Der Burberg bei Schutz

Eine befestigte Zufluchtsanlage aus dem 4. Jahrhundert n. Chr.

 Dr. Karl-Josef Gilles, Trier

Waren sie frei von Angst und Not, die alten Zeiten? — Soll die Angst ein verbreitetes Symptom nur unserer Tage sein? — Die Geschichte lehrt uns, daß die Menschen zu keiner Zeit frei von Angst und Furcht waren. Nur der Beherzte vermochte sie vielleicht besser zu überwinden. Das Handeln der Menschen wurde nicht erst im Zeitalter modernster atomarer Waffen durch Angst beeinflußt. Nein, im Laufe der Jahrhunderte litten ganze Völker darunter und versuchten mit den unterschiedlichsten Mitteln und Maßnahmen, ihr zu begegnen.

Noch in den letzten Kriegstagen, als die Front beharrlich näher rückte, suchten sich Menschen abseits der Kriegsfurie in einsame und entlegene Täler, selbstgebaute Hütten oder Höhlen zu retten. Dieses Bestreben läßt sich über das ganze Mittelalter und die Spätantike bis weit in die Vorgeschichte zurückverfolgen. Auch in unseren Wäldern haben sich solche Zufluchtsstätten erhalten, von denen eine, der Burberg bei Schutz, hier einmal näher beschrieben werden soll. Keine Überlieferung, keine Chronik zeugt davon, wer die auf dem Burberg gelegenen Befestigungsanlagen einst errichtet hatte. Somit sind wir einzig auf die Ergebnisse der archäologischen Forschung angewiesen, die zumindest etwas Licht in das Dunkel vergangener Tage bringt.

Der Burberg, der unter der einheimischen Bevölkerung auch unter den Namen Burg-, Buer-oder Berensberg bzw. Schutzer Kopf bekannt ist, liegt nordwestwestlich des Dorfes Schutz und bildet eine weithin sichtbare, nach Süden teilweise abgebrochene Lavakuppe, die rund 170 m aus dem Tal der Kleinen Kyll und des Walmerbaches hervorragt. Auf seiner halbkreisförmigen, nach Nordosten relativ steil abfallenden Gipelfläche beobachtet man zahlreiche Spuren einer älteren Befestigungsanlage, die aufgrund der bekannt gewordenen Funde in die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. datieren.

Felskammern an der Abbruchkante im Süden des Burberges.

Erste Untersuchungen waren auf dem Burberg bereits gegen Ende des letzten Jahrhunderts vorgenommen worden. Ausführlich berichtet darüber die 2. Beilage der Kölnischen Zeitung vom 17. 10. 1897 Nr. 930. Erst in jüngerer Zeit ist der Platz mehrfach von Mitarbeitern des Rhein. Landesmuseums Trier begangen und vermessen worden. Danach ergibt sich nachstehend aufgezeigtes Bild.

Über die gesamte, nach Norddosten geneigte Gipfelfläche haben sich Spuren von mehr als 13, stufenförmig angelegten Felskammern mit nahezu senkrechten Wänden, waagrecht ausgehobenen Böden, vereinzelten Nischen sowie Schlitzen und Pfostengruben zur Aufnahme von Ständerpfosten oder Deckbalken erhalten. Die einzelnen Kammern erreichen durchschnittlich eine Länge von 4 m, eine Breite von 3,5 m und eine Höhe von mehr als 3 m, so daß sie wie jene auf der Entersburg bei Hontheim (Kreis Bernkastel-Wittlich) vom Rhein. Landesmuseum Trier in den Jahren 1978 und 1979 untersuchten spätrömischen Felskammern offenbar mehrgeschossig waren. Während die tiefer gelegenen Kammern weitgehend verschüttet sind, vermitteln derzeit nur die teilweise abgebrochenen und in die Tiefe gestürzten Räume der obersten Terrasse (vgl. Abb.) einen Eindruck von der ursprünglich recht dichten Bebauung der Bergkuppe. Die Kammern selbst umgab eine gemörtelte Umwehrung, die allerdings im Laufe der letzten Jahrhunderte ausgebeutet wurde, sodaß sich ihr Verlauf nur noch anhand von Mörtelkonzentrationen verfolgen läßt. Verschleppte Steine mit Mörtelspuren aus dem tiefer gelegenen Hang lassen auf Buntsandstein, Grauwakke und Schiefer als Baumaterial schließen. In der Nordwestecke der ummauerten Siedlungsfläche ist heute noch eine in den Fels gehauene, etwa kreisrunde Zisterne von 2 m Durchmesser sichtbar. Sie war bereits im letzten Jahrhundert ausgehoben und bis zu einer Tiefe von 2,5 m wieder zugeschüttet worden.

Die Zugangsseite im Nordwesten war besonders befestigt. Hier zeichnen sich vor der weitgehend ausgebrochenen Umwehrung und einer kurzen Böschung ein 15 m langer, rund 4 m breiter und noch bis zu 1 m tiefer Abschnittsgraben ab. Davor liegt eine wallartige Aufschüttung (Breite 5 m, Höhe bis 1 m), eventuell auch ein zweiter schwächerer Graben.

Nach den vorliegenden Fundgegenständen, darunter elf Bronzemünzen der Kaiser Constans (337 - 350), Magnentius (350 - 353) und Decentius (351 - 353), die zwischen 346 und 353 in Trier, Lyon oder Arles geschlagen wurden, Eisenschlacken und zahlreichen Keramikscherben, war die Bergkuppe — wohl über längere Zeit — in der Mitte des 4. Jahrhunderts aufgesucht. Offenbar hatte hier die Bevölkerung der Umgebung Zuflucht gesucht und sich ein festes Domizil errichtet, das ihnen Schutz gegen die sich in dieser Zeit häufenden Germanenüberfällen gewähren sollte. Den verheerendsten dieser Übergriffe im Jahre 355, bei dem weite Landstriche in Eifel und Hunsrück verwüstet wurden, dürfte unsere Befestigungsanlage nach den aufgefundenen Münzen nicht überdauert haben. Danach ist der Platz, dem nach der Sage auch eine Raubburg oder ein »Tempelherrenschloß« zugeschrieben wird, nie wieder aufgesucht worden.