Ein vergessener Dauner

Carl von Hölzer und die Schlacht bei Düppel

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Wenn man in der Dauner Geschichte blättert, begegnet einem im 19. Jhd. der Name eines schlichten Bürgers, der aufgrund seiner militärischen Verdienste und großen Tapferkeit in den Adelsstand erhoben wurde. Der Name jenes Dauners, der leider in seiner Vaterstadt so gut wie vergessen ist, war Carl Lambert Hölzer, einer der Erstürmer der Düppeler Schanzen.

Der deutsch-dänische Krieg

Bereits 1848 war es zwischen Dänemark und Preußen wegen den Herzogtümern Schleswig und Holstein zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen. Jene Herzogtümer, die seit Jahrhunderten durch die dänische Königslinie verwaltet wurden, beabsichtigten, sich von dieser Verbindung zu lösen. Schleswig bildete eine eigene Regierung und vertrieb mit Hilfe der Preußen die Dänen. Als Preußen sich jedoch 1850 auf Druck des übrigen Auslandes aus diesen Kämpfen zurückziehen mußte, verloren die Schleswiger den Krieg und wurden durch den Mächtekongreß in London gezwungen, mit Holstein dem dänischen Reich verbunden zu bleiben, aber nur in Personalunion. 1863 starb der dänische König kinderlos. Die dänische Regierung setzte sich über die Beschlüsse der Londoner Konferenz hinweg und annektierte Schleswig-Holstein in das Königreich. Dies war für Bismark die erste Gelegenheit, seine Ziele der Vergrößerung und Ausdehnung des preußischen Staates mit »Eisen und Blut« zu verwirklichen. Zusammen mit Österreich stellte er ein Ultimatum, diese Eingliederung rückgängig zu machen. Doch vergebens. Am 1.2.1864 brach der Krieg aus.

Sturm auf die Schanzen

Bei dem kleinen Dorf Düppel in Nordschleswig, das bis 1920 deutsch war und seit dem Versailler Vertrag als Reparation zu Dänemark kam, hatten die Dänen vor dem Alsensund eine drei Kilometer lange Verschanzung mit mächtigen Kanonenbatterien, Unterständen und Laufgräben errichtet. Dort und auf der kleinen Insel Alsen kam es am 18. 4. 1864 zu erbitterten Gefechten zwischen Dänemark und Preußen-Österreich. In diesen Gefechten war der Dauner Carl Lambert Hölzer der Adjutant des Kommandeurs Roetscher vom Brandenburgischen Pionier-Bataillon Nr. 3, das die Aufgabe hatte, die Schanze Nr. 3 zu stürmen und zu erobern.

Carl Lambert Hölzer kam am 27. 6. 1837 als viertes Kind von sechs Kindern der Eheleute Johann Hölzer, Gutsbesitzerin Daun, und Katharina, geb. Caspers, zur Welt. Er besuchte das Gymnasium in Trier und die Universität in Bonn. Am 1.4.1857 trat er als Einjährig-Freiwilliger in die 8. Pionier-Abteilung ein, wurde 1859 zum Fähnrich und kurze Zeit später zum Seconde-Lieutenant befördert. Zwei Jahre später wurde er zum Pionier-Bataillon Nr. 3 versetzt und 1862 zum Adjutanten ernannt. Im deutsch-dänischen Krieg nahm er an den Gefechten bei Missunde, Wielhoi, Wester- und Osterdüppel, den Schanzen und am Übergang nach Alsen teil.

Die Erstürmung jener Düppeler Schanzen, bei denen sich Hölzer durch große Tapferkeit auszeichnete, erfolgte am 18.4.1864 bei Tagesanbruch. 102 Geschütze feuerten unaufhörlich in Richtung Feind. Als um zehn Uhr das Feuer eingestellt wurde, rückten Sturmkolonnen gegen die Schanzen vor. »Nach kaum einer halben Minute knatterte ihnen auf allen Linien das feindliche Gewehrfeuer entgegen, dem sich das Kartätschfeuer anschloß. Viele stürzten, doch vorwärts ging es mit Hurra. Nichts war im Stande, das Vordringen der Kolonnen aufzuhalten oder ihre Ordnung zu zerstören.« Bis auf 15 Schritt drang Hölzer mit seinen Kompanien an Schanze 3 vor. Pioniere versuchten, ihnen einen Weg zum Angriff vorzubereiten.

Deutsch-dänischer Krieg 1864; Düppeler Schanze Bilderarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin.

»Noch ehe sie damit fertig waren, stürmten diese heran, rannten die noch vorhandenen Hindernisse nieder oder übersprangen sie, und stürmten zusammen mit den nunmehr aufspringenden Schützen und den zu den Gewehren greifenden Arbeitern in den Graben hinab. Fünf Minuten nach zehn Uhr wehten schon mehrere Sturmfahnen auf der Brustwehr. Doch die Besatzung wehrte sich tapfer. Das Innere der Schanze war durch eine große Traverse in zwei Teile zerlegt, in denen Mann gegen Mann in großer Erbitterung kämpfte. Auch hier griffen gefangene Dänen, nachdem sie schon überwältigt waren, von Neuem zu den Waffen, fielen aber den immer zahlreicher nachdringenden Angreifern in die Hände und wurden überwältigt. Ein Teil der Mannschaften und Pioniere mit Hölzer an der Spitze stürmten dem abziehenden Feind nach und beteiligten sich darauf an der Wegnahme der Schanze 4 und der Eroberung von Schanze 7 und 8 sowie den weiteren Kämpfen in der Richtung auf den Brückenkopf. . .

Der Verlust der Pioniere belief sich auf ein Mann tot, sechs schwer verwundet, von denen zwei Mann später im Lazareth ihren Wunden erlagen; ein Offizier, durch einen Prellschuß am Knie und ein Mann leicht verwundet.«

Die gesamten Befestigungsanlagen und die Insel Alsen wurden erobert. Die preußische Armee hatte ihre durch König Wilhelms Heeresreform wiedergewonnene Kraft unter Beweis gestellt. Im Wiener Frieden kam Schleswig-Holstein unter preußisch-österreichische Verwaltung.

Der Lohn des Sieges

Hölzer wurde vom König am 10.3.1864 für Missunde belobt. Im Mai erhielt er den Roten-Adler-Orden IV mit Schwertern, die Kreuze von Alsen und Düppel sowie eine schleswig'sche Kriegsgedenkmünze. Am 7. 6. 1864 wurde er für seintapferes Verhalten bei Düppel in den erblichen Adelsstand erhoben. Nun war er berechtigt, ein Wappen zu führen. Sechsmal geteilt war der Schild mit drei schwarzen Balken auf silbernem Grund. Über dem Schild zwei rote Schwerter, die auf den Roten-Adler-Orden hinweisen; darüber ein Spangenhelm mit der Adelskrone von drei Blatt- und zwei Perlenzinken; an dem Helm auch deutlich sichtbar der blaue schleswiger Löwe mit der roten Zunge. Am Unterrand des Wappens rankte sich das Inschriftenband »18. April 1864«.

Im Juni 1864 veranstaltete der Dauner Männergesangverein in Verbindung mit der Dauner Bürgerschaft im Saale Gander eine begeisternde Feier zu Ehren des tapferen Bürgers. Ein Chronist schreibt; »Das Festbankett stand völlig im Zeichen des für die Vaterstadt Daun freudigen Ereignisses. Der Gesangverein spendete die schönsten patriotischen Chöre zur Verschönerung des denkwürdigen Tages.« Dirigent bei dieser Feier war der vier Jahre ältere Bruder von Carl Lambert, der spätere Bürgermeister Edmund Hölzer.

Wappen von Carl Lambert Hölzer, Daun.

Die große Siegesparade

Das Kriegsergebnis zweier Großmächte gegen das kleine Dänemark wurde im Dezember 1864 in Berlin mit stolzem Pomp gefeiert. Die Straße »Unter den Linden« war mit Kränzen, Blumen, Girlanden und Fahnen geschmückt. Sie wurde zu einer »via triumphalis«, über die »die braven Stürmer von Düppel und Alsen, die der grause Tod verschont hatte«, schritten und die »Brust vor vaterländischem Stolze« bei den Tausenden applaudierenden Berliner Zuschauern heben ließ.

Theodor Fontäne schilderte diesen Vorbeimarsch sehr anschaulich und humorvoll:

» Wer kommt? Wer? —

Fünf Regimenter von Düppel her,

fünf Regimenter vom dritten Korps

rücken durchs Brandenburger Tor,

 Prinz Friedrich Karl, Wrangel, Manstein,

 General Röder, General Canstein,

 fünf Regimenter vom Sundewitt

rücken sie an in Tritt und Schritt.

Wer kommt? Wer? —

Zuerst die Achter. A la bonne heure!

Die Achter! Hut ab, Sapperment,

Hut ab vor dem Leibregiment!

Was sich Vater Yorck nicht scheute,

können wir auch, müssen wir heute.

Schanze Neun und Schanze Drei

war keine Spielerei.

Hut ab und Hurra ohne End

Allemal hoch, das Leibregiment!

 

Wer kommt? Wer? —

Hurra, die Vierundzwanziger,

guten Tag, guten Tag, ganz gehorsamst

Ihr Diener,

hurra, das sind ja meine Ruppiner,

flinke Kerle ohne Flattusen,

grüß dich Gott, Görschen und Brockhusen! —

Möchte manchen von euch umhalsen,

Düppel war gut, besser war Alsen, —

's war keine Kunst, Euch half ja die Fee,

die Wasserfee vom Ruppiner See.

 

Wer kommt? Wer? —

Hurra, die Vierundsechziger.

Hurra, die sind wieder breiter und stärker,

das macht, es sind richtige Uckermärker.

Die sind schon mehr für Kolben und Knüppel,

conferatur Wester- und Osterdüppel,

verstehen sich übrigens auch auf Gewehre,

 siehe Fohlenkoppel und Arnkiel-Oere,

 fünfzig dänische Feuerschlünde

 können nichts gegen Prenzlau und

Angermünde.

Wer kommt? Wer? —

siliere Fün funddreißiger.

Hurra, das wirbelt und schreitet geschwinder,

gewiß, — das sind die Berliner Kinder!

Jeder, als ob er ein Gärtner wäre,

trägt drei Sträuße auf seinem Gewehre.

Gärtner freilich, — begraben, geschanzt,

dann sich selber eingepflanzt,

eingepflanzt auf Schanze Zwei—

die flinken Berliner sind vorbei!

 

Wer kommt? Wer? —

Hurra, unsere Sechziger.

Oberst von Hartmann, fest im Sitze,

grüßt mit seiner Säbelspitze.

Hut ab und heraus die Tücher

weiß Gott, das sind unsere Oderbrücher.

Keine Knatterer und bloße Verschluser,

lauter Barnimer und Labuser,

fest im Tritte, frank und frei,

Major von Jena ist nicht dabei.

 

Wer kommt? Wer? —

Artillerie und Ingenieur; —

Elfte Ulanen, Zielen-Husaren,

Paukenwirbel und Fanfaren.

Halt! — Der ganze Waffenblitz

 präsentiert vor König Fritz.

Alles still, kein Pferdegeschnauf,

zehntausend blicken zu ihm auf,

 der neigt sich leise und lupft den Hut:

»Concediere, dat warjut!«

Von Hölzers weiterer Lebensweg

1864 kam von Hölzer zur Festungsanlage Magdeburg. Dort wurde er zwei Jahre später zum Premier-Lieutenant ernannt. Im Krieg 1870/71 nahm er an den Kämpfen bei Vionville, Gravelotte, Orleans und Le Mans teil, erhielt das Ei- serne Kreuz und wurde zum Hauptmann und Kompaniechef befördert. Von 1874 bis 1883 war er maßgebend beim Ausbau der wichtigen Festung Straßburg beteiligt. Dabei wurde Hölzer beschrieben als »ein sehr geschickter Ingenieur-Offizier, der sehr fleißig war, über große Arbeitskraft und gute militärische und technische Kenntnisse verfügte«. Mit zahlreichen Ehrungen, Orden und Auszeichnungen ließ er sich 1891 als Oberst in den Ruhestand versetzen, da er nach eigenen Angaben ein Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit, eine starke Nervosität bei geringen Anlässsen, Herzklopfen und schlechten Schlaf verspürte.

1911 wurde ihm der Charakter eines Generalmajors verliehen. Am 10. 10. 1919 verstarb er im hohen Alter von 82 Jahren in Berlin-Charlottenburg und wurde auf dem Invaliden-Friedhof beigesetzt. Aus seiner 1872 geschlossenen Ehe entstammten zwei Töchter. Der Name und der Adelstitel »von Hölzer« sind in Berlin und in Daun ausgestorben. Erinnerungen an diesen Mann aber sollten fortbestehen.