Freude am Holz

Besinnliches über seine Schönheit und seinen Wert

Paul Quabeck, Hagen-Helfe

Es ist eine alte Erfahrung, daß Eindrücke aus frühen Kinderjahren den Menschen für sein ganzes Leben prägen. Mein Vater war Schreiner, oder wie man heute lieber hört, Tischler von Beruf. Immer, wenn er im Hause etwas zu arbeiten hatte, war ich dabei. Ich hielt ihm Bretter und Leisten oder trug ihm das Werkzeug herbei und schaute ihm bei allem »Werken« über die Schulter. Wenn er leimte oder polierte, wenn er Gehrungen schnitt oder Kanten zinkte, wenn er die Hobelmesser einstellte, die Säge schränkte oder die Ziehklinge schärfte, stets verfolgte ich aufmerksam seine Arbeit.

Dabei wuchs in mir langsam die Liebe zum Holz und zu allem, was damit zusammenhing. Ich spürte, daß Holz ein lebendiger Werkstoff ist, daß es arbeitet, sich wirft, windschief und dreh-wüchsig sein kann und erst nach langer Trokkenheit zur Ruhe kommt. Der Vater hat es darum immer so verleimt, daß die Kräfte gegeneinander arbeiteten und sich dadurch aufhoben.

 Mit der Zeit bekam ich einen Blick für die Schönheit der Maserung, die, bedingt durch die Jahresringe, fein oder grob, gespiegelt oder geflammt, oder wie beim Vogelaugenahorn, gepunktet war. Phantastische Muster erbrachten, wie beim Nußbaum, die Wurzelstücke. Erste Versuche zeigten mir, daß man immer mit dem Strich und nicht dagegen arbeiten muß. Langholz arbeitet sich anders als Hirnholz.

Dabei spielt die Härte des Werkstoffs eine große Rolle: Eiche oder Linde; Buche oder Erle; Ahorn oder Weide; Limba oder Pockholz, jede Holzart hat ihre eigene Struktur, ihren eigenen Charakter.

Ein wesentliches Element ist auch die Farbe: Ahorn präsentiert sich in sauberem Weiß, Ebenholz in tiefem Schwarz, Mahagoni in dunklem Rot und Kirschbaum in goldenem Gelb. Ein Prachtstück an Farbe fand ich in einer lippischen Möbelschreinerei: Einen Schrank aus Goldregenholz in herrlichem matten Grün, kostbar und darum unverkäuflich! Das Material: Schälfurnier von einem ganz alten Stamm aus dem Detmolder Schloßpark.

Oft habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, in eine Werkstatt hineinzuschauen. Der Geruch frischgeschnittenen Holzes zog mich immer an. Wie durftete es so herb und kräftig nach Gerbsäure, wenn gerade Eiche verarbeitet wurde. Wie würzig erfüllte der Harzgeruch den Raum, wenn ein Kiefernstamm unter der Säge lag. Und die Obstgehölze haben ihren besonderen Duft! Groß ist die Haltbarkeit verschiedener Hölzer. Wenn man früher in Sumpfgebieten ganze Städte auf Eichenpfähle gründete, wenn man bei Mainz alte Römerschiffe unversehrt aus dem Ufergrund ausgraben konnte, dann beweist das die große Widerstandskraft, besonders des Eichenholzes.

Aber auch sein Wert ist beachtlich. Viele Eifelgemeinden waren reich durch ihren Waldbesitz. Sie konnten nicht nur ihren Bewohnern Arbeit und Brot geben, sondern auch manche größeren Ausgaben damit bestreiten. In Darscheid bei Daun wurde so ein komplettes Geläut für die Kirche aus dem Erlös von drei 260 Jahre alten Eichen bezahlt. Kräftiges Hausgestühl, originelle Kinderwiegen, schweres Dachgebälk und wertvolle Schnitzarbeiten an Häusern und in Kirchen zeugen noch heute von dem Sinn der Eifeler für bodenständiges Material. An dieser Stelle möchte ich drei nette Begenheiten anfügen.

Im Hohen Venn: Vor vielen Jahren! Eine Bau-ernfamilie beim einfachen Mittagsmahl. Die obere Tischplatte wird abgenommen. Darunter befindet sich eine zweite Platte mit ausgeschnitzten tellerförmigen Vertiefungen. Darein füllt die Hausmutter aus einer großen Holzschüssel eine kräftige Suppe. Nun noch die selbstgeschnitzten Löffel und das Essen mundet allen Hungrigen gut! — Bald ist wieder alles gründlich gesäubert. Am Abend wird auch die zweite Platte entfernt. Die darunterliegende Mulde (Molle) bewahrt den Rest Sauerteig vom letzten Backtag. Er wird für den folgenden Morgen vorgerichtet, damit bald wieder frisches Brot auf den Tisch kommt! — Einfach, aber bodenständig!

Kinder im Eifeldorf: Das Klafterholz für den Winter ist eingebracht, gesägt und geschlagen. Flugs sind die Kinder da, sie legen sich mit den Buchenscheiten ein Haus. Die Zimmer werden eingeteilt und ein Vorgarten gepflanzt. Ein Kind ist die Mutter. Sie sucht sich ein schönes Holzstück, das ist ihr Kind. Es wird hingelegt. Wenn es schreit, wird es aufgenommen, im Kump gebadet, mit alten Lappen gewickelt, gefüttert, wieder niedergelegt. Dann essen auch die anderen; und jeder geht wieder seiner Arbeit nach. — Einfach, aber kindlich!

Ein Patriarch: Ferien auf dem Dorfe. Wir Kinder sind überall, besonders gern in der Schreinerwerkstatt. Der alte Meister ist schon seit 6 Uhr früh an der Arbeit. Eine schwere Buchenbohle hat er zwischen Decke und Werkbank festgeklemmt und führt nun die Handsäge mit kräftigen Schwüngen, lang durch das ganze Stück. In der Pause nimmt er Brot und Speck; dann beginnt die Arbeit von neuem. Wir bewundern den alten Mann. — Nach seinem Tode dürfen wir ins Zimmer. Mit seinem langen, schneeweißen Bart liegt er dort, sauber aufgebahrt, wie ein Patriarch aus biblischer Zeit. — Einfach, aber echt!

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Das Gespür für echtes und gediegenes Material gewinnt heute mehr und mehr Raum. Nach dem Zeitalter der ausländischen Hölzer, Pitchpine, Teak, Mahagoni und Palisander; nach der Aera der Spanplatten und Kunststoffmöbel, in denen keine Schraube mehr hielt, bekommt nun die Qualität wieder Vorrang. Einheimische Hölzer dominieren wieder im Mobiliar; und feingefügte Paneele machen die Wohnräume warm und heimelig. — Heimwerken, Basteln und Schnitzen werden wieder entdeckt. Ich versuchte es mit einfachen Dingen, dann aber auch mit Tieren und Menschen. Dabei ging mir auf, wie schwer es ist, ein Tier naturgerecht zu formen, wieviel schwieriger noch, ein menschliches Antlitz zu gestalten. Meine Bewunderung für die Meister der Holzschnitzkunst, Tilman, Riemenschneider und Veit Stoß wurde mit jedem Versuch größer, aber auch meine Freude an jedem nur in etwa gelungenen Stück.

Wer edles Holz schätzt, der muß auch den Wald lieben. Die Eifel mit ihren herrlichen Laub- und Nadelwäldern, mit ihren Wacholder- und Ginsterflächen war dazu besonders angetan. Welch großartiges Bild bieten ein freistehender Ahorn, eine schattige Linde vordem Hause oder ein schwerer alter Birnbaum im Garten! Welches Erlebnis ist es, einen lichtdurchfluteten Buchenwald zu durchwandern! Da werden Stifters »Hochwald« und Eichendorffs Waldlieder lebendig. — Der Wald birgt unter seinem schattigen Laubdach tausendfältiges geheimnisvolles Leben. Er schützt es auf wunderbare Weise. Darüber hinaus spendet er Sauerstoff in Fülle für alle Lebewesen, die atmen; und sammelt in seinem riesigen Reservoir das Grundwasser, ohne das unsere Landschaften veröden würden.

Aber da kommt ein Alarmsignal von höchster Dringlichkeit: Die Schadstoffe der Industrie, vor allem das Schwefeldioxyd (S02), gefährden unsere Wälder. Mit Wasser zusammen bildet es Schwefelsäure (H2SO4), die mit dem Regen auf das Laubwerk herabrieselt und seine Funktionen beeinträchtigt. Das hat unabsehbare Folgen. In den Ballungsgebieten spricht man schon vom Säuretod der Wälder. Dürfen wir tatenlos zusehen, wie unsere Lebensgrundlagen zerstört werden? Ist hier nicht ein jeder von uns gefordert, Stellung zu beziehen?! — »Habt Ehrfurcht vor dem Leben.« Dieses Testament hat uns einmal ein großer Deutscher, Albert Schweitzer, als letzte und wichtigste Erkenntnis seines Lebens hinterlassen. Durch seinen persönlichen Einsatz hat er bewiesen, wie ernst es ihm mit dieser Mahnung war. — Ob wir nicht versuchen sollten, ihm mit unseren Möglichkeiten nachzueifern?!

 

 

 

 

» Wer hat dich, du schöner Wald,

Aufgebaut so hoch da droben?

Wohl, den Meister will ich loben,

So lang noch meine Stimm erschallt!

Was wir still gelobt im Wald

Wollen's draußen ehrlich halten,

Ewig bleiben treu die Alten,

Bis das letzte Lied verhallt.

Schirm dich Gott, du schöner Wald!"

(Verse von Eichendorff;