Waren die Kurfürsten tierfeindlich?

Als die Spatzen noch auf der Fangliste standen ...

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Wer erfreut sich nicht am Gesang der Vögel? Wer erwartet nicht sehnsüchtig die Rückkehr der Zugvögel, die den Sommer ankünden? Wer wäre so hartherzig, daß erden gefiederten Sängern keinerlei Nahrung anböte in der so harten Winterzeit? Mit Sicherheit wohl niemand, selbst wenn er sich noch so sehr ärgert über all die Spatzen, die die sprießenden Pflänzchen im Garten bevorzugen, über die Amseln, denen die Erd- und Johannisbeeren so gut munden, über die Stare, die Obst- und Weinanbauer schier zur Verzweiflung bringen.

Die Europäische Vereinigung hat Richtlinien erarbeitet, in denen es u. a, heißt: ». . . untersagen die Mitgliedstaaten sämtliche Mittel, Einrichtungen oder Methoden, mit denen Vögel in Mengen oder wahllos gefangen oder getötet werden . . . «. Stürme der Entrüstung brechen los, wenn man vom organisierten Vogelfang und -mord in fernen Ländern erfährt, und tierliebende Menschen fordern energische Bestrafung jener Tierfänger.

Dies war nicht zu allen Zeiten so, im Gegenteil: Vor über 200 Jahren wurde man bestraft, wenn man gewisse Vogel- und Tierarten nicht tötete. So hatte laut kurfürstlicher Weisung vom 12. 9. 1748 »jede Ehe binnen Jahresfrist zehn Spatzenköpfe bei der Amtsbehörde« abzuliefern. Diese Verordnung wurde 1765 erneuert und dahingehend erweitert, daß diese Spatzenköpfe genau am 1. April abgeliefert werden mußten. Für jeden fehlenden Kopf waren drei Kreuzer zu zahlen.

Mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, ohne Gewehr zehn Sperlinge zu fangen, denn der Gebrauch von Feuerwaffen war verboten. Ebenfalls wurde zeitweise angeordnet, daß die Untertanen im Kurfürstentum Trier bis auf wenige Ausnahmen ihre Hunde abschaffen mußten. Allerdings daraus den voreiligen Schluß zu ziehen, der erzbischöfliche Kurfürst wäre tierfeindlich gewesen, ist falsch. Seine Entscheidungen waren getragen von tiefer Sorge um das leibliche Wohlergehen seiner Untertanen. In der damaligen Zeit, in der Kunstdünger und heutige Ackerbaumethoden unbekannt waren, in der es noch keinen internationalen Handel und nur winzige landwirtschaftliche Parzellen gab, herrschten mehr Hungersnöte und Mißernten, Not und Elend in den kurfürstlichen Landen als der Bevölkerung und ihrem Landesherren lieb waren.

Deshalb konnte auch niemand mit gutem Gewissen tatenlos zusehen, daß zu den unbeeinflußbaren klimatischen Verhältnissen sich auch noch tierische »Schädlinge« an dem Wenigen gütlich taten. Das Bibelwort »Sie säen nicht und ernten doch«, durfte hier nicht gelten. So gesehen waren die Verordnungen des Kurfürsten durchaus legitim und verständlich, um die »dem Fruchtbau nachteiligen Tiere zu vermindern«.

Auch Kampf gegen Ungeziefer

»Ehrenbreitstein, den 13. September 1749. Bei der in den fürstlich wirtzburg- und churmainzischen Landen durch große Schwärme geflügelter Heuschrecken entstandenen Landplage, und bei der Gefahr, daß dieses Ungeziefer seine Richtung in das Erzstift Trier nehmen könne, werden die in Österreich und in den vorbezeichneten Gebieten gegen dasselbe angewendeten Vertreibungs- und Zerstörungsmittel publicirt und die Beamten angewiesen, dieselben, bei wirklichem Einzüge der Heuschrecken, unter Concertirung wechselseitiger Hülfeleistung der Unterthanen, zur allgemeinsten Anwendung zu bringen.«

Wie diese Mittel aussahen, erfahren wir aus der Anweisung, die drei Tage später an die Lokalbehörden erging. Es wurde befohlen, den Ort, an dem die Heuschrecken abends einfallen, morgens vor Sonnenaufgang ganz mit Stroh zu bestreuen und anzuzünden sowie die benachbarten Behörden sofort über das Eindringen des Ungeziefers zu informieren.

1762 wird landesherrlich verordnet, »daß ein Jeder, wes Stands und Würden er auch immer seye, von nun an und so fort alle Jahr, vor Anfang des Frühlings, die Obstbäume und Hagen (Hecken) von dergleichen schädlichen Ohnge-ziffer, mit Herabmachung und Zernichtung der Geweb und Nester durchaus reinigen sollen. Wie dann zugleich der Übertretter und Verächter eines also gnädigstheilsamen landesfürstlichen Edikts, für ein jedes auf seinen Bäumen und Hage zurücklassendes Nest, in 4 Albus herrschaftlicher Strafe verfallen zu seyn, hiermit erklärt wird«. Diese Verordnung scheint nicht streng genug befolgt worden zu sein, denn sie wurde 1773 und 1774 erneut befohlen.

1771 erläßt die kurfürstliche Regierung von Ehrenbreitstein aus, daß wegen den obwaltenden Frucht-Notzeiten »außer denen zur Jagd Berechtigten, Metzgern, Hirten, und auf den entlegenen Höfen und Mühlen wohnenden Hofleuten, sämtliche Unterthanen, die nicht unumgänglich-nöthig habende Hunde, unter Straf eines Goldguldens, sogleich abschaffen solle«. Die Ortsbeamten sollen diese Vorschrift steng handhaben und die eingehenden Strafgelder zum Unterhalt der Armen und Notleidendenverwenden.

Es waren also sinnvolle Verordnungen und Anweisungen, die auch heute noch regional in abgewandelter Form durchgeführt werden. Man erinnere sich nur an die mühseligen Sammelaktionen der Schuljugend, die dem Kartoffelkäfer galten, an die heutige chemische Vernichtung von Maikäfern und Raupen und an die vielfältigen Methoden, Vögel aus Weinbergen und Obstkulturen zu vertreiben.

Abschließend sei aufgezeigt, daß die Kurfürsten sehr wohl tierliebend waren. In der umfangreichen Forstordnung von 1720 sind dazu klare Beweise zu finden. 1769 wird das vielfach übertretene Verbot des Einfangens und des Aushebens der Vögel energisch erneuert, nämlich, »daß derjenige welcher sich künftig unterfangen würde einiges Gevögel, besonders aber die Nachtigallen (die alleinige Spatzen und sonst schädliche Raubvögel ausgenommen) aufzufangen oder aus deren Nestern, auch nur die Eyereauszuheben, derselbe jedesmal mit einer Straf von>6 Goldgulden, fals er aber unvermögend eben so viel Tage mit der Thurmstraf bei Wasser und Brod angesehen, wenn es aber kleine Buben, dieselbe gleichoft mit Ruthen gestrichen und Größere nach Proportion mit Stockstreichen gestrafet werden sollen«.