Viel Freude beim »Eiersingen«

Erhaltenes Brauchtum im oberen Ueßbachtal

Reinhard Steffens, Berenbach

Viele der schönen und größtenteils sehr alten Bräuche unserer Vorfahren sind — Gott sei Dank—bis auf den heutigen Tag in den Dörfern unserer eifelländischen Heimat lebendig geblieben. Im Kreis Daun sind beispielsweise das »Hillichschleifen« der Dorfjugend am Polterabend oder das Abbrennen des Martinsfeuers heute noch fast überall anzutreffen.

Seltener und weniger bekannt sind solche Bräuche, die nur in ganz bestimmten Gemeinden unseres Kreisgebietes gepflegt werden. Hierzu zählt das sogenannte »Eiersingen«, das am Pfingstsonntag in den Orten Berenbach, Horperath, Mosbruch, Uess, Hörschhausen und Katzwinkel stattfindet und sich bei der Jugend großer Beliebtheit erfreut.

Am Abend des Pfingstsonntags treffen sich die unverheirateten Mädchen und Jungen des Dorfes in der Ortsmitte oder im Gemeindehaus.

Die Berenbacher Jugend auf ihrem Weg durchs Dorf.

Während es noch vor wenigen Jahren ausschließlich ein Vorrecht der männlichen Dorfjugend war die Eier einzusammeln und zu verzehren, nehmen heute in den meisten der genannten Gemeinden auch die Mädchen daran teil. Wenn alle versammelt sind, setzt sich die Gruppe geschlossen in Bewegung, einen Eimer und eine Flasche Branntwein oder Wachholderschnaps mit sich führend. Meist beginnt das Singen am ersten Haus des Dorfes. Die jungen Leute stellen sich vor dem Hauseingang auf und beginnen ihr Lied vorzutragen.

In Berenbach werden folgende Strophen gesungen:

» Wir kommen gegangen,

die Eier zu empfangen,

heisa, Liebchen fein,

so sangen uns die Vögelein.

 

Et woaren oosa dreißich,

die Hohna woaren fleißich,

se leechten jeden Daach en Ei,

do woaren' a och für oos dobei.«

 

Die Mosbrucher Jugend singt folgendes Lied:

»Hier kommen wir gegangen,

die Eier zu empfangen,

feiner Liebchen fein,

so sangen uns die Vögelein.

 

Es sind unserer viere,

kriegt jeder ein Glas Biere,

es sind unserer achte,

die Hühner haben gelachte,

es sind unserer zwölfe,

wir tun sie in die Körbe,

feiner Liebchen fein,

so sangen uns die Vögelein.

Un wenn Ihr oos keen Eier jett,

dann holen ma Euch de Hohna mett.«

In den übrigen Gemeinden werden Lieder mit gleichem oder ähnlichem Text vorgetragen. Während des Singens öffnet sich die Tür, die Frau des Hauses tritt heraus und überreicht eine mehr oder weniger große Anzahl von Eiern (meist zwei bis sechs). Als Dank für dieses Geschenk erhält sie ein Gläschen Schnaps.

Ist niemand im Hause anwesend, so sind die Gaben in einem kleinen Gefäß auf der Fensterbank oder Treppe abgelegt. Das kostbare Gut wird vorsichtig in den Eimer gelegt, und zum Schluß werden in Berenbach folgende Zeilen gesungen:

»Mir son der Frau och besten Dank,

heisa, Liebchen fein,

so sangen uns die Vögelein.«

Ausblasen und Backen der Eier.

In Mosbruch bedankt man sich mit folgendem Reim:

» Wir sagen der Hausfrau schönen Dank,

Gott segne Ihren Eierschrank,

feiner Liebchen fein,

so sangen uns die Vögelein.«

Dann setzt sich die Gruppe wieder langsam in Bewegung, um am nächsten Haus in gleicher Weise zu singen und die Eier in Empfang zu nehmen. Nach und nach füllt sich so der Eimer, während die Flasche mit dem hochprozentigen flüssigen Inhalt immer leerer wird. Wenn das letzte Haus erreicht wird, ist es meist schon sehr spät und dunkel.

Beim Aufreihen der leeren Eierschalen.

Singend marschiert die Jugend nun in Richtung Gemeindehaus, um die Eier zu verzehren. Hier werden die Hühnereier oben und unten angestochen und von mehreren Burschen ausgeblasen. Der Inhalt wird von den weiblichen Teilnehmern gebacken und auf Brotscheiben zum Verzehr dargereicht. Zum Spülen der trockenen Kehlen stehen dabei mehrere Kästen Bier bereit. Sind alle satt geworden, werden die leeren Eierschalen an einer langen Schnur aufgereiht. Diese wird dann in der Mitte des Dorfes quer über die Hauptstraße — von einer Hauswand zur gegenüberliegenden — gespannt. In später Nacht oder am frühen Morgen, nachdem viel geplaudert und gelacht wurde und vom Bier nichts mehr übrig geblieben ist, löst sich die Gesellschaft allmählich auf. Sind nicht alle Eier verzehrt worden, so werden die restlichen einem interessierten Gastwirt oder Lebensmittelhändler der näheren Umgebung verkauft.

Es muß hinzugefügt werden, daß die Eier in den Gemeinden Hörschhausen und Katzwinkel von jeher ausgeblasen und aufgehängt wurden, während man diesen Brauch in Berenbach erst in den letzten Jahren übernommen hat.

Außerdem war es in Katzwinkel noch in den 20er Jahren Sitte, am Pfingstsonntag eine junge grüne Buche aufzustellen, die dann mit den leeren Eierschalen geschmückt wurde. In früheren Jahren wurden die Eier meist in einem vorher ausgewählten Haus von einigen Dorfmädchen oder aber in der Dorfschänke zubereitet. Auch wurde das »Eiersingen« damals häufig von einem Akkordeonspieler musikalisch begleitet.

Schließlich bleibt zu hoffen, daß dieser alte Brauch von der Jugend auch weiterhin gepflegt wird, damit er kommenden Generationen erhalten bleibt.