Zeugen der Mühlenromantik

Mühlen an Salm und Kleiner Kyll (Teil II)

Friedbert Wißkirchen, Daun

Über 50 Jahre ruht die Oberstadtfelder Mühle

An der »Kleinen Kyll«, die unweit des Ortes Neroth entspringt, finden wir noch Zeugen ferner Mühlenromantik. Blickt man vom Oberstadtfelder Kirchberg in südöstlicher Richtung ins Tal, fällt der Blick auf ein großes, zerfallenes Gebäude, die ehemalige Mühle Oberstadtfeld. In einer Urkunde aus dem Jahre 1503 bestätigt Heinrich, Herr zu Pyrmont, daß er die Dörfer Stadtfeld und Weidenbach zu Lehen erhalten habe. Die Herren von Pyrmont waren es wohl auch, die die Oberstadtfelder Mühle erbauen ließen.

In den Rechnungen der Kellerei Manderscheid von 1396 -1793 (beim Landeshauptarchiv Koblenz) wird erstmals 1594 die Oberstadtfelder Mühle erwähnt: »Der Mulherr zu Oberstattfeldt, liebert von der Mühlen daselbst ... (3) gl.«. 1648, also kurz nach Beendigung des 5Ojähri-gen Krieges, findet sich ein Eintrag, wonach die Mühle zu Oberstadtfeld ein Schwein oder 2 Va fl. (Florentiner Gulden) zu liefern hatte. Im gleichen Jahre ist vermerkt, daß die Mühlenpacht später geliefert werden könne. Dies wird damit begründet, daß die Mühle erst vor 3 Jahren aufgebaut worden und nach Ablauf von 6 Jahren die volle Pacht von 2 Maß jährlich zu erbringen sei. Nicht nur dies ist ein Hinweis dafür, daß Oberstadtfeld und die Mühle im 30jährigen Kriege arg in Mitleidenschaft gezogen worden sein müssen. Auch ein Schreiben des damaligen Schultheißen an den Kurfürsten gibt Zeugnis über die Armut der damaligen Zeit. Der Schultheiß bittet in seinem Schreiben, auf die Abgabe zu verzichten oder aber die Frist zu verschieben, weil die Bewohner keine Steuern und Abgaben aufbringen könnten. 1680 wird bei der Abgabe für die Oberstadtfelder Mühle, die damals 1 Malter und 10 Scheffel Korn betrug, erwähnt, daß für die Abgabe das Pyrmonter Maß zugrunde zu legen sei. Ein deutlicher Hinweis dafür, daß die Mühle früher im Besitz der Grafen von Pyrmont war und als Lehen an den Kurfürsten kam.

Ab 1691 sind die Kellereirechnungen in Französisch abgefaßt. Auch hier ist vermerkt, daß die Abgabe in Pyrmonter Maß erfolgte. Die Jahrespacht betrug 1 Malter und 10 Sester. Die gleichen Abgaben finden sich auch in den Jahresrechnungen 1692,1694 und 1699 wieder. In einer Urkunde von 1728 wird erstmals der Name des Müllers erwähnt. Niclas Hain von Oberstadtfeld bittet in einem Schreiben an die kurfürstliche Regierung in Koblenz, ihm erneut die erbliche Belehnung der Mahlmühle auszusprechen. Er führt dazu aus, daß sein Vater Christophel Hain aufgrund seines hohen Alters nicht mehr in der Lage sei, die Mühle selbst zu betreiben. Außerdem weist er darauf hin, daß diese erbliche Belehnung bereits seinem Vater und seinen »Voreltern« seit vielen Jahren gegen jährliche Entrichtung eines »Königstalers an Geldt und zwey Pyrmonter Mltr. Korns« zugebilligt gewesen, die Urkunde über die Belehnung jedoch in den häufigen Kriegswirren verloren gegangen sei. Abschließend bittet er darum, die Mühle renovieren und zu gleichen Bedingungen übernehmen zu dürfen.

1730 bestätigt der Schultheiß von Oberstadtfeld, daß der Müller Niclaß Hein seine Pacht ordnungsgemäß abgeliefert habe. In einem Schreiben des Hochgerichts Oberstadtfeld vom 17. Oktober 1739 bestätigen die Gerichtsscheffen Josef Schmilz, Oberstadtfeld und Hauberth Hein, Oberstadtfeld und Lenardt Steffeß, »Borgermeister« (er war des Schreibens unerfahren und setzte deshalb seine Hausmarke »T« auf dieses Schreiben), daß die Mühle zu Oberstadtfeld im Jahre 1738 in stehendem und laufendem Geschirr wieder errichtet worden sei. Dies bedeutet, daß sowohl das Gebäude als auch das Mahlwerk erneuert worden waren. Der Bestand der Mühle scheint jedoch nicht von langer Dauer gewesen zu sein, denn bereits am 17. November 1752 schreibt die kurfürstliche Regierung an die Kellerei Manderscheid (Oberstadtfeld gehörte zum kurfürstlichen Amt Manderscheid), daß der Andreas Michels von Oberstadtfeld um eine erb- oder zeitliche Belehnung nachgesucht habe. Er habe sich erboten, die Mühle »nach gemachtem Riß (Bauzeichnung) neu und wohl aufbauen«. Ferner sei er bereit, ein Malter Korn mehr zu geben.

1754 bewirbt sich der Mehrener Peter Flesch um die Anpachtung. Sechs weitere Bewerber würden die zerfallene Mühle ebenfalls gerne pachten. Am 10. Oktober 1754 verfügt Kurfürst und Erzbischof Franz-Georg, daß die »verfallene Mahl-Mühle unter nachfolgenden Bedingnissen verpfachtet« und aufgebaut werde: Der neue Mühlenbau sollte über Giebel 25 Schuh breit und 32 bis 34 Schuh lang sein. Diese Maßeinheit war in einigen Gegenden des Kurfürstentums Trier verschieden. Erst 1786 wurde eine verbindliche Festlegung getroffen. Die Länge eines Schuhs betrug danach 46 cm. Geht man einmal von dieser Größe aus, dann sollte das Gebäude eine Giebelbreite von 11,50 m und eine Länge von ca. 15 m haben.

Das untere Stockwerk war in Mauerwerk herzustellen. Eine Hälfte des Gebäudes, mit den Mühleneinrichtungen, sollte bis zum Speicher offenbleiben, die andere Hälfte des Gebäudes im Untergeschoß als notwendige Stallung und im Obergeschoß als Wohnung hergerichtet werden. Die Wohnung hatte aus Küche, Stube und Kammer zu bestehen und es war »zur Stuben ein Taken Eisen (Takenplatte) und Ofen anzuschaffen«. Der Müller hatte alles, was zum Mahlgang notwendig, unter Benutzung des noch vorhandenen Gerätes zu besorgen. Er war ferner verpflichtet, nicht nur das zum Betreiben der Mühle Notwendige zu beschaffen, sondern dies nach Ablauf der Pachtzeit in gutem Zustand zu übergeben. Im einzelnen werden aufgeführt: 2 Mühlen-Steine »dasiger Landsart« (vielleicht aus einem Mühlsteinbruch bei Hinterweiler oder Hohenfels?), 10 bis 12 Zoll dick und 5 Schuh Durchmesser, entsprechende Siebe, Beutel, Mühlenhammer, Rebzeug und Ketten etc. Der Kurfürst billigte dem neuen Pächter jedoch zu, daß er das nötige Bauholz aus dem kurfürstlichen Wald nehmen dürfe.

Die Oberstadtfelder Mühle, dem Zerfall preisgegeben. Im Vordergrund die Kleine Kyll, die das Mühlrad trieb.

Im gleichen Jahre erklärt sich der Johannes Scheben von Schütz (Schutz) mit diesen Bedingungen einverstanden, wenn ihm nach Errichtung der Mühle 5 Jahre Pachtfreiheit gewährt und ihm nach Ablauf der 5 pachtfreien Jahre die Mühle 10 weitere Jahre zur Pacht überlassen werde. Während der 10jährigen Pachtzeit verpflichtete sich Johannes Scheben, 3 Sester 8/4 Haaber Manderscheider Maaß und 1 Reichstaler, 6 Albus in Geld sowie 5 Malter Korn jährlich zu entrichten. Die kurfürstliche Regierung bestätigte, daß sie zu den vorgenannten Bedingungen Johannes Scheben die Mühle zu Lehen gegeben habe.

1779 wird der schlechte Zustand der Mühle beklagt und darauf hingewiesen, daß keine Wohnung vorhanden sei. Dies verwundert, weil in den Baubedingungen 1754 die Einrichtung einer Wohnung gefordert war.

Bereits 1780 scheint die Mühle verwaist zu sein. Am 18. November des gleichen Jahres stellte Diederich Schultsen den Antrag, ihm auf 9 Jahre die Mühle zu verpachten. Er verpflichtete sich, beginnend mit dem Jahre 1780, 6 Malter reines Korn an »Martini« zu liefern, für den Garten 5 (?) Geld und 4 Faß Haber Pyrmonter Maß zu geben, den Mühlenbau und das Mahlwerk in brauchbar gutem Zustand zu erhalten und in gleichem Zustand nach Ablauf der Pachtjahre zurückzugeben. Er bat jedoch, das notwendige Bauholz aus den angrenzenden kurfürstlichen Waldungen schlagen zu dürfen. Auf diesen Antrag hin erfolgen längere Schriftwechsel und Beratungen, ob die Mühle als zeitliche oder aber erbliche Belehnung (Verpachtung) erfolgen soll. In diesem Schriftwechsel wird auch der Wert des damaligen Mühlengebäudes geschätzt und mit 150 Reichstalern angegeben. Im Jahre 1781 erfolgte dann durch die kurfürstliche Regierung zu Koblenz die Entscheidung über die Pachtbedingungen und den Pächter. Kurfürst Clemens Wenzeslaus erklärte in dem Erblehnungsschreiben: »Thuen kund und bekennen hiermit für uns, und unseren Nachfolger, daß wir auf untertänigste Bitten des Johann Diedrich Schultsen, vorhinnigen temporal Beständern (vorhergehender zeitlicher Pächter) unsere Mahlmühlen zu Oberstadtfeld nach eingezogenem Gutachten unserer Hof Cammer denselben und sein ehlige Leibserben belehnt haben . . .«.

Die erbliche Belehnung wurde unter folgenden Bedingungen ausgesprochen:

1. Der Erbbeständer (Pächter) hat bei Empfang der Erblehnung ein für allemal 100 Reichstaler sowie die »Laudemialgelderen und Aus-fertigungsgebührnisse, in allem 11 Rt. 41 alb. betragend« zu zahlen. (Laudemialgelder waren Abgaben an den Lehensherren (Kurfürst), eine Art Handlohn, von dem neuen Inhaber eines Erbpachtgutes an den Eigentümer, als Anerkenntnis des angetretenen Erbpachtverhältnisses.)

2. Alljährlich waren von der Mühle 6 Malter reines Korn, ein halbes Malter Haaber (Hafer) Manderscheider Maaß« am Feste des heiligen Martin an die Kellnerei nach Manderscheid zu liefern. Weitere Bedingungen sind nicht mehr bekannt, weil hier die Akten des Landesarchives enden.

1786 wurde ein Antrag an die kurfürstliche Regierung gestellt, einen Eisenbaum von 20 - 22 Schuh Länge einbauen zu können. Hierfür wurde eine höhere Pachtleistung durch den Müller Scholzen geboten. Auch im Jahre 1808 hatte noch immer ein Nachkomme des Johann Diedrich Schultsen die Mühle in Erbpacht. Der Name Schultsen hat sich wahrscheinlich in Schol-zen gewandelt. Im Rahmen der Säkularisation wurde durch die französische Besatzungsmacht der kirchliche Besitz und damit auch die kurfürstliche Mühle enteignet. Am 21. 4. 1808 erfolgte eine öffentliche Versteigerung der Mühle einschließlich des Grundstücks. Der Schätzpreis betrug 1 200 Franc. Gesteigert wurde die Mühle durch den Landwirt Matthias Irmen aus Niederstadtfeld zum Preise von 1 775 Franc, umgerechnet 473 Taler.

Der neue Eigentümer der Mühle betrieb die Mühle nicht selbst, sondern behielt den bisherigen Pächter Theodor Scholzen bei. Auch 1812 erscheint noch in den Standesamtsbüchern Theodor Scholzen als Müller. Im Jahre 1814 heiratet der Müller Lambert Scholzen, ein Sohn von Theodor.

Im Jahre 1822 wird in den Standesamtsbüchern die Hochzeit des Ackerers Cornelius Sastges, der als Sohn des Müllers Matthias Sastges aus Oberstadtfeld bezeichnet wird, beurkundet. 11 Jahre später heiratet der gleiche Cornelius Sastges, der in der Zwischenzeit verwitwet war, nochmals. Zu diesem Zeitpunkt wird sein Beruf mit Müller angegeben.

Im Mühlenkataster 1827 ist vermerkt, daß Eigentümer Matthias Irmen und »Konsorten« waren, die Mühle jedoch von Lambert Scholzen als , Pächter betrieben wurde. Gab es eine weitere Mühle, evtl. eine Sägemühle in Oberstadtfeld? Welche Mühle wurde von Matthias und später von Cornelius Sastges betrieben? Neben der vorhandenen Mühle in Oberstadtfeld soll eine Schleifmühle etwa 100 m unterhalb der Mahlmühle gestanden haben. Vielleicht wurde diese Schleifmühle, die in den Rechnungseinnahmen des Kurfürsten nie erwähnt wurde, von Matthias oder Cornelius Sastges geführt.

1827 hatte die Mühle ein Mühlrad und einen Mahlgang. Das Wasser fiel aus einer Höhe von 12 Fuß auf das Mühlrad; der Mühlenteich war teilweise angestaut, um auch bei Trockenheit über ausreichend Wasser zu verfügen. Die Jahressteuer betrug 6 Reichstaler. Bereits ein Jahr später wird der frühere Mühlenpächter Lambert Scholzen, dessen Ehefrau 1827 verstorben war, im Heiratsregister Üdersdorf als »Taglöhner« bezeichnet.

Ab diesem Zeitpunkt wurde die Mühle vom Sohn des Eigentümers Matthias Irmen, Johann Irmen, geführt. Auch in den Einwohnerlisten 1840, 1843 und 1846 bewohnt Johann Irmen mit seiner Frau Anna-Maria, geb. Bell, und den Kindern Josef, Matthias, Anna-Katharina und Knecht und Magd die Mühle. Johann Irmen verstirbt im Jahre 1848, die Mühle geht in den Besitz seiner Ehefrau Anna-Maria, geb. Bell, über. 1852 wird die Witwe Anna-Maria Irmen als Eigentümerin im Mühlenkataster geführt. Als Betreiber wird der Mühlenknecht Niclas Trost angegeben. Auch 1857 ist Witwe Irmer noch die Besitzerin. Die Mühle war in gutem Zustand. Mit einem Wasserrad konnten zwei Mahlgänge angetrieben werden. Das Getreide konnte mit dem Hauptwerk gemahlen, mit einem weiteren Werk ein sogenannter »Putzgang« betrieben werden, der der Reinigung des Getreides diente. Wegen Wassermangels konnten beide Gänge jedoch nicht gleichzeitig in Gang gesetzt werden, wie im Kataster vermerkt wird. 6 Rt. Steuern waren jährlich zu entrichten.

Peter-Josef Irmen, der älteste Sohn, übernimmt 1860 den Mühlenbetrieb von seiner Mutter und heiratet im gleichen Jahre Susanna Schmitz aus Oberstadtfeld. Ein weiterer Wechsel des Eigentums scheint 1869 eingetreten zu sein, denn Matthias Irmen, der jüngste Sohn von Johann Irmen, heiratet Susanna Thielmann und wird als Müller bezeichnet. Im Mühlenkataster vom 4. 8. 1872 ist als Eigentümer der Mühle Matthias Irmen genannt. Die Mühle verfügt über einen Mahl- und einen Schälgang. Weiter ist vermerkt, daß der Betrieb nicht bedeutend sei. 8 Taler Gewerbesteuer sind zu entrichten.

Auch 1893 ist Matthias Irmen noch Eigentümer der Mühle. Um die Jahrhundertwende geht sie dann auf seinen Sohn Nikolaus Irmen, geb. am 19. 4.1877, über. Nicolaus Irmen war unverheiratet und lebte und betrieb zusammen mit seiner Schwester Katharina die Mühle bis etwa 1930. Danach wurde der Mühlenbetrieb eingestellt. Nikolaus Irmen war nur noch Landwirt.

Im Kreisjahrbuch 1983, Seite 253, sind eine Reihe von Oberstadtfelder Hausmarken abgebildet. Darunter auch die Hausmarke des Müllers Irmen. Welche Bedeutung hatten solche Hausmarken? Heute sind Hausmarken nur noch dem Heimatkundler bekannt. Vor rd. 200 Jahren hatten die Hausmarken gerade in unserem ländlichen Raum erhebliche Bedeutung. Diese Hausmarken sind runenartige Strichzeichen. Jede Familie innerhalb des Dorfes hatte ein anderes Zeichen, das am Hause selbst, auf Ackergeräten oder auch auf der Hauswäsche angebracht war. Der Bauer oder Müller kennzeichnete den Mehl- oder Kornsack mit der jeweiligen Hausmarke. Der Müller kannte all diese Zeichen und wußte genau, wo er den Mehlsack abzuliefern hatte. Oft führte der Müller auch sein Mahlbuch nicht nach Namen sondern nach Hausmarken. Hochbetagt, mit fast 91 Jahren, verstarb am 29. 1. 1968 Nikolaus Irmen, der letzte Müller der Oberstadtfelder Mühle. Seither ist die Mühle unbewohnt und dem Verfall preisgegeben. Schade, daß eine Mühle mit einer solch langen Geschichte der Nachwelt nicht erhalten werden kann.

Die meiste Zeit wird damit vergeudet,

festzuhalten, was man längst verloren hat.

Pablo Picasso