»Jodokus«, Eifelpoet aus Duppach

Ein Pseudonymus besinnlich-heiterer Heimatliteratur

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Professor Matthias Weber (Köln) beendete seine Reportage über Wiesbaum im Heimatjahrbuch des Kreises Daun 1983 mit einem Gedicht von »Jodokus« und vermutet als Verfasser »einen anonymen Eifelpoeten Ende des 19. Jahrunderts«. In der Tat: Dieser Poet ist unter seinem Pseudonym heute unbekannt, leider fast vergessen. Dabei hat sich dieser begabte Eifler hohe, bleibende Verdienste erworben, an die wir uns dankend erinnern sollten.

Hinter dem Pseudonym »Jodokus« verbirgt sich der 1857 in Duppach, einem Ort im Kreise Daun (damals Kreis Prüm) geborene Josef Meyer. Nach dem Besuch der dörflichen Volksschule arbeitete er vier Jahre in der Landwirtschaft seiner Eltern. Doch ihn zog es hin zum Lehrerberuf. Vier Jahre lang war er Lehreraspirant, studierte drei Jahre in Kornelimünster und wirkte anschließend sechs Jahre als Pädagoge. Seiner Berufung folgend, trat er am 30.7.1887 als Bruder Wendelin in das Missionshaus Steyl ein. Dort wurde er mit der Verbreitung der hauseigenen Schriften betraut. Erstmals schrieb er eigene Beiträge für den Steyler Kalender und die »Stadt Gottes«, zum ersten Male verfaßte er ein Gedicht, dem noch Hunderte in Deutsch und Englisch, in Lied- und in Dialektform folgten.

Im Missionshaus Steyl eröffnete sich ihm ein weites Arbeitsfeld. Er schrieb: »Die Eltern und alle Geschwister meiner Mutter waren nach Nordamerika ausgewandert; auch ein Bruder meines Vaters, drei meiner Geschwister, eine große Zahl von Vettern und Kusinen. Ich selbst hatte schon als 15 jähriger Bursche auswandern wollen, wurde dann aber Lehrer und trat schließlich in Steyl ein. Da kam der trockene Sommer 1893 mit der ganz schlechten Ernte. Wie sollen wir da unsere Kalender in Deutschland verkaufen? Damals kam mir das erste Mal der Gedanke: Wir könnten unsere Zeitschriften in Nord-Amerika verkaufen. Ich habe die Idee Herrn Dr. Abel, dem Redakteur, unterbreitet; er aber hielt nicht viel davon. Es gäbe nur wenige deutsche Katholiken drüben und die wohnten zerstreut. Doch Bruder Wendelin wußte zu überzeugen und 1895 wurde er vom Stifter der Steyler Mission, Arnold Janssen, nach Nordamerika gesandt; erfolgreich, denn bald hatte er dort über 10 000 Kalender verkauft. Dann bereitete er eine englische Ausgabe vor. Gleichzeitig hielt er • Ausschau nach Möglichkeiten für eine Steyler Niederlassung. In der Nähe Chicagos wurde Land gekauft und zusammen mit P. Peil eröffnete er eine Handwerkerschule für Jungen, die mit 14 Jahren das nahegelegene Waisenhaus verließen.

Die Chronik berichtet:

»Zur Grundsteinlegung brachte ein Sonderzug aus Chicago mehrere hundert Festgäste, darunter 50 Priester. Die erste Rede war englisch, die zweite deutsch. Dann kamen von Steyl Brüder, Meisterin ihrem Handwerk, zur Ausbildung der Jungen: Schneider, Schuhmacher, Schreiner, Schlosser, auch Setzer und Drucker; zu den Werkstätten gehörte auch eine kleine Drukkerei. Wenn man eine Druckerei hatte, konnte man eine Zeitschrift herausgeben. 1902 erschien das Amerikanische Familienblatt für die deutschsprechende Bevölkerung, gelesen von 10 000 Abonnenten. In Chicago allein gab es mehrere große deutsche Pfarreien. 1906 folgte eine englische Zeitschrift: »The Christian Family«. Eine kleine Eisenbahnstation in der Nähe wurde nach der Technischen Schule »Techny« genannt. Techny wurde durch seine Drucksachen unter den Katholiken Nordamerikas so bekannt wie Steyl in deutschen Landen und noch mehr.«

Bruder Wendelin wirkte unermüdlich an dieser Pionierarbeit, an diesem Werk, als dessen geistiger Vater und Mitbegründer er gilt. Längere Zeit konnte er kaum literarisch tätig sein. Seine Devise lautete:

»Heiter sein, geduldig leiden,

schaffen, sinnlos Treiben meiden;

kämpfen, nach dem Himmel streben:

Regel für das Pilgerleben.«

Doch später ließ die hektische Betriebsamkeit der Gründungs- und Aufbaujahre in den USA etwas nach und Bruder Wendelin fand wieder Muße und Zeit, sich seiner geliebten Literatur zuzuwenden. Seinen »guten und getreuen Freunden hüben und drüben widmete er in dankbarer Verehrung« kurz vor seinem Tode einen Gedichtband. »Frohe Sänge«, eine Fundgrube amüsanter und beschaulicher, lustiger und besinnlicher Gedichte, Lieder und Gebete wie auch Sagen und Legenden. An Anregungen fehlte es Bruder Wendelin, dem Wilhelm Busch der Eifel, nicht, denn »schon als Knabe hatte ich in den Spinnstuben den Märchen, Sagen, Fabeln, Ritter- und Räubergeschichten mit großer Spannung gelauscht. Die Vorliebe für volkstümliche Literatur blieb mir fürs Leben. Ich fand später vielfach Gelegenheit, meine Kenntnisse darin zu erweitern durch einschlägige Schriften und Unterhaltung mit gut geschulten Landsleuten. Namentlich fand ich auf meinen ausgedehnten Reisen häufig Gelegenheit, mit literarisch gebildeten Männern in Verbindung zu treten und die heimatliche Literatur kennenzulernen. Sinn für Humor und Liebe zum Gesang waren von alters her Erbstücke in unserer Familie gewesen, und diese waren nun für mich eine wertvollere Mitgift als ein Sack voll Geld. Anekdoten und drollige Begebenheiten konnte ich leicht behalten, dieselben ausmalen und so Freunde und Bekannte oftmals erheitern.«

Im Januar 1927 verstarb dieser unermüdliche Pionier christlicher Missionstätigkeit in Techny, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand. Geduldig und froh bis zu seinem Ende blieb er stets seiner so fernen Eifler Heimat verbunden, die er in der neuen Welt bekannter und liebenswerter machte. Für uns sammelte er erhaltenswerte Überlieferungen aus unserem Raum, die sonst möglicherweise verlorengegangen wären. So bleibt auch das Vorwort seines Büchleins »Frohe Sänge« ein Testament des Frohsinns und der Heimatverbundenheit. Eine Verpflichtung für uns, Jodokus ehrende Anerkennung zu zollen und ihn vor dem Dunkel der Vergessenheit zu bewahren.

»Unsere Literatur ist nun, trotz der schreibseligen Zeit, durchaus nicht zu reich an humoristischen Erzeugnissen, und so möchte ich ein Scherflein beitragen zu ihrer Vervollständigung. Es geht auf die siebzig zu mit mir, da kann man nicht mehr auf viele Jahre rechnen, und da ich mündlich nicht oft mehr den Erzähler machen kann, will ich meine Feder in den Dienst der guten Sache stellen.

Solange das Brünnlein meines Humors noch rinnt und der Boden meines Gedächtnisses nicht gar zu löchrig wird, sammelte ich die hervorquellenden Tröpflein, um Freunden und Landsleuten eine kleine Erquickung kredenzen zu können. Es sei dies ein Zeichen der Liebe zur angestammten Heimat sowohl als der dankbaren Erinnerung an so viele gute Freunde, die mich als Joseph Meyer, Lehrer Meyer oder Bruder Wendelin gekannt haben.«

Literatur:

Jodokus: Frohe Sänge, Techny 1925. Fritz Bornemann: Geschichte der Gesellschaft, Rom 1981; Erinnerungen an P. Arnold Janssen, Rom 1974; Arnold Janssen, der Gründer des Steyler Missionswerkes, Steyl 1970.

Foto: Bruder Heinz Helf SVD/Steyl