Am Asseberg

Ein Impressum im »Grünen Dom« eines Buchen-Hochwaldes

Otto Jung, Daun

Folgen wir nordwestlich von Daun der Bundesstraße 421 Daun - Dockweiler. Nach etwa einem Kilometer gelangen wir zur langen Geraden: im Volksmund die »lang Fuch« = lange Fuge genannt. Dort führt halblinks ein Feldweg zum Asseberg. Wir betreten einen herrlichen Hochwald.

Der Botaniker findet dort eine interessante Waldflora. Auf etwas tiefgründigem, humosen Boden entdecken wir in großen, dichten Trupps das ausdauernde Bingelkraut (Mercurialis perennis) mit dunkelgrünen Blättern: nickendes Perlgras (Melica nutans). Seine frischgrünen Grasbüschel mit feinen braunen Ähren wiegen sich im Sommerwind

An blühenden Pflanzen entdecken wir das weißblühende Waldlabkraut (Galium silvaticum), im Jugendstadium dem Waldmeister sehr ähnlich, aber durch die Farbe (Blätter unterseits blaugrün) und Geruchlosigkeit zu unterscheiden. Dann den Waldmeister (Asperula odorata), den vielblütigen Salomonssiegel oder die Weißwurz (Polygonatum multiflorum), die Zahnwurz (Dentaria bulbifera), eine dem Wiesenschaumkraut ähnliche Pflanze. Sie hat wie diese blaß-lila-rosafarbige Blüten. In den Blattachseln erkennen wir die kleinen schwarzen Brutzwiebeln. Diese fallen später zu Boden. Dadurch vermehrt sich diese Pflanze, denn selten finden wir den Samen.

Das gelbblühende Springkraut (Impatiens nolitangere) wächst hier zahlreich. Es ist ein Kräutchen »Rühr-mich-nicht-an«, denn beim Berühren der Samenschoten fliegen die Samenkörner in hohem Bogen zur Erde. Vereinzelt finden wir die große Klette (Arctium lappa) mit großen rhabarberähnlichen Blättern und die knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa). Sie hat unscheinbare, purpurbraune Blüten. Im moderigen Laubhumus, an schattigen Stellen, entdecken wirdie Vogelnestorchidee (Neottia nidus avis). Diese Orchidee, ohne Blattgrün, ohne weitere Farben, eine lichtbraune bis dunkelbraune Pflanze mit schlanken Stengeln und schlichten Blüten. Der Wurzelstock dieser Orchidee besteht aus einem dichten Büschel wurmförmiger Sprosse, weiche einem Vogelnest ähnlich sind, daher der Name. Vielfach wächst daneben die gelbe Taubnessel oder Goldnessel (Lamium galeobdolon) mit schönen, silberweiß gefleckten Blättern. Als typischer Buchenbegleiter breitet sich der gefleckte Aronstab (Arum maculatum) aus, eine Kesselfallenblume. Die grünlichgelben Blüten sind einer unserer altbekannten Zimmerpflanzen, der Calla, sehr ähnlich. Die schönen roten Früchte leuchten im Spätsommer weithin. Der Aronstab gilt als giftigste Pflanze unserer Flora (s. Jahrbuch 1981, Werner Schwind, S. 114-118).

Wenig auffällig begegnet uns der Mauerlattich (Lactuca muralis), eine Komposite, d. h. Korbblütler mit hellgelben Blüten, und das Rupprechtskraut mit zartrosa Blüten, eine Storchschnabelart, benannt wegen der storchen-schnabelähnlichen Früchte.

Wir steigen den Berg hinauf und entdecken noch einige Schönheiten unserer Pflanzenwelt. Da leuchtet uns eine der schönsten Glockenblumen unserer Wildflora, die pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) mit den großen, hellblauen Blüten entgegen. Am Wegesrand wie im Bergbereich lagern gewaltige Felsbrocken. Aus dieser Blocklava ist nach starker Vulkantätigkeit ein herrlicher »Wald-Steingarten« entstanden. Er läßt jedem Naturfreund das Herz höher schlagen.

Die zum Teil stark bemoosten Basaltfelsen sind oft mit niedrigen Farnkräutern, dem Tüpfelfarn oder Engelsüß (Polypodium vulgäre) und mit Efeu (hedera helix) bewachsen. Zwischen den Lavablöcken sehen wir prächtige, große, grüne Trichter mit feinzerschlitzten Farnwedeln. Gleich drei Farnarten stellen wir fest: 1. den Wurmfarn (Nephrodium filix mas); 2. den Dornfarn (Nephrodium spinulosum); 3. den Frauenfarn (Athyrium filix femina).

Nachdem wir den Asseberg (601 m) bestiegen haben, entdecken wir noch einige interessante Vertreter der Wildflora. Es sind dies die Berg-Platterbse (Lathyrus montanus), Blüten purpurn, zuletzt blau; ferner das Lungenkraut (Pulmonaria obscura) und noch einige Orchideen, wie die breitblättrige Sumpfwurz (Epipactis latifolia). Deren Blüten sind grün bis rötlich, also relativ unscheinbar, ihr Duft lockt Insekten zur Bestäubung an. Sie ist keineswegs eine reine Sumpfpflanze, wächst vielmehr in Buchen- und Laub-Mischwäldern und ist eine der zuletzt blühenden Orchideen.

Über die Südseite des Berges wandern wir zurück. Dabei entdecken wir eine sehr seltene Orchidee, das schwertblättrige Waldvöglein (Cephalanthera longifolia) mit weißen Blüten sowie eine unserer beliebtesten Waldblumen, das giftige Maiglöckchen (Convallaria majalis). Wir verlassen eine urtümliche Waldlandschaft im Raum des großflächigen Landschaftsschutzgebietes zwischen Uess und Kyll.