Das fränkische Gräberfeld  von Lissendorf

Von Lothar Schun

Zur Feier eines Jubiläums einer Stadt oder Gemeinde wird in der Regel auf das Datum der ersten urkundlichen Erwähnung zurückgegriffen. Dieses mehr oder weniger zufällige Datum fällt jedoch in den wenigsten Fällen mit dem tatsächlichen Entstehungszeitpunkt eines Ortes zusammen. Wo aber schriftliche Zeugnisse fehlen, muß man andere Hinweise suchen, was auch für die Gemeinde Lissendorf zutrifft.

Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 893 im Güterverzeichnis der Abtei Prüm. Es gibt jedoch mehrere Fakten, die Lissendorf als eine fränkische Gründung des 6. - 7. Jahrhunderts als sicher erscheinen lassen. Neben der Wahl des St. Dionysius als Schutzpatron, der Endung des Ortsnamens auf »-dorf« und der Ortslage in einer fruchtbaren Kalkmulde ist vor allem das fränkische Gräberfeld am Möschelberg (1822 als Königsberg bezeichnet) ein Beweis für diese Annahme. Dies ist Anlaß für den Autor, eine kleine Übersicht über die bisher bekannten Fakten zu geben.

Einleitend kann man sagen, daß das Verhältnis des Gräberfeldes zum Ort, den anderen von Franken im Trierer Raum gegründeten Siedlungen entspricht. So liegt auch das Lissendorfer Gräberfeld erhöht über der dazugehörenden Siedlung, welche wiederum an einem Wasserlauf liegt. Im allgemeinen — wie auch hier — sind die Grabstellen nicht durch diesen Wasserlauf von der Siedlung getrennt, sondern liegen auf der gleichen Seite. Auch die Bestattung der Toten in West-Ost-Richtung entspricht der Regel. Die Verstorbenen sollten der aufgehenden Sonne zugewandt sein.

Die bekannten Funde erstrecken sich über die Jahre 1886 bis 1939 und wurden zufällig beim Steinbruchbetrieb gemacht. Leider wurden die Ausgrabungen meist von Laien vorgenommen und das Rhein. Landesmuseum in Trier nur selten benachrichtigt. Daher sind vor allem zu den früheren Funden kaum noch Informationen vorhanden. Eine systematische Untersuchung des gesamten Gräberfeldes wurde bis heute nicht vorgenommen. Zwischen 1886 und 1905 wurden beim Steinbruchbetrieb mehrfach Gräber angeschnitten, wozu die Schulchronik nur die Funde, jedoch keine weiteren Mitteilungen vermerkt.

1923 wurde ein Sandsteinsarg mit Deckel gefunden. 1927 kam ein Plattengrab von 1,83 m Länge und 2 Bestattungen zum Vorschein. Der bisher bedeutendste Fund kam im Januar 1930 zutage. Dieses Grab wurde nachträglich vom Landesmuseum Trier ausgemessen und untersucht. Es hatte die Maße 2,1 x 1,75 m und war 1,5 m tief. Das Skelett war 1,8 m lang. Es handelte sich um ein Männergrab und enthielt verschiedene Beigaben. Unter anderem ein doppelschneidiges Schwert von 85 cm Länge und 5,5 cm Breite, eine Bronzeschnalle, ein S-förmiges Glied einer Silberkette, Bruchstücke eines Bechers aus hellgrünem Glas, die 10,5 cm lange Spitze einer Lanze, Bruchstücke einer Messerklinge und des Eisenkastenbeschlages. Dieses Grab — wie auch die anderen — wird auf das 6. - 7. Jahrhundert datiert.

Nach einer Mitteilung des früheren Lehrers im Lissendorf, Nikolaus Thomas, waren um 1910 noch 17 Gräber durch die sie überwölbenden Grabhügel zu erkennen. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts ging durch kirchliches Eingreifen die Sitte der Grabbeigaben zu Ende. Gleichzeitig wurden auf dem Lande viele Kirchen nahe der Siedlung errichtet, wobei das alte Gräberfeld aufgegeben und zur Kirche hin verlegt wurde. Es spricht vieles dafür, daß dieses auch in Lissendorf geschehen ist.

Neben diesen fränkischen Gräbern sind noch zwei römische Grabfunde erwähnenswert: 1935 wurden dem Landesmuseum Trier Scherben mehrerer römischer Gefäße abgeliefert. Diese sollen aus einem in der Nähe des Ortes gefundenen Brandgrab aus dem 1. Jahrhundert oder Anfang des 2. Jahrhunderts stammen.

1936 wurde im Distrikt »Pfaffenkaul« unter einer Steinplatte ein Brandgrab mit 9 Gefäßen aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts gefunden. Vom Fundort her wären Zusammenhänge mit der römischen Heerstraße Trier - Köln oder der römischen Höhenbefestigung auf dem Burgberg denkbar. Die Nähe zu Eisenerzvorkommen und die Tatsache, daß bereits die Römer die Roteisenerze der Eifel nutzten, läßt aber auch hier einen Zusammenhang als möglich erscheinen. Abschließend kann man sagen, daß das fränkische Gräberfeld wichtige Hinweise für die Ortsgeschichte gibt, während die römischen Grabfunde möglicherweise Einzelfunde ohne Zusammenhang mit dem Ort Lissendorf sind.

 

Alle Moral muß aus der Fülle des Herzens

kommen

                                            Gotthold Ephraim Lessing

                                                                   792-1881