30 Jahre Eifelsternwarte

Astronomische Forschung der Universität Bonn in der Dauner Maarlandschaft

Prof. Dr. H. Schmidt, Bonn

 

Observatorium Hoher List von Südosten*

* Besichtigung des Observatoriums Hoher List mittwochs 15.00 bis 17.00 Uhr. Anmeldung beim Verkehrsamt Daun, Leopoldstraße 14, 5568 Daun, Telefon: 0 65 92/25 38.

Von Wittlich in Richtung Daun erblickt man von den Höhenstraßen am Südosthang des Hohen List, der westlich markant von der Altburg flankiert ist, wie eine Kolonie von Pilzen die Kuppeln des Observatoriums Hoher List der Sternwarte der Universität Bonn. Im Volksmund nennt man das Institut die »Eifelsternwarte«.

Vor etwas mehr als 30 Jahren, im Herbst 1952, wurde mit dem Bau dieser Forschungseinrichtung begonnen. Den berechtigten Wünschen des Landschaftsschutzes entsprechend entstand ein Gebäudekomplex nicht auf der Kuppe, sondern am Hang des etwa 550 m hohen

Berges. Das Observatorium, die Dauner Maarlandschaft überragend, liegt damit von Norden gesehen etwas versteckt, aber auch besser geschützt vor den Stürmen des Herbstes und Winters.

Seit dem Jahre 1949 war in der Eifel nach einem geeigneten Platz für diese Sternwarte gesucht worden. Die äußeren Gegebenheiten, vor allem das Fehlen von Industrieanlagen in der Umgebung und das Vorhandensein der Naturschutzgebiete, aber auch die großzügige Unterstützung des Vorhabens durch das Land, den Kreis und die Gemeinde bestimmten schließlich die Wahl.

Im Herbst 1954 konnte nach zweijähriger Bauzeit das Observatorium in Betrieb genommen werden. Es sollte den Astronomen der Universität Bonn ermöglichen, außerhalb des störenden Dunstkreises der Stadt wissenschaftliche Himmelsbeobachtungen durchzuführen. Das Instrumentarium war modern, aber doch relativ bescheiden. Es umfaßte zwei Spiegelteleskope, eine größere Astrokamera und ein kleineres Fernrohr, das eine zusätzliche Spezialkamera trug. Hinzu kamen einige Auswertegeräte für die Bearbeitung fotografischer Aufnahmen. Eine eigene feinmechanische Werkstatt gestattete zudem die Ausführung aller anfallenden Reparaturen und den Bau neu entwickelter Zusatzgeräte.

Nach 10 Jahren erfolgreicher wissenschaftlicher Arbeit wurde es notwendig und möglich, das Institut wesentlich zu erweitern. Es entstanden eine größere Werkstatt, ein Wohnhaus für nur zeitweilig anwesende Mitarbeiter und Gäste aus aller Welt, ein Beobachtungsturm für ein in Bonn vorhandenes, älteres, aber bewährtes und größeres Doppelfernrohr und ein weiterer Turm für ein großes Spiegelteleskop mit 106 cm Öffnung. Benötigt wurde danach, der modernen Entwicklung entsprechend, noch ein Elektronik-Laboratorium, das es ermöglichte, neue Meßtechniken einzuführen. Es entstand in Etappen bis zum Jahre 1981.

106 cm Cassegrain-Nasmyth-Teleskop.

 

In der Zwischenzeit konnte auch das alte Objektiv der Astrokamera durch eine leistungsfähigere Optik ersetzt werden. Besonders erfreulich war es aber, daß 1983 an die Stelle eines der beiden Teleskope aus der Gründungszeit ein größeres, vielfältiger verwendbares Instrument trat. Mit dem alten Teleskop sind Zehntausende von Messungen durchgeführt worden, den heutigen Anforderungen entsprach es aber nicht mehr.

Seit 1954 ist aber nicht nur die technische Ausrüstung der »Eifelsternwarte« ergänzt und verbessert worden, auch die Zahl der Mitarbeiter ist merklich angestiegen. In den ersten Jahren waren hier nur zwei Wissenschaftler und drei nichtwissenschaftliche Arbeitskräfte ständig tätig, d. h. rund 25 Prozent des Personals der Bonner Sternwarte. Heute sind es dagegen sechs Wissenschaftler, etwa fünf Diplomanden und Doktoranden und 10 Nichtwissenschaftler. Das sind etwa 70 Prozent der Belegschaft der Sternwarte Bonn. Hinzu kommen Gäste aus dem In- und Ausland und Mitarbeiter der Bonner Institute, die am Hohen List für kürzere oder längere Zeit arbeiten. Erfreulich ist dabei, daß sie alle immer wieder gerne in die Eifel zurückkehren.

Die zahlreichen Besucher des Observatoriums — es sind in den vergangenen 30 Jahren mehr als dreißigtausend gewesen, die am Mittwochnachmittag das Institut besichtigten* — fragen mit Recht immer wieder nach dem Sinn und Zweck astronomischer Forschung. Warum gibt es Leute wie die Astronomen, die sich mit Dingen beschäftigen, die mit unserem Alltag scheinbar so gar nichts zu tun haben?

Die Antwort ist zunächst einfach: Der Mensch ist ein Wesen, das denkt und Fragen stellt nach dem Wie und Warum dieser Welt. Es möchte wissen, welche Rolle ihm in der Welt zukommt. Dazu gehört auch die Frage nach der Stellung der Erde im Kosmos, denn auf ihr lebt er. — Es ist die Aufgabe der Astronomie, zu ergründen, wie die Welt außerhalb unserer Erde beschaffen ist, wie sie entstanden ist und wie sie sich entwickelt hat.

Unsere Erde ist in diesem Kosmos, wie wir seit langem wissen, ein verschwindendes Etwas, auf dem der Mensch »Weltgeschichte« macht. Aus den Weiten des Alls erhalten wir über das Geschehen in ihm Kunde durch elektromagnetische Strahlung — zu der auch das Licht gehört —, die wir mit Teleskopen auffangen und analysieren. Sie erzählt uns, was dort weit draußen vor sich geht. Wir verstehen diese Botschaft mit Hilfe der Physik, die uns die Grunderkenntnisse über die Vorgänge in der Natur überhaupt liefert. Bei dem Umfang und der Schwierigkeit der anstehenden Probleme nimmt es nicht wunder, daß neue Erkenntnisse nur mühsam und zeitraubend gewonnen werden können. Auch ist es nicht möglich, gleichzeitig alle Fragenkreise anzuschneiden.

Ein anderer Gesichtspunkt muß hier aber ebenfalls erwähnt werden. Die für die Astronomie so wichtige Physik gewinnt ihre Erkenntnisse weitgehend durch Experimente im Laboratorium. Ihnen sind aber Grenzen gesetzt, die oft nicht überschritten werden können. Das Weltall dagegen ist ein Laboratorium, das wir zwar nicht zu steuern vermögen, das jedoch weitreichende Beobachtungsmöglichkeiten und Einblicke bietet, die der Physik zugute kommen. Moderne Astronomie und Physik ergänzen sich somit an manchen Stellen, letztere ist aber eine der Grundlagen unserer modernen Technik.

Am Observatorium Hoher List hat man sich in der Vergangenheit in der Hauptsache mit drei Problemkreisen beschäftigt: 1. mit der Frage der Verteilung der Sterne im Weltall, 2. mit der Bewegung der Sterne im Raum, 3. mit dem physikalischen Verhalten spezieller Sterntypen.

Zum Verständnis dieser Fragen muß man sich vor Augen führen, daß die Sterne am Himmel weit entfernte Sonnen sind, unserer Sonne ähnlich, d. h. es sind riesige Gasbälle hoher Temperatur, die Energie in Form von Strahlung abgeben. Diese abgegebene Energie muß im Sterninneren erzeugt werden. Es geschieht u. a. durch Umwandlung von Wasserstoff in Helium, durch Fusion, wie man heute sagt. Dies bedeutet, daß sich die Sterne entwickeln müssen. Sie werden »geboren« und müssen »sterben«, allerdings ist ihre »Lebensdauer« mit vielen Milliarden Jahren gemessen an unserem Leben außerordentlich lang.

Komet Bennett (19691)                                                            Aufnahme: Astrograph

 

Der Mensch hat keine Zeit,

wenn er sich nicht Zeit

nimmt, Zeit zu haben.

                                                                                        Ladislaus Boros

 

Wollen wir etwas über die Verteilung der Sterne im Raum wissen, ist es notwendig, ihre Entfernungen von uns zu bestimmen. Aus diesen Entfernungen und der Verteilung am Himmel können wir ein Bild der Sternverteilung gewinnen. Wir wissen heute, daß wir uns mit unserer Sonne in einem ausgedehnten Sternsystem befinden, das von außen betrachtet die Gestalt einer flachen Diskusscheibe zeigt. Es besitzt Strukturen, die am Hohen List untersucht werden sollten. Dies ist leider nur teilweise und in Anfängen gelungen, weil es letztlich nicht möglich war, die notwendigen Forschungsmittel zu erhalten. — Geld spielt auch hier eine entscheidende Rolle! Der zweite genannte Problemkreis beschäftigt die Sternwarte Bonn eigentlich schon seit ihrer Gründung im Jahre 1845. — Die Bewegung der Sterne im Weltall äußert sich in ihrer Verschiebung gegeneinander am Himmel im Laufe langer Zeiträume. Wegen der großen Entfernungen sind die Ortsveränderungen der Sterne oder »Eigenbewegungen«, wie der Astronom sagt, aber sehr klein. Man muß sehr genau messen, um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Seit der Jahrhundertwende hat die Fotografie die Situation merklich verbessert. Aus dieser Zeit besitzt das Institut eine große Zahl spezieller Aufnahmen, eine Sammlung von großem Wert. Da auch das Teleskop noch existiert, mit dem sie gewonnen wurden, können sie wiederholt und unmittelbar miteinander verglichen werden. Das geschieht unter Verwendung modernster Meß- und Auswertetechniken. — Das Ziel dieser langwierigen Arbeiten, die in der Welt nur von wenigen Sternwarten durchgeführt werden, sind, wie schon erwähnt, Aussagen über die Bewegungen der Sterne im Raum und damit in unserem Sternsystem. Sie erlauben einen Einblick in das Kräftespiel des Kosmos und die Probleme seiner Entwicklung.

Schließlich interessieren die Sterne selbst. Was geht in diesen Gaskugeln vor sich? Wie verhalten sie sich? — Bemerkenswerterweise gibt es im All eine große Anzahl von Sternzwillingen, sogenannten Doppelsternen. Jeweils zwei Sonnen, durch die allgemeine Massenanziehung aneinander gebunden, kreisen umeinander. Dabei üben sie Kräfte aufeinander aus, die dazu führen können, daß sie Materie miteinander austauschen oder nach außen abgeben. Dieses Phänomen, das physikalisch sehr kompliziert ist, wird am Hohen List seit seiner Inbetriebnahme durch photometrische und spektroskopische Messungen erfolgreich untersucht. Hunderte von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die in alle Welt gingen, zeugen davon. Dabei muß gesagt werden, daß die Beobachtungsmöglichkeiten der Bonner Astronomen dadurch erweitert werden, daß sie auch in Spanien und Chile an großen Teleskopen arbeiten können. Hinzu kommt die Möglichkeit der Nutzung amerikanischer Instrumente, die sich außerhalb der Atmosphäre in einer Erdumlaufbahn befinden.

Abschließend darf man sagen, daß sich die oft strapaziöse und mühsame Beobachtungstätigkeit am Observatorium Hoher List in den klaren Eifelnächten der letzten 30 Jahre wissenschaftlich gelohnt hat und damit erfolgreich war. Man möchte hoffen, daß dies noch lange so bleibt. Sorge bereitet die zunehmende Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen in der weiteren Umgebung. Auch hier — am Himmel — müssen wir versuchen, Umweltschäden zu verhindern, wenn wir überhaupt noch forschen wollen. Wir hoffen dabei auf das Verständnis und die Hilfe aller, die hieran ein Interesse haben.

Kannst Du kein Stern am Himmel

 sein, sei eine Lampe im Haus.

                                                                                    Arabisches Sprichwort

Gas, Staub und junge Sterne im Orion

Aufnahme: Doppelrefraktor