Wölfe in den Wäldern der Eifel

1888 wurde der letzte Wolf bei Auel erlegt

Erwin Schöning

Die enorme Zunahme der Bevölkerung in Europa hatte eine tiefgreifende Veränderung der Flora und Fauna zur Folge. Riesige Waldbestände fielen der Axt zum Opfer, weil immer mehr Akker- und Weideland für die Ernährung erforderlich wurde. Viele Pflanzen und Tiere wurden hierdurch dezimiert oder ausgerottet. Seit der Mensch Haustiere hielt, stand er mit den Raubtieren auf Kriegsfuß. Unter den Raubtieren war es der Wolf, der unter den Wildbeständen und den Haustieren erheblichen Schaden anrichtete und deshalb erbarmungslos gejagt wurde.

Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war der Wolf in manchen Gegenden Europas noch stark vertreten. In Frankreich betrug die jährliche Abschußziffer im Jahre 1883 noch 10 000 Stück. Auch in der Eifel war das Wolfsvorkommen so stark, daß »die Landbevölkerung zur Teilnahme an Wolfsjagden mit Hunden, Äxten und Beilen und zur Errichtung von Fanggruben durch ihre Landesherren verpflichtet wurde1.«

Seit 1814 wurde in der Eifel die systematische Ausrottung der Wölfe durch verstärkten Abschuß, Fanggruben und Vergiftung betrieben. Der Staat zahlte für jedes erlegte Tier eine Prämie. Wie stark der Wolf in der Eifel vertreten war, läßt sich an den Abschußzahlen ermessen, über die Dr. Josef Schramm im Buch »Die Eifel — Land der Maare und Vulkane« berichtet. So wurden in den linksrheinischen Staatsforsten im Jahre 1814 188 Wölfe gestreckt. Im Regierungsbezirk Trier waren es im Jahre 1816 114 und ein Jahr darauf 159 Stück. In den Forsten des Regierungsbezirks Aachen wurden von 1817 bis 1822 214 Wölfe erlegt. In den Jahren von 1817 bis 1888 registrierte man in der Eifel die Erlegung von 1 672 Wölfen. Der letzte Wolf der Eifel wurde 1888 in der Nähe von Auel bei Gerolstein getreckt.

Zu unrecht hat man den Wolf in den Kindermärchen als Kinder- und Großmütterfresser dargestellt. Aufgrund seiner stetigen Verfolgung durch den Menschen ist er sehr scheu und geht seinem ärgsten Feind weit aus dem Wege. In Nordamerika, wo der Wolf heute auch bereits durch Ausrottung bedroht ist, haben sich um Einzelgänger, die ihren Verfolgern immer wieder durch List und Schläue entkamen, viele Legenden gebildet. Trotzdem gibt es in ganz Nordamerika nur einen bezeugten Fall, wo ein Wolf einen Menschen angriff. Man hielt dieses Tier allerdings für tollwütig. Auch Dr. Josef Schramm berichtet, daß auch in der Eifel vereinzelt Menschen Opfer der Wölfe wurden, u. a. bei Kerpen, Kreis Daun. Durch öffentliche Bekanntmachung regte man damals an, »daß jeder, der über Land reist oder zur Arbeit außerhalb bewohnter Orte geht, sich mit irgendeiner Waffe, Heugabel oder festem Knüppel, versehen soll2.«

Ein Grau wolf und ein dunkler Timberwolf.

Wir treffen den Wolf heute noch an in Nordamerika, in den nordischen Wäldern und in der sibirischen Tundra. In Nordamerika ernährt er sich hauptsächlich von den Karibus, die in riesigen Herden durch das Land ziehen. Er reißt schwache und kranke Tiere sowie Kälber, die der Herde nicht folgen können. Damit trägt der Wolf dazu bei, daß die Herden kräftig bleiben. Wölfe jagen in Rudeln. Dabei wenden sie eine besondere Jagdmethode an, indem sie eine Herde Karibus zum Laufen bringen, bis nach einer längeren Verfolgung das schwächste Tier zurückbleibt und von den Wölfen getötet wird. Sie scheuen sich aber auch nicht, ein kräftiges Tier wie den Elch anzugreifen.

In der freien Wildbahn beansprucht ein Rudel Wölfe von zehn bis fünfzehn Tieren ein Gebiet von etwa 15 000 Quadratkilometern. Die Grenzen des Reviers werden durch Geruchsmarken abgesteckt. Jedes Rudelmitglied hat seinen Platz in der sozialen Rangordnung. Die Rangniederen zeigen gegenüber den Ranghöheren Unterwerfungsgebärden, z. B. kriecht das unterlegene Tier gedrückt auf den Hinterbeinen und klemmt die Rute ein, dabei führt es leckende Bewegungen mit der Zunge aus. Der ranghöchste Wolf trägt seine Rute hoch. Der gesenkte Kopf, entblößte Zähne und gesträubtes Fell ist für die anderen Rudelmitglieder das Zeichen, sich zu unterwerfen oder sich zu entfernen.

Im Wolfsgehege an der Kasselburg bei Pelm, ein ideales felsiges Waldgelände, befinden sich heute wieder zwei Rudel Wölfe, die man bei der täglichen Fütterung beobachten kann. Das eine Rudel ist sieben Tiere stark, das andere besteht aus vier Tieren. Es sind acht heimische Grauwölfe und drei dunkle Timberwölfe, deren Heimat Kanada und Alaska ist. Jedes Rudel hat sein eigenes Revier und wird von einer starken Leitwölfin geführt. Diese Wölfin ist auch die einzige im Rudel, die mit dem stärksten Rüden für Nachwuchs sorgt. Alle anderen weiblichen Tiere werden während der Ranzzeit von der Leitwölfin derart unterdrückt, daß sich bei ihnen kein Nachwuchs einstellen kann.

Wenn die Besucher bei der Fütterung von der sicheren Tribüne aus die scheue Annäherung der Wölfe beobachten, dann wird sicher nur wenigen bewußt, daß dieses Tier noch vor hundertfünfzig Jahren als größtes Raubtier in unseren Wäldern heimisch war.

Quellenangabe:

Dr. Josef Schramm: »Die Eifel — Land der Maare und Vulkane«, Burghard-Verlag, Essen. 3.überarbeitete Auflage 1974 Life — Wunder der Natur, Säugetiere. Time — Life International (Nederland) B. V.

1 und 2 Dr. Josef Schramm: »Jagd und Wild einst und jetzt« in »Die Eifel — Land der Maare und Vulkane«, S. 200

Der Wolf ähnelt dem deutschen Schäferhund, besitzt aber einen dickeren Kopf und stets aufrechtstehende Ohren.

Grauwölfe und Timberwölfe am Futterplatz im Wolfsgehege an der Kasselburg.