fotos: Närodnimuseum Prag.

 

Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn

schöne Teppiche seinen Boden und

kostbare Tapeten und Bilder die Wände

bedecken.

                        Hermann Hesse 1877-1962

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