Wie in alten Zeiten gebacken wurde

Alois Thielen, Gillenfeld

 

Es war wieder einmal soweit! Der Brotvorrat neigte sich dem Ende zu. Man mußte daran denken, neues zu backen. Die Bäuerin ging deshalb zum Backhaus, um dies anzumelden und um gleichzeitig zu erfahren, welche Familie beim nächsten Backen dabei war und die Reihe an sie käme. Die Reihenfolge, wer an welcher Stelle ans Backen kam, wurde ausgelost. Einer, es war derjenige, der auch im Dorfe als Ausscheller gewählt war, nahm Strohhalme als Lose in die Hand. In verschiedenen Längen, von des Ausschellers Hand halb verdeckt, mußte jede Bäuerin eines der Lose ziehen. Somit wurde entschieden, wer erste, zweite, dritte oder vierte beim Backen war. Diejenige, die den längsten Halm zog, war erste. Sie konnte zuerst anbak-ken, mußte aber auch den Backofen anheizen. Es konnte sein, daß längere Zeit nicht gebacken worden war, dann mußte jede zusätzlich eine Schanze Reiser geben.

Die Reiserschanzen wurden im Laufe des Jahres aus den ersteigerten Reiserschlägen, und zwar aus dem geästeten Kleinholz zusammengerafft und gebunden. Es gab aber auch eine Möglichkeit, sich vor dem Anheizen zu drücken. Man tat sich einfach mit einer Bäuerin zusammen, die ein kürzeres Los gezogen hatte. So kam man zwar später zum Backen, aber auch an der mühseligen Arbeit des Anheizens vorbei. Man hatte sich zwar damit das lästige Anheizen erspart, aber mehr als einmal auch den Zorn derjenigen auf sich gezogen, die als zweite ans Backen kam, denn diese mußte jetzt anheizen. Nachdem die Bäuerinnen ausgelost hatten, wer an welcher Stelle zum Backen kam, begaben sie sich nach Hause und begannen mit den Vorbereitungen. Sie deckten die Mohle ab und scharrten die restlichen Teigkrümel vom letzten Ansetzen des Brotteiges zusammen. Die restlichen Teigkrümel, vom letzten Backen übriggeblieben, waren nötig, um den »richtigen« Brotteig zu bekommen. Mit flinken Händen zerrieb und zerquetschte die Bäuerin die im trockenen Mehl gewälzten Teigkrümel und mengte sie mit lauwarmem Wasser zu einer klebrigen Masse an. Sie mußte dabei immer darauf achten, daß die aufgeweichten Krümelchen alle zerdrückt waren, da sich sonst nach dem Backen im Brot kleine Teigknübbelchen wiederfanden, was dem Bauern beim Essen des Brotlaibes die Stimmung für den ganzen Tag nehmen konnte. Die Vorbereitungen zum Backen traf die Bäuerin am Vorabend, denn der Sauerteig mußte eine ganze Nacht lang »gehen«.

Des Morgens beim ersten Sonnenstrahl setzte sie die Arbeit fort. Die im Backen erfahrene Bäuerin begann das Roggenmehl mit Wasser zu vermengen und unter ihren flinken Händen entstand eine zähe Masse neuen Teiges, der nun mit dem angesetzten Sauerteig verknetet wurde. Hierdurch wurde bewirkt, daß diese Masse zu gären begann. Nach ungefähr zwei Stunden war der Gärungsvorgang soweit fortgeschritten, daß die Hausmutter abwägen konnte, wie viele Brote sie backen mußte. Dann begann sie den Teig zu salzen und unter Zugabe von Wasser und mit Beimischen von weiterem Roggenmehl zu der gewünschten Menge zu kneten. Diese Arbeitsvorgänge wurden alle zu Hause in der Küche und zwar in der Backmohle geknetet. Die Backmohle war früher die Backstube der Bäuerin. Die Mohle hatte von außen die Form eines Tisches, wenn sie mit der Abdeckplatte zugedeckt war. Wurde sie jedoch genutzt, hob man die Arbeitsplatte ab und so hatte man eine U-förmige Mulde (daher rührt der Name »Mohle«) vor sich. Nachdem die Menge des Teiges feststand, ließ man diese pappige Masse nochmals ca. 11/2 Stunden stehen und begann sie dann erneut kräftig durchzukneten. Traditionsbewußt und vom tiefen Glauben herrührend, drückte die Bäuerin mit der Außenkante der Hand die Form des Kreuzes auf die gesamte Teigmasse. Nach kurzem Verweilen begannen die Hände der Bäuerin mit einer Routine und Beweglichkeit, Teile der Teigmasse abzutrennen und in kugelförmige Portionen zu teilen. Damit die Masse nicht an den Händen kleben blieb, tauchte sie diese zwischendurch immer wieder in das neben der Teigmasse liegende trockene Mehlhäufchen. In die aus Stroh geflochtenen Brotkurbeln, welche bereits neben der Mohle aufgestapelt und mit Mehl bestäubt waren, wurden nun nacheinander die einzelnen Teigportionen hineingelegt und man ließ diese solange gehen, bis sie die Brotkurbel randvoll ausgefüllt hatte.

Derweil diese Arbeiten von der Bäuerin durchgeführt wurden, war der Bauer damit beschäftigt, den Backofen gut anzuheizen. Dabei hatte er kaum Zeit, zwischen dem Nachschieben der Schanzen genüßlich seine Pfeife zu rauchen. Durch das gute Anheizen begann sich das Steingewölbe des Ofens langsam weiß zu färben. War dies erreicht, ließ der Bauer seiner Frau durch die vor dem Backhaus spielenden Kinder sagen, daß sie zum Backen kommen sollte. Nachdem der Ofen also seine Temperatur erreicht hatte, begann der Bauer mit dem Kessel, das war eine Stange, an der vorne ein halbrundes Brett als Schaber befestigt war, den Backofen von den Überresten der Glut und der Kohle zu reinigen. Anschließend nahm er eine Stange mit einem angefeuchteten Lappen, die sogenannte »Laak« und entfernte damit die letzten Aschenreste aus dem Backofen. Diese Kohlenasche wurde in einer Ecke des Backhauses aufgehäuft und nachdem der letzte gebakken hatte, nahm jeder sich einen Teil davon mit nach Hause als Brandmittel oder zu Tierheilzwecken.

Um festzustellen, daß der Backofen nicht zu stark angeheizt war, nahm der Bauer die Schees, das Einschiebebrett der Brotlaiber, zur Hand, steckte eine Roggenähre in einen aufgeplatzten Ritz der Schees und schob diese in den Backofen. War die Roggenähre angesengt, war der Ofen zu heiß.

Mittlerweile war die Bäuerin mit dem Handwägelchen, auf dem die Brotkurbeln aufgestapelt waren, eingetroffen. Sie nahm die gefüllten Brotkurbeln nacheinander und stülpte sie, nachdem das »Backes« die richtige Temperatur hatte, auf die Schees. Sie nahm die Brotbürste in die freie Hand und bestrich den Teig mit Wasser. Danach drückte sie mit Daumen und Zeigefinger leicht in die geformte Teigmasse und schob sie mit der Schees in den Backofen. Mit dem Eindrücken der Finger verhinderte sie das Auseinanderborsten des Brotes während des Backvorganges. Jetzt zeigte sich, was mit Bauerhand in vielen Arbeitsgängen verrichtet wurde. Das Äußere der Teigmasse begann langsam Farbe zu bekommen und ein aromatischer Duft drang durch die Verschlußklappe des Backofens in das Backhaus. Bis auf die Straße roch man den würzigen Duft und manche Bas, die an der offenstehenden Backhaustür vorbeikam, blieb auf ein Schwätzchen. So verrann die Zeit, bis nach ca. 1 Vz Stunden das Brotfertiggebacken aus dem Backofen genommen werden konnte. Die frischgebackenen Brotlaiber wurden mit der »Brotbiescht« gut naß abgewaschen und wieder in den noch heißen Ofen geschoben. Durch dieses Abwaschen und Nachbacken erhielten die Brote eine schöne braune »Kuscht« (Kruste). Dieses Nachbacken dauerte ca. 2 Minuten bis die Brote endgültig fertig waren, um sie auf die »Balten« (Regale) zu legen und auszukühlen. Zu guterletzt wurden die Brote mit dem Leiterwägelchen nach Hause gefahren. Dort stellte die Bäuerin die einzelnen Brotlaiber zum Ausschwitzen auf die Stufen der zum Speicher führenden Holztreppe und tagelang durchzog der Duft frischgebackenen Brotes das ganze Haus.

 

Das Vorrecht der Bäuerin war es, das Brot anzuschneiden. Doch bevor sie dies tat, vergaß sie nie, auf die flache Seite des Brotlaibes das Kreuzzeichen zu machen. Dieser Brauch hat sich bis heute in vielen Familien erhalten.

Besondere Leckerbissen aus dem Backhaus

1. Besonders vor den Kirmestagen herrschte im Backhaus reger Betrieb. Wenn das ganze Dorf zu diesem Feste rüstete, war die Bäuerin dabei, die Wecken und Kuchen zu backen. Traditionsgemäß wurden zu diesen Tagen die Kirmeswecken, sowie Hefeweck, Zimt-, Apfel- und Zwetschenkuchen und der originale »Eifeler Birrebunnes« gebacken.

2. Sobald das allgemeine Backen beendet war, wurden in dem noch heißen Backofen der Deppekuchen (Reibekuchen mit Fett) sowie die Backeskartoffen (geschälte, gesalzene und mit Butterflöckchen besetzte Kartoffeln) gebacken.

3. Im Herbst trocknete man über Nacht in dem auskühlenden Backofen Obst. Hierbei handelte es sich um Zwetschen, Äpfel- und Birnenstücke. Diese waren eine besondere Verlockung für die Dorfjugend. Mehr als einmal geschah es, daß der eigentliche Besitzer morgens auf leere Backbleche schaute.

Die Hitze des Backofens wurde außerdem von Bauern des Dorfes zur Stielherstellung für Arbeitsgeräte genutzt. Von »Hesseln« (Haselnußhecken) geschnittene Stöcke, die als Stiele für Rechen, Mistgabeln und Heugabeln gebraucht wurden, trockneten sie in den beiden Zuglöchern oberhalb des Backofens. Dadurch wurde die Rinde spröde, ließ sich gut abschälen und das Holz wurde gleichzeitig gehärtet. Das Backhaus gewährte manchem Tippelbruder und Handwerksburschen zum Übernachten Obdach und nicht selten fand sich auch ein Liebespaar darin ein, besonders in kalten Wintertagen.