Sensibilität

oder die Kunst, das Glück

nach besten Kräften zu verpassen

Rita Gehendges, Daun

 

Ein Mensch ein Stück Natur erblickt,

was ihn erfreut, ihn recht beglückt.

In seiner Freude er sich eilt

bis er 'nem andern mitgeteilt,

daß solches Glück und wo sich 's fände,

wenn er sich aus dem Streß nur wände.

 

Der Andere denkt: »Na prima — fein.

An solchem Orte möcht ich sein!«

Bricht auf! Sofort! Weit schweift sein Blick

voraus — schon suchend nach dem Glück,

von dem des Menschen Worte künden.

Denn, eben dieses will er finden.

 

Er achtet nicht des Vogels Lied,

das an dem Ohr vorüberzieht,

auch nicht des Dufts vom Blumenbeet,

das ihm der liebe Gott gesät,

sieht nicht des Käfers schnellen Flug,

strebt glückwärts nur — in einem Zug.

 

Kommt atemlos auch schließlich an,

blickt zu dem Menschen fragend dann,

da er das Glück kann nicht entdecken,

nach dem er lief die weite Strecke.

Der spricht: » Vergebens war der Lauf!

Du stehst mit deinen Füßen drauf!«