Vor 200 Jahren:

Die Volksschule im Umbruch

In den Jahrbüchern 1981 und 1982 wurde über die Entwicklung der Volksschule im Amte Daun von der »Zeit Karls des Großen und der Reformzeit« bis hin zur »Zeit der Kurfürsten« berichtet. In nachfolgendem Abriß des Schulwesens im Kreise Daun ausgangs des 18. Jahrhunderts mit bedeutsamen Entwicklungen in der Schüler- und Lehrerausbildung wird diese Artikelserie fortgesetzt und zu Ende geführt.

Alois Mayer

 

Kreis Daun III. Teil und Schluß

Schüler werden ohnmächtig

Vor 200 Jahren waren die schulischen Verhältnisse im Kreise Daun überaus mangelhaft. Geradezu aber katastrophal stand es mit den Baulichkeiten. War in einem Ort eine Schule vorhanden, so war sie in den seltensten Fällen in einem selbständigen Schulgebäude untergebracht. Meist diente als Schulsaal irgendeine dunkle Stube, ein Speicher, ein Abstellraum, die für wenige Pfennige oder etwas Korn gemietet wurden. Lange Wirtshaustische wurden aufgestellt, an denen die Kinder saßen. Vielerorts kannte man diesen Luxus nicht, und so kauerten die Kinder halt auf dem kalten, lehmigen Fußboden. Viele damalige Lehrer waren »Handwerkerlehrer«, die den Sommer über ihrem Beruf nach gingen und den Winter über als Lehrer gedungen wurden. Diese stellten dann als Schulsaal auch mitunter ihre Werkstatt zur Verfügung.

1. 7. 1777:

Pfalzgraf Karl Theodor erteilt eine Erlaubnis zur Errichtung einer Fabrik.

Ein Lehrer aus Meisburg schrieb Ende des letzten Jahrhunderts: »So wurde mir erzählt, daß einst ein solcher Lehrer, der ein Schreiner war, sein Handwerk während der Schulzeit betrieb. Ein anderer hatte Fertigkeiten im Schnitzeln, welche Kunst er ebenfalls im Schullokale betrieb, wieder ein anderer flocht Körbe. War der Lehrer verheiratet, so saß dessen Frau während der Schulzeit mit dem Spinnrad oder einer anderen Arbeit im Schulzimmer.«

In manchen Orten unseres Kreises — so z. B. in Immerath — lag das Schulzimmer über dem Gemeindebackhaus. Dort war es wohl warm, aber der aufsteigende Dunst, Rauch und Qualm behinderte Lehrer und Schüler so stark, daß des öfteren in Visitationsprotokollen verzeichnet werden mußte, daß die Schüler ohnmächtig wurden.

»Die Schulstube (in Deutesfeld) ist zwar neu gebaut, es ist aber keine Wohnung für den Schulmeister, sondern allein der Gemeindebackofen darein.«

In Weidenbach ist die Schulstube zwar groß genug, aber keine Wohnung für den Schullehrer vorhanden. »Diesen Winter unterfangete sich die Gemeinde die Schulstube zu verlassen, Ofen und Fenster herauszunehmen und die Schule in des primissarii (Frühmesser) seiner Behausung zu halten.«

In anderen Orten mußten die Eltern per Erlaß des Pastors oder des Kurfürsten selbst ihr Brennholz mitbringen, pro Kind oft eine Fuhre im Jahr oder zwei bis drei Scheite täglich.

Auch mußten vielerorts die Schüler zu Maria Lichtmeß dem Schulmeister ein oder zwei Kerzen mitbringen. Diese Talglichter funzelten dann, bis es einigermaßen hell im Raum wurde, »und ob ungeuarlich an sollichen lüchtern etwas uberplibt, das mag der Schulmeister nemen«.

So wie es vor 200 Jahren Wanderlehrer gab, so gab es in unserem Raum aber auch Wanderschulen, d. h. der Unterricht fand jeweils in dem Hause statt, in dem der Lehrer seinen Mittagstisch, seine Kost, erhielt.

Ebenso kam es vor, daß aufgrund der weit auseinander liegenden Ortschaften die Schule abwechselnd in verschiedenen Orten gehalten wurde.

So fand in dem einen Jahr z. B. die Schule in Sarmersbach statt und alle Kinder aus Nerdlen, Sarmersbach, Neichen, Kradenbach und Beinhausen gingen nach Sarmersbach, während im nächsten Winter die Winterschule in Nerdlen stattfand und im dritten Jahre in Beinhausen.

Damalige Schulbauten waren sehr primitiv, das verwendete Material und die Bauausführung oft sehr schlecht. Vielfach zeigten sich schnell Löcher und Risse in dem Lehmfachwerk, es regnete hinein, winzige dunkle Fenster konnten den Raum nicht erhellen, Keller und Wirtschaftsgebäude fehlten in den meisten Fällen.

Häufig fehlte auch der Abort. Schulkinder liefen in die Natur, hinter Hecken, Bäume, auf die Wege und in Nachbars Stall, um die Notdurft zu verrichten. Und Papier war teuer. Da nützte selbst der Wunsch des weltbekannten Pädagogen Felbigers nichts, »daß die Kinder dieshalbs sich entwöhnen und das Nöthige zu Hause verrichten sollen«.

Boverath baute 1785 eine einstöckige Schule, 24 Fuß (8 Meter) lang, 16 Fuß (5,3 Meter) breit und 81/2 Fuß (2,80 Meter) hoch. Die Baukosten waren auf 17 Taler geplant.

In solchen kleinen, dunklen Räumen saßen, standen, versteckten sich 20, 40 und mehr Kinder, sahen auf eine primitive Wandtafel, falls eine vorhanden, starrten mit geröteten Augen, weil die wenigen Öl- und Talglampen und -kerzen, die im Raum funzelten und qualmten, kaum genügend Licht spendeten, auf zerfledderte und bekleckste Bücher und rezitierten Verse aus der Bibel oder dem Katechismus.

Lehrer Heltemes in Demmerath schrieb 1888 — er hatte das erste Schulhaus, das 1722 als Frühmesserwohnung gebaut worden war, noch in ursprünglichem Zustande gesehen —:

»Das Schulhaus bestand ganz aus Holz und Lehmfachwerk . . . Der Schornstein war am geräumigsten. Er nahm fast mehr Raum ein als die Wohnstube. Im Erdgeschoß befanden sich der Schulsaal, eine Wohnstube nebst Küche. Durch letztere gelangte man von der Haustüre in den Schulsaal. Da geschah es dann nicht selten, daß vorwitzige Schuljungen untersuchten, was die Köchin des Lehrers im Topfe habe. Der Schulsaal, ein zwei Meter hohes, 3,1 Meter langes und 2,1 Meter breites Zimmer, befand sich hinter Küche und Wohnstube. Derselbe erhielt sein Licht durch vier winzige Fensterchen. Selbst an den klarsten Sommertagen war es in demselben nicht hell. Durch eine hinter dem Schulsaal befindliche Mauer wurde die Dunkelheit bedeutend vermehrt. Der Schulofen rauchte fast beständig. Die Kinder saßen dicht zusammengedrängt in dem engen, niederen rauchigen Räume. Zwischen Bänken und Ofen blieb kaum soviel Raum, als zum Durchkommen nötig war. Über Kälte hatte man allerdings in dieser Bude nicht zu klagen, aber desto mehr über Hitze und unangenehmen Geruch. In diesem Räume mußten oft 50, 60, ja oft bis zu 90 Kinder untergebracht werden . . .

Wie es unter diesen Umständen um die Gesundheit für Lehrer und Schüler bestellt war, ist leicht begreiflich. Die Wohnstube des Lehrers, 2,2 Meter lang und 1,9 Meter breit, erhielt ihr Licht durch ein Fenster von Norden. Über zu große Helle oder zu grelles Licht in derselben soll nie Klage geführt worden sein; ebenso wenig über zuviel Raum. Neben und hinter dem Hause befand sich nicht einmal soviel Raum, um Aborte anzubringen, weshalb dieselben auch vollständig fehlten ... So mußten die Schulkinder eine ganze Zeit lang nach Hause gehen, um dort ihr »Geschäft« zu verrichten. Wie viele Unterrichtsstunden dabei versäumt wurden, läßt sich nur schätzen . . .«

In vielen Visitationsprotokollen ist zu lesen, daß diese Zustände unwürdig waren, daß viele Pfarrer es auch ablehnten, Revisionen zu halten, da es in diesen engen Räumen vor Gestank nicht auszuhalten war.

»Hr. Pfarrer würde die Schule öfters besucht haben, wenn nicht der Schulmeister mit seinen vier Kindern in der Schulstube schlief und deswegen der Gestank unerträglich wäre.«

Das Schulwesen im Kreis Daun ausgangs des 18. Jahrhunderts

1768 erhielt das Trierer Kurfürstentum einen neuen Herrscher. Mit 29 Jahren bestieg Clemens Wenzeslaus, Prinz von Polen und Herzog zu Sachsen, den kurfürstlichen Thron. Mit diesem jungen Mann, der ganz im Geiste der Aufklärung lebte, sich an den bedeutendsten Fürstenhöfen Europas auskannte — er war Vetter der Kaiserin Maria Theresia —, der alte, rückständige Herrschaftsformen ablehnte, kam nun auch frischer Wind in das Trierer Erzbistum, dem er auch gleichzeitig als Erzbischof vorstand. Im Rahmen vieler bedeutender Reformen sollte sich auch im Schulwesen des Trierer Landes einiges ändern. Wenn sich die schulischen Verbesserungen im Kreise Daun auch nicht allzu gravierend auswirkten, so hat ersieh dennoch den Beinamen »Vater der Trierer Volksschule« zu Recht verdient.

Der Kopper Lehrer war nicht fähig

Die Bemühungen des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Clemens Wenzeslaus um schulische Reformen konnten jedoch nur dann zum Erfolg führen, wenn auch behördlicherseits für eine Kontrolle gesorgt und eine Bestandsaufnahme über das vorhandene Schulwesen erstellt wurde.

Deshalb setzte der Kurfürst im April 1779 eine Schulvisitationskommission ein, die den wirklichen Zustand des Schulwesens im Kurfürstentum feststellen sollte. Im Trierer Oberstift, zu dem auch weite Teile des heutigen Kreises Daun gehörten, war der Pfarrer aus Konz mit Namen Canaris zuständig. Er entwickelte einen Fragebogen, in dem er genau die Ergebnisse seiner Überprüfung festhielt. Das Ergebnis seiner ersten Visitationsreise im Jahre 1779 war für Canaris, der für Neuerungen im schulischen Bereich sehr aufgeschlossen war, recht enttäuschend. Trotz der vielfältigen Erlasse des Kurfürsten befanden sich die Schulen ausnahmslos in einem schlechten Zustand, die Lehrer waren nicht ausgebildet und lebten in sozial schlechten Verhältnissen, noch immer stand die Landbevölkerung dem Schulzwang feindlich gegenüber und schickte ihre Kinder eher zum Viehhüten als zur Schule; obwohl mittlerweile alle Pfarrer und Lehrer auf Kosten des Kurfürsten die Schrift »Anleitung für Schullehrer zu einer leichteren Lehrart . . .« erhalten hatten, hielten sich nur wenige an diese Anweisungen.

Folgen wir nun einmal dem Pfarrer Canaris auf eine Inspektionsreise in unseren Kreis. Als erstes stellte der Pfarrer Canaris einen genauen Terminplan auf, den er den zuständigen Pfarrherren mitteilen ließ:

1779:

2. Juli:   in der flöringer Filiale Gondelsheim morgens 7.00 Uhr, welches Herrn Pastoren zu  flöringen zu bedeuten. (Damit sollte             ausgesagt werden, daß diese Visitation in Duppach und in Fleringen durch Vertreter des trierischen Kurfürsten nicht             geduldet war, da diese Orte in der Regentschaft der Manderscheider Grafen waren).

2. Juli:   in Büdesheim nachmittags 2.00 Uhr

3. Juli:   in der mürlenbacher Filiale Kopp morgens 7.00 Uhr

3. Juli:   in Mürlenbach nachmittags 3.00 Uhr

4. Juli:   in Stadtfeld »nach dem hohen Dienst, welcher um 10.00 Uhr soll geendiget seyn«.

5. Juli:   in Manderscheid morgens 9.00 Uhr

6. Juli:   in Deudesfeld morgens 6.00 Uhr 6. Juli: in der Filiale Weidenbach morgens 9.00 Uhr

6. Juli:   in Meisburg nachmittags 2.00 Uhr

7. Juli:   in Kyllburg morgens 8.00 Uhr usw.

Der Pfarrer erhielt nun den Auftrag, die Lehrer, die Synodalen (heute: = Vertreter des Kirchenvorstandes), die Ortsvorsteher mit einigen Gemeindemitgliedern zu dem festgesetzten Termin einzuladen. Sie hatten draußen vor dem Pfarrhaus zu warten und erst wenn ein Glockenzeichen ertönte, durften sie vor den Kommissar (hier: Canaris) treten. Währenddessen hatten alle schulpflichtigen Kinder beiderlei Geschlechts in der Schulstube zu warten mit ihren Büchern, dem Katechismus, mit Tinte, Feder und Papier.

Das Glockenzeichen ertönte. Die Herbeizitierten betraten das Zimmer, standen vor Canaris und hörten ihm zu, wie dieser ein Schreiben des Kurfürsten vorlas, aus dem hervorging, daß er als Gesandter des Kurfürsten beauftragt sei, »nach dem Rechten zu sehen, alle schulischen Gegebenheiten zu inspizieren und sich von dem Leistungsstand der schulbaren Jugend durch Beiwohnen am Unterricht und persönliches Überprüfen der Schüler zu überzeugen«.

 Schweigend nahmen die Versammelten dies zur Kenntnis und dann begab man sich zum Schulhaus, das zuerst besichtigt wurde. An Ort und Stelle wurde mit Pfarrer und Gemeinderat über Reparaturen, Neu- oder Umbau verhandelt und Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert. Anschließend betrat man den Schulsaal, und der Lehrer mußte nun Lehrproben nach seiner Art und christliche Lehre halten. Im Anschluß daran überprüfte Canaris persönlich das Wissen und Können der Schüler.

Später fand im Pfarrhaus die »Interrogatoria« statt, festformulierte Fragen, die verhandelt und protokolliert wurden. Sie lauteten:

I. Ob das schul-zimmer in brauchbarem zweckmäßigen stände, und ob im widrigen Fall Mittel vorhanden, dasselbe diesen sommer besser einzurichten?

II. Wie viele schulbare Kinder, Buben und Mädchen, vorhanden sind, wie viele unter diesen leserlich schreiben und rechnen können, und hierinnen sind erfahren befunden worden?

III. Ob die Felbigerische Lehr Art, und Catechismus gemäß des desfallsigen Chur-fürstlichen höchsten Befehls eingeführt ist, und welche Entschuldigung der Pfarrer im widrigen Fall beibringen will?

IV. Wie die Befähigung der Jugend in Catechesi und der biblischen Geschichte sich geäußert habe?

V. Ob der schul Lehrer sattsame Subsistenz habe, und wie im widrigen fall zu helfen seye, ob gegen denselben Keine billige rechtmäßige Klage obwalte?

VI. Ob der Pfarrer, oder Capellan mehrmal wöchentlich in der schule sich theils zum nachsehen, theils zur Aufmunterung der Jugend sehen laße?

Abschließend verfaßte Canaris einen umfangreichen Bericht, in dem er im allgemeinen Teil das Spiegelbild der damaligen Schulwirklichkeit aufzeigte, in 28 ausführlichen Punkten dem Kurfürsten Vorschläge unterbreitete und im speziellen Teil die Situation der visitierten Schule aufzeigte.

Am 4. Juli 1779 (einen Tag später als im Terminplan angekündigt) besuchte Canaris Mürlenbach. Teilgenommen haben ferner der Pastor Georg Thomas, der Schultheiß Peter Willems, die Synodalen Simon Mertes und Matthias Rommach sowie die Deputierten Martin Ghien und Johann Mertz. Die Besichtigung des Schulsaales, der neu gebaut worden war, ergab, daß keine Schulbänke und keine Lehrerwohnung vorhanden waren. Würde man aber noch einen Stock auf den Schulsaal bauen, ließe sich dieser Übelstand abschaffen. Schulpflichtig waren 47 Schüler, 21 Jungen und 26 Mädchen; davon konnten 9 Buben und 10 Mädchen schreiben, aber kein Kind konnte rechnen. Die Felbigerische Lehrart hatte der Pfarrer nicht eingeführt, wohl dessen Katechismus. Der Pfarrer Thomas brachte als Entschuldigung vor, daß die Pfarrkinder halt ungehorsam seien. So schreibt Canaris auch u. a.: ». . . indeme der von Vorurteilen getäuschte Landmann ohnerachtet ihme der Landesherrlichgnädigste befehle, daß die felbigersche Lehrart und Catechismus in sämtlichen Churlanden gleichförmig eingeführt werden solle, mehrmalen von den Canzlen kund gemacht worden, niemahlen dahin zu bringen gewesen, daß er seinen Kindern die zum Gebrauche der Churtrierischen Landen besonders aufgelegte Schulbüchern ankaufete, oder doch dieser heylsamsten höchsten Verordnung sich vollkommen unterwerfete. ... da aber deßwegen der Seelsorger sowohl als Schullehrer die schändlichste und schmählichste Vorwürfe hören mußte, und sogar auf ofentlichen Straßen von der ungezäumten Ausgelassenheit des Pöbels angefochten wurden, sahen sie sich gezwungen, ihren dienstfertigen Eyfer wider ihren Willen sinken zu laßen, der nachgehends durch die geschehene Schul Visitation wieder auf ein neues belebt worden . . .«

Im Katechismus war die Mürlenbacher Jugend gut unterrichtet, dahingegen hatten sie von der biblischen Geschichte keine Ahnung. Der Schulmeister bekam in Mürlenbach als Lohn von jedem der 45 Häuser 3 Vierlinge Korn, zusammen also ungefähr 3 Malter. Der Lehrer war rechtschaffen, über sein Privatleben gab es keine Klagen. So forderte Canaris neue Schulbänke, ein Stockwerk über dem Schulsaal als Lehrerwohnung, vier Malter Korn statt drei (der Küster bekam ebenfalls vier Malter und der Lehrer sollte nicht schlechter gestellt sein), von jeder Ehe eine Hotte Kartoffeln. Außerdem sollte die Wiese hinter dem Schulhaus dem Lehrer zur Nutzung gegeben werden, und jedes Schulkind sollte monatlich 6 Albus Schulgeld zahlen. Dieses Schulgeld sollte der Bürgermeister aber einsammeln, da es für den Lehrer sonst eine zu bettlerische und erniedrigende Art gewesen wäre.

Der ausführliche Bericht wurde dem Kurfürsten zugestellt und alsbald ließ dieser auch durch sein Generalvikariat anordnen, »daß der Pfarrer und die Schulmeister von Mürlenbach, Birresborn und Lissingen unter schwerer willkürlicher Strafe die neue lehrart ohne ferneren sträflichen saumsal einzuführen, zu dem ende keine andere als die dazu gehörige bücher in die schule anzunehmen, und die Kinder sowohl im rechnen und denen biblische Geschichten, als sonsten nach der anleitung zu unterrichten.« (1780 wurde der Bau der Lehrerwohnung verfügt; 1784 war das Haus allerdings »noch nicht von allen Meistern liferhaft«.)

In Lissingen war Canaris am 3. 7. 1779. Zugegen waren der Kaplan von Mürlenbach Johann Peter Weber, die Synodalen Nikolaus Wam-bach, Nikolaus Endres Anton Kleisch, Adam Bell, Bürgermeister Werres, der Deputierte Nikolaus Himmes und der Lehrer Matthias Schmilz. Die Schulstube war gut; eine Lehrerwohnung war nicht vorhanden. 37 Kinder besuchten die Schule, aber nur zwei Jungen konnten schreiben; niemand rechnen; (von Hinterhausen waren fünf Kinder in der Lissinger Schule, von denen aber keines lesen, rechnen und schreiben konnte.) Die Felbiger Methode war unbekannt; Bücher waren keine vorhanden.

In Birresborn war zwar ein neues Schulhaus vorhanden, dafür fehlte es aber an Tischen und Bänken. 62 Schüler saßen in dem Raum mit dem viel zu kleinen Ofen, der nur qualmte und die Klasse nicht richtig erwärmte. Von dieser Schülerzahl konnten nur acht Jungen und ein Mädchen schreiben, aber niemand war in der Lage zu rechnen oder biblische Geschichte wiederzugeben.

In Niederstadtfeld waren 30 schulbare Kinder, von denen nur vier Jungen schreiben konnten; niemand konnte rechnen oder biblische Geschichte.

Auch über die Lehrer wurden Aussagen protokolliert, von denen hier einige wiedergegeben werden:

Der Lehrer in Birresborn hieß im Jahre 1791 Georg Berg, war 23 Jahre alt, unverheiratet und unterrichtete 48 Schüler. Als Entgelt erhielt er 18 Rtlr jährlich. Seine Kenntnisse in Katechismus waren gut; in Schönschreiben und Rechtschreiben: ziemlich; und im Rechnen war er mittelmäßig; die neue Methode (Felbiger) wandte er an, wurde aber von der Kommission angehalten, nochmals einen Fortbildungskurs in Koblenz zu besuchen, den er am 16. Mai anzutreten hatte. Johann Peter Sambst, 47 Jahre alt, war Lehrer und Frühmesser in Kopp, wo er 22 Schulkinder unterrichtete. Als Lehrer verdiente er nichts. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Frühmesser. Obwohl er Geistlicher war, mußte er sich dennoch attestieren lassen, daß seine Leistungen in Katechismus mittelmäßig und in Schönschreiben, Rechtschreiben und im Rechnen sogar schlecht waren. Ferner liest man über ihn die Bemerkung: »Hielt schon seit zwei Jahren, wie er mir sagte, durch einen Buben von Wallenborn die Schule auf und will sie bald abgeben. Zu diesem wäre er von Commissionswegen anzuhalten, weil er nicht fähig ist.«

Die Normalschule, Vorläufer der Pädagogischen Hochschule

Aufgrund dieser Berichte fühlte sich der Kurfürst als erstes genötigt, durch materielle Unterstützungen die Schule und das Ansehen der Lehrer zu heben. Er ordnete Neubauten von Schulgebäuden und Lehrerwohnungen an und erarbeitete auch eine Norm für das Lehrergehalt, das sich nun aus Stiftungen, Gemeindegütern, Erhöhung des Schulgeldes und sogar aus der pflichtmäßigen Vereinigung des Schuldienstes mit dem Küsteramt ergeben sollte. Geplant war — aber zumindest im Kreis Daun nie erreicht— daß jeder Lehrer auf dem Lande 100 Rtlr, eine freie bequeme Wohnung, einen Bürgeranteil an allen Gemeindenutzbarkeiten, etwas Feld, Wiesen oder wenigstens einen Garten, ein Los Holz und 4 Malter Korn erhalten sollte.

Insbesondere durch diesen Bürgeranteil wurde die soziale Stellung eines Lehrers angehoben, denn nun war er nicht mehr nur »versklavter« Untertan, sondern er hatte ähnliche Bürgerrechte wie die Städter, die Freien, der Pfarrer, nämlich Anteile am Gemeindeland, -weide und wald; im Amte Daun bedeutete das hauptsächlich kostenlose Teilnahme an der Weide und am Brandholz. Darüber hinaus entfielen für den Lehrer auch viele Personallasten; so wurde er von der Feld- und Waldhut befreit, er mußte keine Tag- oder Nachtwachen halten, brauchte keine Botengänge mehr zu tun oder das Gemeindevieh zu hüten.

Flugblattzeichnung von Albrecht Dürer (Berlin, Kupferstichkabinett).

Dort, wo die finanziellen Hilfsmittel nicht ausreichten, sollten Schulfonds gegründet werden, die dann Zuschüsse zum Lehrergehalt sowie für Lehr- und Lernmittel und für den Unterhalt der Schule leisten konnten. Die Mittel für Schulfonds sollten sowohl von den Landesherren als auch von den Klöstern und Abteien im Trierer Raum aufgebracht werden. (Die Klöster beschwerten sich zwar gegen diese Vorschrift und diesen Zwang bis hin zum Papst, der die Maßnahme des Erzbischofs nicht für gut hieß, aber dem Kurfürsten Clemens als weltliche Macht dennoch Recht gab).

Trotz allem betrug im Jahre 1789 das durchschnittliche Gehalt eines Lehrers im Amte Daun mit seinen 52 Schulen — auch bei und trotz der Idealforderungen von 100 Rtlr—nur 30 Rtlr und im Amte Hillesheim mit seinen 5 Schulen 67 Rtlr.

Aber nicht nur das Ansehen und das Gehalt eines Lehrers sollten angehoben werden, sondern in weitaus größerem Maße war es vonnöten, dessen Ausbildung zu verbessern. So wurde im Jahre 1784 in Koblenz das erste Lehrerseminar eröffnet, was damals »Normalschule« genannt wurde. Derjenige Kandidat, der nun Lehrer werden wollte, war verpflichtet, diese Schule zu besuchen, denn nur nach erfolgreichem Seminarbesuch war es dem Generalvikariat möglich, ihn auch anzustellen. In Koblenz wurden die Lehreranwärter in der Theorie ausgebildet und an den Koblenzer Stadtschulen hatten sie praktische Lehrvorführungen zu demonstrieren. Die Teilnahme am Studium war kostenlos, die Familie des Studierenden erhielt auch während dessen Studienzeit finanzielle Unterstützungen. Je nach Intelligenzgrad und Auffassungsgabe des Lehramtsanwärters dauerte das Studium ein halbes Jahr, ein Jahr oder länger. Lehrer, die schon im Schuldienst waren, mußten sich ebenfalls einer Prüfung unterziehen, die Unfähigen wurden dann aus dem Dienst entfernt, die mangelhaft Befähigten mußten nach Koblenz, um dort geschult, ausgebildet zu werden und unterrichten zu lernen.

Drei Lehrer— heute würde man sagen: Professoren oder Dozenten — bildeten die Studenten aus. Der erste war zuständig für Katechese mit Einschluß des deutschen Kirchengesanges. Er hielt sowohl morgens als auch nachmittags eine Stunde Unterricht (= Vorlesung) und seine Aufgabe bestand darin, »mit dem Katechismus die biblische Lehre zu verbinden und die Kandidaten dabei auf die Quelle selbst, die Bibel, zurückzuführen. Bei jedem schicklichen Anlaß solle er den Kandidaten das Religionswidrige und den Unsinn aller der verschiedenen Gattungen von Aberglauben vortragen, womit sich der gemeine Mann noch vielfach abzugeben pflegt.«

Der zweite Dozent war für Sprachlehre, Schreibekunst (Aufsätze, Briefe, Verträge, Schuldscheine . . .) und Landwirtschaft (Bodenkunde, Düngung, Wetterkunde, Anbauregeln, Viehzucht, Weinbau usw.) zuständig, während der dritte Lehrer jeden Tag eine Stunde lang Mathematik lehrte sowie das Kennenlernen und Umgehen mit Münzsorten, Gewichten und Maßen.

Wie lange noch wollt ihr in finsterer Dummheit wandern?

Zusätzlich zu diesen Reformen wurde auch eine neue Lehrmethode eingeführt, die sich nach ihrem Schöpfer, dem Pröpsten des Stiftes Sagan in Schlesien, Johann Ignaz Felbiger, die »Felbigersche Lehrart< nannte. Felbiger wandte sich gegen den Einzelunterricht und führte den Frontal-, den Klassenunterricht ein. Dies bedeutete einen großen Fortschritt, hatte doch nun der einzelne Schüler weitaus mehr direkten Unterricht als vorher, wo jedem einzelnen höchstens zwei bis drei Minuten Direktunterricht in einer Stunde gewidmet werden konnten.

Er führte ferner eine Dreiteilung der Klasse nach Altersstufen ein.

Tafel und Griffel kannte man noch nicht. Geschrieben wurde mit Feder und Tinte sofort auf Papier. Zu alledem waren die Bücher stets mit einer Anzahl erbaulicher Reime versehen, die sich leicht auswendig lernen ließen und den Kindern oft eine wertvolle Hilfe an die Hand gaben. Ein Beispiel:

Die Feder in die Hand,

wie dir der Lehrer zeigt;

die Unke aufs Papier,

den Kopf nicht sehr geneigt,

die Schenkel nicht geschränkt,

die Knie nicht angezogen,

den Leib und Rücken grad

sehr wenig krumm gebogen,

den Magen und die Brust

nicht an den Tisch gedrückt,

den Stuhl nicht allzu nah,

nicht allzu weit gerückt,

die Augen auf die Schrift,

und rechter Hand den Schatten,

dann geht die Schreiberei,

so wie sie soll, von statten.

Felbigers Methode wurde auch im Kreise Daun als verbindlich eingeführt, führte aber allerorts zu Schwierigkeiten, da das Denken und das freie Schaffen zu kurz kamen im Gegensatz zum Gedächtnistraining und dem sturen Auswendiglernen. Die Mühen und Anstrengungen mit dieser stupiden Methode standen oft im krassen Gegensatz zum Erfolg. Viele Lehrer lehnten daher diese Methode ab.

Auf den »Markt gebracht« wurden nun auch andere Schriften, die für den Unterricht gedacht waren: »Das neue ABC-Büchlein, oder vollständiges Namen-, Buchstaben- und Lehrbüchlein, in teutsch- und lateinischer Druck- und Schreibschrift« (Koblenz 1776), »Neue ABC-Täfelchen für die ganz Kleinen«

Für die Orte des Kreises Daun, die im Kurkölnischen lagen, wurde das »Titelbuch« als Lehrbuch eingeführt. Kunde davon gibt der Bericht eines Meisburger Schullehrers, geschrieben Ende des 19. Jahrhunderts:

»Der Titel heißt: »Titelbuch, worin die neuesten Ingressen, Clausulen in Bittschriften, Glückwünschen etc., wie auf rechtmäßigen Titulaturen auf hohe und niedere Staatspersonenbriefe und andere Schreibformularen nach heutigem Brauch begriffen. Der jung und alt zu einer Vorschrift lesen und schreiben zu lehren noch nöthig und zu gebrauchen nützlich. Im Jahre 1777. Mit Ihro Römischer Kaiserl. Majestät Erlaubnis. Bei Joh. Wilh. Steinbüchel, Cöln.<

Es enthält das große und kleine Alphabet, dann der Reihe nach jeden einzelnen Buchstaben des Alphabetes in Verbindung mit dem kleinen >m< so: Am, am, bm, cm usw., das für sämtliche Übungen. Dann folgt: >Kurze Anleitung zum Briefeschreibens in welcher alle erforderlichen Regeln für Form und Inhalt eines Briefes gegeben sind. Es folgen nun Titulatur und Bittschriften usw., an in dieser Zeit vornehmsten Postamenten wie Königen, Fürsten, Grafen und Herren auf niederem Stand, wie zum Beispiel einem geistlichen Churfürsten der ein geborener Fürst, einem Erzbischofen aus fürstlichem Stamme, einem Reichsgrafen so ein Dom-Herr, einem Pfarr-Herren oder Canonicum so Doktor der hl. Schrift oder Dechant ist, an einen König, an einen Churfürsten usw.

Die Druckschrift lernte das Kind nach der Buchstabenmethode in einem beliebigen Gebetbuche. Jedes Kind wurde einzeln vorgenommen, klassenweise wurde nicht unterrichtet. Die befähigten Knaben lernten noch lateinische Druckschrift und die Vesperpsalmen aus dem Vesperbuche. Handschriften wurden von zu Hause mitgebracht und Leseübungen daran vorgenommen. Nur die Knaben lernten schreiben, rechnen und lesen, die Mädchen nur deren wenige. Einige Handschriften aus dieser Zeit sind sehr schön. Manches Kind schrieb gut, konnte aber nicht lesen. So konnte der J. B. von hier, den ich persönlich kannte, jede Schrift nachschreiben — nachzeichnen — und ganz hübsch, aber lesen konnte er es nicht.«

Daraus ist erneut deutlich zu erkennen, daß die meisten Schulen im Kreise Daun — obwohl auch bereits andere Realfächer gefordert wurden, wie: physikalische Wahrheiten, Landwirtschaft, Erdbeschreibung, Geschichte, Maß-, Bau- und Bewegekunst — doch nicht über Katechismus, Lesen und Schreiben hinaus gekommen sind.

Die dreistufige Klassengliederung und das Zusammenunterrichten erforderten genaues Planen des Unterrichtsverlaufes und eine durchdachte Stundeneinteilung. Es wurden Stundenpläne erstellt, die demnach an den meisten Schulen im Kreise Daun etwa so ausgesehen haben werden:

Zeit

1. Klasse (Unterstufe)

2. Klasse (Mittelstufe)

3. Klasse (Oberstufe)

8- 9

Gebet, Katechism

Bibl. Geschichte

Stillarbeit

9-10

Erlernen der Buchstaben

Buchstabieren

Schreiben

10-11

Stillarbeit: Zusammensetzen d. Buchstaben

Stillarbeit: Schreiben

Rechnen

13-14

Eine halbe Stunde Kirchengesang mit allen Schülern Stillarbeit: Stillarbeit: Lesen

 

 

Zusammensetzen Schreiben d. Buchstaben

14-15

Katechismus u. biblische Geschichte mit allen Schülern

15-16

Stillarbeit:                        Stillarbeit:                   Rechtschreiben

Wiederholung                  Wiederholung              Aufsetzen von

                                                                       Schriftstücken

Doch nicht nur der Kurfürst und Erzbischof Clemens Wenzeslaus allein, sondern auch die übrigen Landesherren der im heutigen Kreis Daun gelegenen Ortschaften unternahmen nun ähnliche Bemühungen, um Verbesserungen des Bildungsnotstandes zu erreichen.

Der letzte arembergische Landesherr, der Herzog Ludwig Engelbert (1778 -1794) erließ mannigfache Erlasse zur Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen des niederen Schulwesens. Zu seinem durchführenden Organ bestimmte er seinen Statthalter von Bornschlegel. Dieser führte im Jahre 1783 für die im arembergischen Herrenschaftsgebiet liegenden Ortschaften (Ahütte, Betteldorf, Brück, Dockweiler, Dreis, Flesten, Heyroth, Kerpen, Leudersdorf, Loogh, Niederehe, Nollenbach, Walsdorf, Zils-dorf, Üxheim, Pelm und Gees) die allgemeine Schulpflicht für Kinder vom 12. bis 16. Lebensjahr ein mit der Maßnahme, diese im Lesen, Schreiben und Rechnen, besonders im Christentum zu unterweisen und sie zu rechtschaffenen Bürgern auszubilden. Die örtliche Schulaufsicht wurde an die Pfarrer delegiert, die alle drei Monate einen schriftlichen Zustandsbericht vorlegen sollten.

Aus diesen Berichten geht — wie überall im Kreisgebiet — hervor, daß die Eltern nach wie vor der Schule gegenüber ablehnend eingestellt waren, (für Schulversäumnisse wurde 1784 eine Strafe von 1 Rtlr pro Monat (!) angedroht), daß die Lehrer schlecht ausgebildet (Bornschlegel versuchte in Aremberg eine Lehrerausbildungsstätte einzurichten, zu der es aber nie gekommen ist) und daß kaum Schulbücher vorhanden waren.

Als Beweis möge ein Erlaß des Statthalters Bornschlegel dienen, der sich im Familienarchiv Dünn B 7f, 265 findet und der Ausdruck seines echten Bemühens um das Wohlergehen seiner Untertanen ist:

»An den Schulteiss zu Dreyss.

Der Joh. Joseph Reiten wird hiermit als Schulmeister für die Winterschul zu Dreiss zu halten genehmigt. Seine Schrift ist gut, um damit jedoch die Kinder von Dreyss nicht diesen Winter so wie den vorigen verschleissen, so bitte ich ihn, mein lieber Schulteiss, ein geräumiges Zimmer für sie zu besorgen, und von denen zu Koblenz nach der Oestreichischen Art aufgelegten Bücheigen kommen zu lassen, damit die Kinder alle gleiche Bücher haben. Dadurch wird dem Schulmeister die Mühe ungemein erleichtert, und die Jugend wird in einem Jahre in der Lehre zum verwundern zunehmen, die Kinder werden lieber in die Schul gehen, eifer bekommen und dieser eifer wird mit der Zeit dem Land nützliche Bürger erzeugen. Dann um Gottes willen wie lang wollet ihr noch eure Kinder in der finsteren Dummheit fortwandern sehen? und warum soll der bewohner der rauhen Eifel nicht ebenso belehrt seyn als bewohner eines sanfflern Climas. Ich sorge für euch und eure Kinder als Vatter, bezeuget euch gehorsam und folget, so seyd ihr glücklich und ich mit euch.«

Auch die Manderscheider Reichsgräfin Augusta von Sternberg-Manderscheid (1780 -1794) erließ ähnliche Verordnungen für ihre Untertanen in Mirbach, Esch, Feusdorf, Glaadt, Gönnersdorf, Wiesbaum, Jünkerath, Gerolstein, Roth, Kalenborn, Müllenborn, Niederbettingen, Oberbettingen, Duppach, Lissendorf, Bewingen, Büscheich, Gerolstein, Michelbach, Salm, Auel, Basberg, Birgel und Stadtkyll.

In diesen Orten begann die Schulpflicht mit dem 5. Lebensjahr; der Unterricht sollte auch während des Sommers stattfinden; Schulgeld sollte monatlich durch Kanzleidiener eingesammelt und dem Lehrer übergeben werden; die Unterrichtsmethode basierte ebenfalls auf der Felbiger-Art; die Kinder sollten nach Alter und Fähigkeit in vier Klassen aufgeteilt werden; die Schulaufsicht lag in den Händen des Ortspfarrers. Auch in diesen Ortschaften ist das gleiche Leistungsniveau feststellbar wie bereits aufgezeigt; die Forderungen standen weit über der tatsächlichen Schulwirklichkeit.

Die gleiche Aussage kann auch von den Ortschaften unter luxemburgischer Herrschaft (Densborn, Hallschlag, Ormont, Scheid, Schüller, Steffeln) getätigt werden. Dort begann die allgemeine Schulpflicht mit dem 8. Lebensjahr und dauerte bis zum Empfang der Ersten Heiligen Kommunion, meist bis zum 12. Lebensjahr.

Zwei Seelen wohnen — ach — in meiner Brust...

Die Schulvisitationen von Canaris dauerten bis zum Jahre 1784. Der Kurfürst war mit den Erfolgen recht zufrieden und plante daher, mehrere Aufsichtsbeamte für gößere Bezirke — vergleichbar mit den späteren Kreisschulinspektoren — anzustellen, die möglicherweise Geistliche sein sollten.

Zu einer Durchführung jenes Planes kam es aber nicht mehr, da die von Clemens Wenzeslaus eingesetzte Schulkommission sich in der Zeit von 1774 bis 1793 dreimal neuorganisierte und sich dabei jedesmal mehr in Satzung und Gesinnung vom Generalvikariat entfernte und immer mehr zu einem Machtinstrument des Kurfürsten und nicht des Erzbischofs wurde.

Als sich am Horizont unserer Heimat die Fanale der Französischen Revolution gefahrvoll abzeichneten und der Kurfürst durch Intrigen und Schriften zur Überzeugung gebracht wurde, daß die gehobene Schulbildung schuld an dieser Revolution und den vielen Wirren und Unruhen innerhalb der Bürgerschaft sei, litten daher besonders stark die Schulreformen unter diesen Einflüssen.

So wurde schlagartig aus dem entschieden der Aufklärung nahestehenden Kurfürsten ein reaktionärer, in antiquierte Gesinnung zurückfallender Erzbischof, der alles erst kürzlich durch ihn

selbst geschaffene (staatliche Schulaufsicht, bessere Lehrerbesoldung, Schulfonds, Lehrerseminar) im Jahre 1793 verbot und auflöste. Ein Jahr später — 1794 — griff die Französische Revolution auch auf den Kreis Daun über; Franzosen besetzten unser Land, hoben alle bestehenden Gesetze und Einrichtungen auf. In diesem Zusammenhang erlitt das gerade aufkeimende Volksschulwesen einen ganz empfindlichen Rückschlag und mußte sich in den nächsten Jahren dem völlig andersartigen französischen Schulwesen beugen.

Zu vermuten ist, daß zu Beginn der französischen Besetzung im Kreis Daun höchstens etwa 5% der Bevölkerung lesen und noch viel weniger auch schreiben konnten.

Wissen besitzen ist gut, Gewissen besitzen

ist besser!

 

Literaturverzeichnis:

Lemmen, Albert: Das niedere Schulwesen im Erzstift Trier besonders während des 17. und 18. Jahrhunderts (wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Gymnasiums zu Prüm. Ostern 1894), Prüm 1894 Lorenzi, Phillip D.: Beiträge zur Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diözese Trier, 2 Bände, Trier 1887. Marx, Jakob: Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier, 3 Bände, Trier 1923 -1932. Pauly, Ferd: Aus der Geschichte des Bistums Trier, Bischöfe seit Ende des Mittelalters, Paulinus 1972. Schug, Peter: Geschichte der zum ehemaligen Kölnischen Eifeldekanat gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Daun, Gerolstein, Hillesheim und Kelberg, V. Band, herausgegeben von Math. Schuler, Trier 1956. Schüler, Heinrich: Die Normalschule zu Koblenz, die erste Lehrer bildungsanstalt des Mosellandes. In: Amtliches Schulblatt für den Regierungsbezirk Koblenz, Jahrgang 37. Schüller, Andreas: Pfarrvisitationen in der Erzdiözese Trier, Trierisches Archiv 1909, Heft 14. Schüller, Andreas: Die Volksbildung im Kurfürstentum Trier zur Zeit der Aufklärung, Trier 1914. Scotti, J. J.: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche dem vormaligen Kurfürstentum Trier über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind. (1310 - 1802), 3 Bände, Düsseldorf 1832. Wyttenbach, Johann Hugo: Beitrag zur Geschichte der Schulen im ehemaligen Kurfürstentum Trier. Trier 1841 . Zimmermann, W. : Die Anfänge und der Aufbau des Lehrerbildungs- und Volksschulwesens am Rhein. 3 Bände. Köln 1953 - 1963