In guter Nachbarschaft

Alte Beziehungen zum südöstlichen Dauner Kreisgebiet

Alois Clemens, Bausendorf

Jede Gemeinde hat wirtschaftliche und persönliche Bindungen an die Nachbarbezirke. Meine Heimatgemeinde Hontheim, eine ca. 3 000 ha große Hochfläche zwischen Alf- und Üßbach, grenzt östlich an den Kreis Cochem, Regierungsbezirk Koblenz und nördlich an die Gemeinde Strotzbüsch im Kreise Daun. Recht vielseitig sind die menschlichen und wirtschaftlichen Berührungspunkte in der geografischen Nachbarschaft. Verkehrsmäßig überwiegen die Kontakte zum Kreise Daun. Die frühere Landstraße Dreis - Traben, heute B 421, ist nach wie vor eine Hauptverkehrsader in das Dauner Kreisgebiet hinein. Die Bundesbahn dagegen hat heute, im Vergleich zu den vergangenen 50 Jahren, nur eine untergeordnete Bedeutung.

Interessant ist ein Rückblick in die Zeit vor der Motorisierung. Hontheim mit seinen 3 Bezirksorten, liegt im Schnittpunkt der Bahnhöfe Bullay, Uerzig und Gillenfeld. Für die Fuhrwerke mit Gespannvieh lag Gillenfeid weit günstiger. Wenn auch am Ortsausgang zum Pulvermaar und später in Strotzbüsch Vorspann erforderlich war. Von Bullay und Uerzig aus waren die Steigungen durch den Kondelwald und ab Bad Bertrich weit stärker und länger.

Damals praktizierte man in den Ortschaften noch die Nachbarschaftshilfe. Wenn jemand einen Neubau, sei es ein Wohnhaus oder Ökonomiegebäude, plante, dann wurden die kostenlosen Fahrten der Fuhrwerke zum Kalkofen in Pelm, den Sandgruben bei Immerath und zum Bahnhof Gillenfeld in der Kalkulation berücksichtigt.

Mühsam und zeitraubend war das Ausladen der Schwemmsteine aus dem Neuwieder Becken auf dem Bahnhof in Gillenfeld. Diese »Tuffsteine«, wie man sie nannte, wurden 2 Stück zusammengelegt, in einem geschickten Wurf in der kleinen Kette der Helfer weitergegeben bis hin in die Kastenfuhrwerke. Die Gespanne wurden während dieser Verladezeit und später bei der kräftigenden Rast vor den Gasthäusern gefüttert. In prall gefüllten Säcken wurde Heu von daheim mitgebracht, desgleichen Hafer für die Pferde. Am späten Nachmittag, oft erst am Abend, kehrten die Fuhrwerke zurück. Und wieder gingen die Steine durch viele Hände, bis sie dann an der Baustelle aufgeschichtet waren. Ein ergiebiges Bauernfrühstück mit Brot, Butter, Schinken, Kaffee und Branntwein, war die Entlohnung der Fuhrleute.

Als Schulkinder lernten wir das Pulvermaar früh und zuerst kennen. Alljährlich war es ein begehrter, wenn auch anstrengender Ausflug., über Strotzbüsch, Trautzberg und Strohn nach Gillenfeld und nachmittags wieder zurück. Ganz deutlich erinnere ich mich an das Biwack, auf einer Wiese gegenüber dem Hotel Hommes. (Der Besitzer war gebürtig aus Hontheim). Kaffee kochten wir nach Anleitung unseres Lehrers auf dem offenen Feuer. Später aßen wir die mitgebrachten Butterbrote und die dazugekauften Milchbrötchen. Die Maare um Daun mit Besichtigung der Kreisstadt und Mineralquelle waren schon größere Ausflüge. Frühmorgens ging es dann weiter mit der Bahn bis Schalkenmehren. Alles war uns Kindern fremd und neu. Mit großem Interesse hörten wir die Erklärungen der Lehrpersonen über die Entstehung der Kraterseen und die Legende des Weinfelder Maares. — Die Besichtigung der automatischen Füllmaschine am Dauner Sprudel und die Limonadeflaschen mit Klickerverschluß waren damals einmalige Erlebnisse. Die bekannten Viehmärkte in Daun erlebten wir als Kinder durch die Erzählungen des Vaters, wenn er abends nach Hause kam und Milchbrötchen aus der Kreisstadt an uns austeilte.

Bis weit in die 30er Jahre lieferte wöchentlich zweimal ein Bäcker aus Gillenfeld mit dem Motorrad die Brötchen in ein Kolonialwarengeschäft in Hontheim. Auch ein Lebensmittelkaufmann aus Strohn kam wöchentlich mit einem kleinen Pferdewagen zu seinen Kunden in die Ortschaften am Kondelwald, wie auch heute noch ein Textilkaufmann aus Schalkenmehren, jedoch motorisiert, seine treuen Kunden beliefert. Wer die Haushalte persönlich kennt und seit Jahren zur Zufriedenheit bedient, verkauft trotz großer Konkurrenz durch Versandhäuser überall an seine alten Kunden. Ein Einwohner aus Hontheim hatte früher in mehreren Ortschaften des Eifelkreises jahrelang 2 Dreschmaschinen im winterlichen Einsatz. Der Zusammenschluß der Raiffeisenkasse Strotzbüsch mit der Kasse in Hontheim ist das Ergebnis der letzten 10 -15 Jahre und spricht für sich.

Nicht unerwähnt seien die Viehhändler aus Gillenfeld. Damals waren in den meisten Ortschaften die Ochsengespanne in der Überzahl. Während der Winterzeit gemästet, wurden die älteren Tiere zum Frühjahr an den Metzger verkauft. Dann kam häufig der «Ochsenmichel«, so wurde der bekannte Handelsmann genannt, mit Jungochsen vom Markt in Daun oder Hillesheim. Der Handel oder Ankauf wurde ohne großen Zeitverlust an Ort und Stelle getätigt und mit dem üblichen Handschlag bekräftigt. Seit Gründung der Molkerei Gillenfeld, Anfang der 30er Jahre, zählt die Gemeinde Hontheim in ihr Einzugsgebiet. Heute ist es die Großmolkerei Hillesheim.

Wenn ich die Namen Neroth und Waldköningen höre, denke ich unwillkürlich an die Drahtwarenhändler zu meiner Jugendzeit. Im Frühjahr waren sie überall zu sehen. Sie boten die während der Winterszeit gefertigten Kuchenwenner, Siebe und Fallen aller Art zum Kauf an. Aus Strohn kam »Pinnejusepp«, ein früherer Nagelschmied, jetzt Berufsfischer. Mit Wachteln fing er im Alfbach die Forellen und trug sie in die Hotels in Bad Bertrich. Mückeln, an der Nahtstelle des Kreises, und im Südhang liegend, leuchtet weit in die Voreifel. Die Hilfe und der Rat eines Heilkundigen, heute in der 3. Generation, verdienen es, ebenfalls erwähnt zu werden. Bei Verrenkungen und Knochenbrüchen wurde er zuerst aufgesucht, wie dies meist auch heute noch üblich ist. In der jüngeren Zeit ist es eine rührige Laienspielgruppe, die mit dokumentarischen Theaterstücken die oft bewegte Heimatgeschichte anschaulich und gekonnt in Erinnerung ruft.

Von der Maarhöhe Immerath wurde früher fast ausschließlich der Bausand bezogen. Die Pfarrgemeinde Hontheim schenkte Ende des vergangenen Jahrhunderts Immerath, dem Filialort von Strotzbüsch, eine alte Monstranz mit der Auflage, daß Bausand aus der Gemeindegrube für die kirchlichen Bauten in Hontheim kostenlos gegraben werden dürfte. Beim Bau des katholischen Jugendheimes unter dem sehr rührigen Pfarrer Peter Kemmer im Jahre 1922/23 kam diese alte Abmachung letztmalig zur Anwendung.

Es ist natürlich, daß die Bevölkerung durch Heirat die zahlreichen Bindungen bestätigte und förderte. Bei der Förderung guter Nachbarschaft in der jüngsten Geschichte sind einige Persönlichkeiten aus dem Kreis Daun hieranzuführen: Dr. Peter Blum aus Beinhausen war von 1926 bis 1945 Bürgermeister des damaligen Amtes Bausendorf. Durch den Eifelverein und zahlreiche Veröffentlichungen war er zeitlebens dem Eifelland eng verbunden. Landrat Johannes Hieronimus aus Immerath war Chef der Kreisverwaltung Wittlich in den Jahren 1948 bis 1969. Wie er, war auch Julius Saxler aus Ellscheid in den 50er Jahren Landtagsabgeordneter und als Regierungspräsident in Trier von 1973 bis 1982 ein weitsichtiger Förderer der Beziehungen über die Kreisgrenzen hinweg. Bleibt ferner zu erinnern an Staatsminister Dr. Alois Mertes aus Gerolstein, der im diplomatischen Dienst und als Bundestagsabgeordneter des Eielwahlkreises (seit 1972) über Jahrzehnte hinweg seiner Eifelheimat diente.

Die größte Reise beginnt

mit dem ersten Schritt.

Lao-tse, 4 Jh. vor Chr.