Die römische Villa von Immerath

»Versunkenes Schloß« — aber nicht vergessen

Anton Sartoris, Immerath

Unter der Überschrift »Ein neuentdecktes versunkenes Schloß« in der Eitel« berichtet Dr. P. Steiner im »Trierischen Volksfreund« vom 6. Mai 1931 über die Freilegung der Grundmauern einer »römischen Villa« im Immerather Talkessel, ca. 600 Meter östlich des Dorfes. Es handelt sich um den westlichen Flügel einer großen Villa mit gut erhaltenen Baderäumen und von ausgezeichneter Bauweise. Sie erstreckt sich anscheinend von Westen nach Osten (zum Berg) und hatte ihre Front nach Süden. Es sind 15 Räume angeschnitten und mehr oder weniger freigelegt, vermessen und photographiert worden. Die Scherbenfunde weisen in das 4., aber auch noch in das 3. Jh. nach Chr. Sonstige Fundstückewaren spärlich. Bemerkenwert sind einige Stempel, die auf dem Tubuli eines der heizbaren Zimmer festgestellt wurden: ADIVTE-CE (2), derselbe mit Vorsatz BEL.L: (3) und noch 2 weitere mit ADIVTECE von anderem Typus.

Dr. Steiner schreibt: »Der Erhaltungszustand war durchweg recht gut, die Mauertechnik ausgezeichnet. Einige heizbare Räume im nördlichen Teil waren im besonders guten Zustand mit ihren auf runden Ziegelpfeilerchen ruhenden dicken Estrichböden aus Ziegelkleinschlag in weißem Kalkmörtel, und der vor den Wändenhochgeführten Kachelverkleidung hinter Mörtelputz. Auch eine eingetiefte, sorgfältig ausgeputzte Kaltwasserwanne von 2,55 m Länge und 1,85 m Breite, in welche drei Stufen hinabführten, war nebst ihrem bleiernen Abflußrohr gut erhalten.

Bei unserer Immerather Villa würden die Haupträume, in welchen Mosaikböden (sofern sie vorhanden waren) zu suchen wären, weiter nach dem Berg zu liegen. Nach dem verhältnismäßig guten Erhaltungszustand der am Rand gelegenen Bauteile dürfte man jene Haupträume in noch wesentlich besserem Zustand zu finden hoffen, da sie höher verschüttet sind. Die Möglichkeit, daß dort Mosaikböden noch unversehrt in der Erde ruhen, ist sonach durchaus nicht von der Hand zu weisen. Denn nach den sichtlich großzügig angelegten Baderäumlichkeiten zu urteilen, stand hier einst ein besonders prächtiges Schloß.

Es gewinnt noch eine besondere Bedeutung durch Ziegelstempel, welche sich auf einigen Heizkästen in den Badezimmern fanden. Diese Fabrikstempel — übrigens sind es, soviel ich sehe, die ersten im Trierer Land auf Heizkacheln — stammen alle aus der bei den Trierer Kaiserbauten so häufigen Adiutece-Offizin. Es sind bisher drei verschiedene Typen festgestellt auf acht Stück. Einer dieser Typen ist fünfmal vertreten und lautet bei drei so: BEL-E/: ADIV-TECE, bei zweien aber, die ebenfalls vollständig erhalten sind, nur ADIVTECE. Hier ist also die Matrize um den Anfang BEL E gekürzt, das heißt, diese vier, einen Personennamen angehenden Buchstaben waren von der Holzplatte des Stempels abgeschnitten worden, vermutlich weil der betreffende darin genannte Ziegelstreicher aus irgend einem Grunde seine Arbeitsstelle hat verlassen müssen. Die beiden ändern Typen lauten ohne Beinamen nur Adiutece.

Nun ist es an sich schon etwas Ungewöhnliches, wenn einmal in einer römischen Villa, von denen viele Hunderte bekannt und auch ausgegraben sind, sich Ziegelstempel finden. Vollends sind Ziegelstempel, wie sie an den Trierer Kaiserbauten verwendet wurden, selten. Denn diese zweifellos in kaiserlichem Auftrag durch behördliche Stellen aufgeführten Bauwerke waren fiskalisch und wurden als solche von fiskalischen Fabriken (Domänen) beliefert, welche an Private zu liefern kaum berechtigt gewesen sein dürften. In einer Arbeit über Trierische Ziegelstempel im Trierer Jahresberichte X und XI, 1917/18 (Trier 1920, S. 15: Einige Bemerkungen zu den römischen Ziegelstempeln aus Trier) schrieb ich auf Seite 27 als Ergebnis meiner Forschungen folgenden Satz: »Also: die Capionazi-, die Adiutice-, die Armotriaci-Ziegel sind Erzeugnisse staatlicher Großbetriebe. Deren Hauptvertrieb fällt in die Zeit lebhaftester Bautätigkeit um die Wende des 3./4. Jahrh., in die diacletianisch-konstantinische Kaiserzeit. Sie lieferten weithin, jedoch nur für staatliche bzw. kaiserliche Bauten.«

Wenn diese These richtig ist, was ich immer noch glaube, dann müßte der Erbauer des Schlosses oder zum wenigsten der, welcher das Bad hat einrichten lassen, in irgendeinem amtlichen Verhältnis zu staatlichen Dienststellen gestanden haben. Vielleicht genügten einmal persönliche Beziehungen in diesem Sonderfalle, wo es sich um ein Spezialfabrikat handelt, aber um Kacheln von besonderer Abmessung, (24,5 x 20,5 x 13 cm) und Einrichtung (seitliche Ausschnitte in Form von zwei mit der Spitze gegeneinandergestellten Dreiecken). Verständlicherweise reicht das, was bisher mehr zufällig als in bestimmter klarer Fragestellung ermittelt wurde, nicht aus, um zu entscheiden, ob hier tatsächlich das Schloß vielleicht eines Staatsbeamten, eines Domänenherrn, eines kaiserlichen Höflings gestanden hat. Man könnte m. E. sogar an Mitglieder der kaiserlichen Familie selber denken, die hier in der frischen Eifelhöhenluft ein Landhaus gehabt hätten. Denn sicherlich hat der Kaiserhof mehrere, man darf annehmen, viele herrliche Schlösser auf dem Lande gehabt, nicht nur die eine uns zufällig durch Decrete bekannte Villa auf dem Kirchenhügel von Konz.

Das darf ohne Übertreibung gesagt werden: »hier ist das Schloß eines reichen Grundherrn aus dem 3. - 4. Jahrhundert nach Chr. versunken und vergessen«.Soweit Dr. Steiner. Das Schloß ist wohl »versunken«, aber nicht vergessen. Alle Immerather Bürger wissen um diese ehem. Villa, besonders auch ihre Lage. Leider ist 1930/31 die Anlage nicht vollständig freigelegt worden, obwohl die Besitzer der Grundstücke damit einverstanden waren, sondern wurden die freigelegten Mauern bereits damals wieder mit Erdreich zugeschüttet.

Bei der in den Jahren 1954/57 durchgeführten Flurbereinigung wurde das zuständige Kulturamt Mayen auf das Vorhandensein dieser Villa aufmerksam gemacht. Wie das Kulturamt Mayen dann später mitteilte, hatte es sich an das zuständige Landesmuseum in Trier gewandt und angefragt, ob das betreffende Gelände mit neu verteilt werden könnte oder für weitere Freilegungen bereitgehalten werden sollte. Das Landesmuseum teilte dem Kulturamt mit, daß kein Interesse für weitere Nachforschungen bestünden, da derartige Anlagen mehrfach im Bezirk Trier vorhanden und vollständig freigelegt wären. Das Gelände wurde also mit aufgeteilt und befindet sich wie früher in Privatbesitz.

Quellen:

a) »Trierischer Volksfreund« vom 6.Mai 1931; b) Trierer Zeitschrift, Vierteljahreshefte für Geschichte und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete, Trier 1931, Jahrgang 6, Heft Nr. 4