Anekdoten aus dem Kreishaus

Franz Josef Ferber

»Auch du bist einer von ihnen«!

An dieses Bibelzitat aus der Leidensgeschichte Christi (Lukas-Evangelium, Kapitel 22, Vers 58) wird man unwillkürlich erinnert, wenn man die nachfolgende Geschichte hört, die sich vor einigen Jahren ereignet hat.

Wieder einmal war es soweit, daß Flüchtlinge aus dem fernen Ausland, aus Pakistan, dem Kreis Daun zugewiesen wurden. Der Kreisbeamte Günter hatte pflichtgemäß entschieden, daß diesmal die Verbandsgemeindeverwaltungen B. und E. an der Reihe waren, die Heimatlosen aufzunehmen.

Der junge Beamte Bruno von der Verbandsgemeindeverwaltung B. stand rechtzeitig am Dauner Bahnhof parat, um die fremden Gäste zu begrüßen und sie auf den richtigen Weg zu geleiten. Der Zug aus Richtung Mayen rollte pünktlich ein. Etliche Fahrgäste stiegen aus und gingen ihrer Wege. Von den Fremden jedoch war keine Spur zu sehen. Bruno weilte nun mutterseelenallein hier. Da traf, etwas verspätet, auch der Amtskollege Hanns, von der Verbandsgemeindeverwaltung E., in der Bahnhofsvorhalle ein. Er hatte die gleiche Absicht wie sein Amtsbruder. Beide kannten sich persönlich jedoch nicht. Bruno erspähte plötzlich seinen vermeintlichen Gast, der seinerseits nach seinem pakistanischen Besucher Ausschau hielt. Er trat spornstreichs auf seinen Kollegen mit dem dunklen Teint zu und fragte ihn unvermittelt und in bestem Hochdeutsch: »Sie sind doch bestimmt einer der Herren aus Pakistan!?«

Griechischer Wein

Es war im Jahre 1960. Der Betriebsausflug des Landratsamtes war akkurat geplant. Eigentlich konnte nichts mehr schiefgehen. Auf ging es, im Wonnemonat, mit zwei Bussen, an den Neckar, nach Heidelberg. Nach der Besichtigung der Altertümer fuhr man mit dem Schiff ins benachbarte Neckargmünd. Dort war die Abendmahlzeit zubereitet. Und nicht nur das: Auch die Nachtquartiere waren parat, nur sollten sie so früh noch nicht bezogen werden. Zuerst schwärmte die Mannschaft in die Gasthäuser aus, um sich an Schnaps, Wein und Bier zu laben. Eine alte renommierte und atmosphärische Kneipe, die Griechische Weinstube »Zur Stadt Athen«, hatte es den Eifeler Gästen besonders angetan. Dort kehrten die meisten, jung und alt, ein. Es wurde viel Wein serviert. Er war preiswert und süffig. Aber er war auch fremd. Und hier lag der Hund begraben. Man genoß den griechischen Wein schnell und reichlich. Er hieß »Maffre daffre« (Anmerkung: So klang sein Name; für die richtige Schreibweise möchte sich der Verfasser nicht verbürgen). Nach kaum einer Stunde machten sich die Anzeichen des Weingenusses deutlich bemerkbar. Während die einen mächtig darauf lostranken, waren die anderen ob des fremden Trankes auffallend zurückhaltender. Zwei Sozialdamen waren besonders vorsichtig. Sie machten es ähnlich wie der Fuchs, der sich gemeinsam mit dem Wolf im Keller des Bauern an dessen Fleischbütte guttat: Sie rannten nach jedem getrunkenen Glas zur Diele und musterten sich im Spiegel; solange sie sich noch erkannten, konnten sie sich noch ein Gläschen genehmigen.

Nach Mitternacht zogen alle gemeinschaftlich von dannen. Gott sei Dank war der Heimweg kurz; so daß auch die Schwankenden und Gehunfähigen, teils mit kräftiger Unterstützung ihrer Kollegen, einigermaßen Schritt hielten. Bis dahin war nun alles gutgegangen.

Jedoch am anderen Morgen, oh weh! Viele verspürten das Bedürfnis, den fremden Rebensaft wieder schleunigst loszuwerden. Dies geschah meist auf demselben Wege, auf dem sie ihn in sich hineingeschüttet hatten. Das war ein Fias-ko! Die Toiletten waren vollends überlastet. Ein junger Kollege kübelte, was das Zeug hielt. Da die Lokustür verschlossen war, nahm er mit dem Schuhpaar vorlieb, das einer am Abend zuvor zum Putzen auf den Flur gestellt hatte. Ein anderer sprang in seiner Not zum offenen Fenster und ließ, mit der Gardine verschleiert, seine Last auf die Straße fallen. Nur ein einziger, der Josef, der frühzeitig brav zu Bett gegangen war, hatte andere Molesten. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zutun können. Denn er konnte

in der altmodischen, verwinkelten Herberge die Toilette nicht finden, und er mußte mit voller Blase bis zum Morgen ausharren. Die Wirtsleute, freundlich wie sie waren, hatten ihm zwar im Kommödchen einen Nachttopf bereitgestellt. Dieser jedoch barg bis zum Rand noch den nierengefilterten Rebensaft des Gastes der Vornacht.

Summa summarum: alles war voll, die Belegschaft, die Blase, der Nachttopf und sogar die Schuhe.