Vom Ermland nach Daun

400 Jahre Katharinenschwestern — In Liebe und Freude gedient 

P. Lothar Groppe (SJ), Berlin

Eigentlich sind es schon 410 Jahre seit dem Beginn im ermländischen Braunsberg, der katholischen Enklave Ostpreußens. 1571 gründete die erst neunzehnjährige Regina Protmann mit zwei anderen jungen Mädchen eine religiöse Gemeinschaft, um armen und kranken Menschen zu dienen.

Die Protmanns hielten treu zum überlieferten katholischen Glauben, was damals keineswegs selbstverständlich war. Hatte doch Markgraf Albrecht von Brandenburg, der damalige Hochmeister des Deutschen Ritterordens, 1525 das Ordensland Ostpreußen als weltliches Herzogtum an sich gerissen und in ihm die Reformation eingeführt. Unter den 14 Ratsherren Braunsbergs gab es bereits mehrere, die der neuen Lehre zuneigten. Dank des seelsorglichen Eifers des bedeutenden ermländischen Fürstbischofs, Kardinal Stanislaus Hosius, fanden die Ratsherren bis auf zwei zum katholischen Glauben zurück. Braunsberg und mit ihm das ganze Ermland, bewahrten dem katholischen Glauben die Treue, ja, blieben inmitten des protestantischen Ostens ein Bollwerk des Katholizismus bis in unsere Tage.

Der Vater Reginas war ein wohlhabender Kaufmann. Die Eltern blickten mit Stolz auf ihre hübsche, kluge Tochter. Sie würde eine glänzende Zukunft haben. So traf ihr plötzlicher Entschluß, mit dem Leben einer verwöhnten Bürgerstochter zu brechen und sich von allem zu trennen, ihre Angehörigen wie ein Schock. Handelte es sich vielleicht um eine Mädchenlaune, um aufzufallen und von sich reden zu machen? Niemand fand für diesen Schritt Verständnis. Wir wissen heute noch nicht genau, wie es bei Regina zum radikalen Bruch mit der Vergangenheit kam. Sicher war es nicht irgendeine Art von Weltschmerz oder Liebeskummer, der in ihr den Gedanken an ein neues Leben weckte.

Die drei Mädchen zogen zunächst zu einer Witwe. Doch schon bald siedelten sie in ein altes, verfallenes Haus über, wo sie vor der zudringlichen Neugier ihrer Mitbürger sicherer waren. Dort litten die drei große Armut, Hunger und Kälte. Die kleine Gemeinschaft wollte beschauliches und tätiges Leben miteinander verbinden. Armut, Arbeit und Askese sollten ihr Leben bestimmen. Aber bei allem Idealismus blieb Regina nüchtern und realistisch. Ihre Gemeinschaft brauchte eine feste Ordnung. So schrieb sie die ersten Statuten, denn »kein Maurer kann ohne Richtscheit sein«. In ihnen zeigte sich der gesunde Hausverstand der jungen Patriziertochter. »Sie, die Regina, machte gute Ordnung für das Haus. Sie setzte eine bestimmte Zeit für das Gebet, eine bestimmte Zeit für die Gewissenserforschung, eine bestimmte Zeit für die Handarbeit, eine bestimmte Zeit für die Unterhaltung und das Stillschweigen fest. Alle ihre Mitschwestern haben sich freiwillig dazu verpflichtet und eine jede wartete ihres anbefohlenen Amtes ohne Spaltung, ohne Zwietracht, ohne Widerrede«, wie ihr erster Biograph, ein unbekannter Priester, schreibt.

Es ist schon erstaunlich, daß ein blutjunges Mädchen ohne jegliche klösterliche Erfahrung und Vorbild echt klösterlichen Geist, der sich von aller Überspanntheit fernhielt, zu wecken und zu bewahren wußte. So fiel ihr in der jungen Gemeinschaft die Rolle der Oberin ohne ausdrückliche Wahl wie selbstverständlich zu. Zur Patronin der kleinen Schar wählte Regina die hl. Katharina von Alexandrien, der die Pfarrkirche von Braunsberg geweiht war. In den damaligen klausurierten Klöstern wurde zwar das Chorgebet gepflegt und auch Askese geübt, aber man kannte weder schwere Handarbeit noch wirkte man m die Welt hinein. Mit großer Klarsicht machte Regina die lebendige Einheit von Gebet und Arbeit zum Grundelement ihrer Gemeinschaft, so wie es einst Benedikt von Nursia gefordert hatte. Doch im 16 Jahrhundert war ein solcher Neubeginn selbst für fromme Christen geradezu eine Provokation. Möglicherweise empfanden die wohlsituierten Burger und Kaufleute das Verhalten der Patriziertochter auch als stummen Protest und Vorwurf gegen ihr eigenes behäbiges Leben, dessen Mittelpunkt nicht Gott war, sondern Geschäft und Besitz. So sagte sich auch ihre Familie von ihr los. Regina fand sich bald »von allen Menschen verlassen« 

Zunächst mußten sich die Mädchen ihren Lebensunterhalt mit Waschen verdienen. Später wurde ihnen die Besorgung der Altarwäsche und das Anfertigen von Paramenten anvertraut. Auf die Dauer drängte es die Gefährtinnen freilich mehr und mehr danach, sich der zahllosen Armen und Kranken anzunehmen, die niemanden hatten, der sich um sie kümmerte. Das gab Anlaß zu neuen Tuscheleigen und Kopfschütteln Freilich dürfen wir nicht übersehen, daß es für die damalige Zeit unerhört, ja schockierend war, daß junge Mädchen ohne Begleiter Kranke in ihren Häusern besuchten, an ihren Betten wachten und notfalls sogar über Nacht bei ihnen blieben. Doch nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, daß hier ein neuer Geist wehte, der zwar die gewohnten Formen sprengte, aber doch offenbar segensreich war.

So klopften im Lauf der Jahre mehr und mehr Bürgertöchter an die Pforte des Hauses in der alten Kirchgasse und baten um Aufnahme in die klösterliche Gemeinschaft Doch von allem Anfang an betonte Regina den Ordenscharakter ihrer Gründung. Wer sich ihr anschließen wollte, mußte bereit sein, eines Tages die drei Ordensgelübde abzulegen, wenn die kirchlichen Behörden die junge Stiftung erst einmal billigen würden. Aber hier gab es schier unüberwindbare Schwierigkeiten.

Papst Bonifatius VIII. hatte 1298 für alle Frauenklöster die strenge Klausur zwingend vorgeschrieben und das erst vor wenigen Jahren zu Ende gegangene Trienter Konzil (1545 -1563) hatte diese Bestimmung erneut eingeschärft. Doch wie sollten sich die jungen Mädchen der Kranken und Hilflosen annehmen, wenn die strenge Klausur sie hieran hinderte? Man erinnere sich, wie lange und zunächst vergeblich die hl. Angela Menci (1474 -1540), die Stifterin der Ursulinen, um Anerkennung ihrer neuen Lebensform gekämpft hatte! Nahezu unvorstellbar waren die Schwierigkeiten, denen sich Maria Ward (1585 - 1645), die Gründerin der Englischen Fräulein, gegenübersah. Ihre Kongregation wurde sogar erst 1877 bestätigt!

Nach menschlichem Ermessen mußte Reginas Vorhaben zum Scheitern verurteilt sein. Daß ihr in unglaublich kurzer Zeit dennoch ein voller Erfolg beschieden war, der sie zur Wegbereiterin vieler moderner Krankenpflegeorden werden ließ, ist sicher nicht allein ihrer Tatkraft, noch weniger hoher Protektion zuzuschreiben. Hier war offenbar die göttliche Vorsehung am Werk. Mit Hilfe der Jesuiten entwarf Regina die »kurtzen regelln«, die Lebensform und Aufgaben der klösterlichen Gemeinschaft bestimmten Handarbeit, Krankenpflege und Madchenerziehung sind Ziel und Inhalt ihres Apostolats neben Gebet und Sorge für die Braunsberger Pfarrkirche. Die erste Regel wurde am 18. März 1583 von Bischof Martin Kromer vom Ermland bestätigt Dieser Tag wurde zur Geburtsstunde der »Kongregation der Schwestern von der hl. Jungfrau und Martyrm Katharina«, wie der offizielle Name des ältesten deutschen Frauenordens lautet, der seit seiner Gründung ununterbrochen fortbesteht. Bischof Kromer hatte sich schon als Koadjutor des nach Rom berufenen Kardinal Hosius der Katharinenschwestern warmherzig angenommen Als er 1579 dessen Nachfolger auf dem ermländischen Bischofsstuhl wurde, verstärkte er noch sein Engagement für die junge Gemeinschaft. Er ließ ihr ein neues Ordenshaus bauen und versorgte sie mit den notwendigsten Lebensmitteln und Brennholz. Ferner befreite er die Schwestern von allen öffentlichen Abgaben und unterstellte sie seiner geistlichen Gerichtsbarkeit. Nunmehr konnten sich die Katharinchen, wie die Schwestern m Ostpreußen liebevoll genannt wurden, noch intensiver um die Kranken kümmern, nachdem ihnen die Sorge um das tägliche Bort genommen war. 15 lange Jahre hatte sich der Braunsberger Konvent in bitterster Armut durchschlagen müssen, ohne in seiner Liebestätigkeit zu erlahmen. Später gestand Regina, daß diese Jahre schwer, arbeitsreich und überaus armselig gewesen seien.

1586 wagte Regina Protmann die erste Tochtergründung in Wormditt, ein Jahr später in Heilsberg, wo seit Jahrhunderten die ermländischen Bischöfe residierten. Als die Katharinerinnen 1593 das Beginenkloster in Rößel übernahmen, war Bischof Kromer schon gestorben. Aber sein Beispiel hatte auch andere, Domherren wie Laien, bewogen, in Testamenten und Stiftungen den Schwestern die erforderlichen Mittel zukommen zu lassen, die Neugründungen ermöglichten. Während die Beginenhäuser ausstarben, baten immer wieder junge Mädchen um Aufnahme bei den Katharinenschwestern.

12 Jahre nach ihrem Weggang aus dem Elternhaus nahm Regina ein weiteres Werk in Angriff. Noch drückender als die leibliche Not empfand sie das geistige Elend der Armen, die niemals geregelten Unterricht hatten. Für die Jungen sorgten in Braunsberg die Jesuiten, die damals natürlich keine Mädchen in ihr Gymnasium aufnahmen. Regina begann mit einer Art Elementarschule, die allen Mädchen Braunsbergs offenstand und in der sie wenigstens Lesen, Schreiben, Rechnen und die religiösen Grundwahrheiten lernten.

1602 wurde unter Bischof Tilicki, dem Nachfolger Kromers, die Regel überarbeitet. Dies war notwendig geworden, weil, wohl unter dem Einfluß der Jesuiten, als neues Ordensziel die Erziehungstätigkeit hinzugekommen war. Die neue Fassung wurde am 12. März 1602 am Königshof zu Wilna unterzeichnet und durch den päpstlichen Nuntius Claudius Rangoni auch kirchlicherseits bestätigt.

Über 40 Jahre leitete Regina Protmann die Ordensgemeinschaft und gönnte sich auch im Alter keine Ruhe. Regelmäßig visitierte sie die Konvente. Als sie am 18. Januar 1613 nach achtwöchigem Krankenlager starb, betrauerten sie nicht nur ihre 34 Mitschwestern, sondern Tausende, die durch sie die »Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Heilandes«, erfahren hatten!

Lange Jahre blieb die Gründung auf das ostpreußische Ermland beschränkt. So blieb die Zahl der Schwestern recht klein. 1745 zählte die Kongregation 80 Mitglieder. Trotz Krieg, Vertreibung und Pest widmeten sich die Katharinerinnen unermüdlich den Werken der christlichen Nächstenliebe, getreu den Idealen Mutter Reginas. Besonders schwer wurde die Gemeinschaft durch die Säkularisation und die Napoleonischen Kriege getroffen. Nur ihre Armut schützte sie vor der Auflösung. Mit den preußischen Schulgesetzen um 1800 gewannen auch die Klosterschulen im Ermland an Bedeutung. Nach und nach übernahmen die Katharinenschwestern neben Braunsberg auch in anderen Städten Ermlands Schulen. 1868 zählte die Gemeinschaft 139 Schwestern. Ab 1860 trat die Krankenpflege wieder mehr in den Vordergrund. Diese Maßnahme bewahrte die Kongregation vor der Auflösung; denn im Kulturkampf wurden 1875 alle Orden aufgehoben mit Ausnahme derer, die sich der Krankenpflege widmeten.

Die vielfachen Nöte des Kulturkampfs veranlaßten die Schwestern, im Ausland nach neuen Aufgaben Ausschau zu halten. 1877 übernahmen sie eine deutsche Schule in Helsingfors, Finnland. 1896 gingen Katharinerinnen in das englische Industriezentrum Liverpool. 1897 wurden sie von den Franziskanern nach Brasilien gerufen. Ein bereits 1673 in Litauen gegründetes Kloster konnte sich trotz mannigfacher Schwierigkeiten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behaupten.

Nach Beendigung des Kulturkampfs erlebten die Orden in Deutschland einen neuen Frühling. Die Katharinerinnen übernahmen Krankenhäuser, Heilanstalten, Gemeindepflege, Pensionate und Waisenhäuser in fast allen Orten des Ermlands. Um 1900 gehörten der Kongregation 277 Ordensfrauen an. Den bisher zahlenmäßig größten Umfang erreichte sie 1933 mit 1037 Schwestern. Heute sind es etwas weniger als 1 000.

1908 kamen die ersten Katharinerinnen nach Berlin. In der Gemeinde Corpus Christi, im Osten der Stadt, widmeten sie sich der ambulanten Krankenpflege, 1918 kamen Hedwigsheim und Bahnhofsmission dazu. 1929 kam es dann zum Bau des St.-Gertrauden-Krankenhauses. In 1 1/4 Jahren wurden auf 30 000 m2 der gesamte Gebäudekomplex fertiggestellt. Am 5. November 1930 konnte das Haus mit über 580 Betten seiner Bestimmung übergeben werden. Es galt damals als eines der modernsten und fortschrittlichsten Krankenhäuser überhaupt. Das St.-Gertrauden-Krankenhaus verfügt über 11 Fachabteilungen und nimmt pro Jahr etwa 13500 Patienten auf. Daneben werden über 23 000 Patienten in der Ersten Hilfe oder in den Sprechstunden der Ärzte ambulant behandelt. Die Verweildauer beträgt heute im Durchschnitt 14 Tage.

1934 wurden die deutschen Niederlassungen der Katharinerinnen in zwei Provinzen geteilt, die Provinz Ermland mit den Häusern östlich und die Provinz Berlin mit den Häusern westlich der Weichsel. Letztere zählt heute in sechs Häusern rund 100 Schwestern. Je ein Gemeindehaus befindet sich in Ostberlin und Effelder/ Eichsfeld.

Der Weg nach Daun

Am 1. August 1951 übernahm die Berliner Provinz auf Wunsch der Franziskanerinnen von Waldbreitbach deren Krankenhaus »Maria Hilf« in Daun mit 68 Betten, einschließlich derer in Baracken. Die katholische Pfarrgemeinde erweiterte das Haus auf 120 Betten. 1972 wurde das Krankenhaus abermals erweitert und verfügt jetzt über 239 Betten. Neben 17 Katharinerinnen arbeiten hier 107 freie Schwestern.

1954 begann die Krankenpflegeschule mit 20 Schülern. Heute hat sie deren 80. Die Prüfungsergebnisse dieses Jahres waren besonders erfreulich. Vier Schüler bestanden ihr Examen mit »sehr gut«, 15 mit »gut« und sieben mit der Note »befriedigend«.

Im Lauf des Jahres 1982 wurden 6118 Patienten stationär behandelt. 1951 betrug die durchschnittliche Verweildauer ca. drei Wochen, heute 14 Tage. Die ursprünglich vorhandene Kinderstation wurde inzwischen aufgelöst. Die kleinen Patienten werden nunmehr in Wittlich versorgt. Das Krankenhaus Maria Hilf verfügt über folgende Stationen: die chirurgische mit Unfallstation, die innere, gynäkologische (mit über 300 Entbindungen im Jahr), die urologische und die Hals-Nasen-Ohrenstation. Daneben gibt es eine selbständige interdisziplinäre Intensivstation. Zahlreiche Jugendliche, Jungen wie Mädchen im Alter von 15-16 Jahren, leisten freiwillige Sonntagsdienste.

Am 11. Juni 1983 weihte Diözesanbischof Dr. Hermann Josef Spital das Seniorenhaus »Regina Protmann« ein. Mit ihm wurde eine Versorgungslücke für die Betreuung älterer Menschen geschlossen, die in liebevoller Geborgenheit ihren Lebensabend verbringen wollen. Insgesamt 120 Plätze gibt es dort in Ein- und Zweizimmerwohnungen. Erstere haben eine Fläche von 42 m2, die Zweizimmerwohnungen von 64,07 m2. Die Wohnungen sind so angelegt, daß auch Behinderte sie mit dem Rollstuhl erreichen können. An Gemeinschaftseinrichtungen stehen den Bewohnern ein Bewegungsbecken und eine Kegelbahn zur Verfügung. An Aktivitäten werden Musik, Gymnastik, Basteln, Malen usw. angeboten.

Neben dem Wohnbereich gibt es einen Betreuungsbereich für Senioren, die noch für sich selbst sorgen können, aber für die Haushaltsführung auf Unterstützung angewiesen sind. Im Betreuungsbereich sind Einbettzimmer mit einer Fläche von 33,80 m2 die Regel. Im Pflegebereich werden Kranke und Gebrechliche voll versorgt. Hier haben die Einbettzimmer 18,85 m2, die Zweibettzimmer 26,60 m2 Wohnfläche. Falls die Senioren eigentlicher Krankenhauspflege bedürfen, steht hierfür das Krankenhaus zur Verfügung.

Die westdeutsche Provinz

ist wesentlich größer. Sie zählt in 18 Häusern 284 Schwestern. Die Katharinerinnen wirken hier in einem Sanatorium in Bad Orb, in Krankenhäusern von Kanten, Hamburg-Wilhelmsburg und Frankfurt sowie in Wohnheimen, Kindergärten und Altenheimen.

Am stärksten breitete sich der Orden in Brasilien aus. Dort gibt es in zwei Ordensprovinzen 51 Niederlassungen mit 420 Schwestern. Seit kurzem unterhalten die Katharinerinnen im Amazonasgebiet eine kleine Station unter den indianischen Eingeborenen.

Hohe Opfer des Krieges

Die Ereignisse des letzten Krieges brachten für den Orden, vor allem durch Flucht und Ausweisung, eine entscheidende Wende. Von den Schwestern in Ostpreußen kamen 427 in den Westen, 102 verloren ihr Leben. Mehrere wurden beim Einmarsch der Roten Armee ermordet, andere starben an den Folgen der erlittenen Mißhandlungen, an Typhus, allgemeiner Schwäche und dergleichen. Immerhin blieben noch 93 Schwestern in der alten Heimat. Unermüdlich gingen sie ans Werk und bauten unter großen Schwierigkeiten die Wirkungsstätten Mutter Reginas wieder auf. So in Braunsberg, Wormditt und Heilsberg. Der Konvent in Rößel wurde von polnischen Schwestern übernommen. Heute verfügt die Provinz Polen über 23 Niederlassungen mit 104 Mitgliedern.

Jubiläen haben nicht nur den Sinn, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Ihre Bedeutung kann sich nicht einmal im Dank gegen die göttliche Vorsehung erschöpfen, die bisweilen spürbar ihre Hand über die Stiftung gehalten hat. Es gilt auch, eine Standortbestimmung vorzunehmen, zu überprüfen, ob man dem Gesetz, unter dem man einst angetreten ist, die Treue gehalten hat. Dies ist im wesentlichen Aufgabe der Gemeinschaft selbst. Das ursprüngliche Arbeitsfeld hat sich geweitet, oder vielleicht richtiger, den modernen Erfordernissen angepaßt. Für die Ausstrahlung nach außen dürfte es mehr und mehr von Bedeutung werden, auch den Menschen, die kein Gespür dafür haben, zu verdeutlichen, daß die drei klassischen Ordensgelübde keinen Selbstzweck haben, sondern die Gelobenden befähigen sollen, nach dem Beispiel des Herrn, der nicht kam, um sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen, für die Menschen ganz verfügbar zu sein. Dies war das Anliegen Mutter Reginas, sich vorbehaltlos der Kirche zur Verfügung zu stellen, »damit Christus, dem Herrn, sorgfältiger gedient werde«.