Das spätrömische Kastell Jünkerath

 

Das spätrömische Kastell Jünkerath

Eine Befestigungsanlage mit 13 Rundtürmen

Dr. Karl-Josef Gilles, Trier-Filsch

 

Im südwestlichen Bereich des heutigen Jünkerath lag in römischer Zeit an der Fernstraße Trier - Köln ein kleineres Dorf, das in antiken Straßenverzeichnissen als »Icorigium« oder auch als »Egorigio vicus« überliefert wird. Beiderseits der Straße entstanden hier seit der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zahlreiche Wohnbauten mit einer Frontbreite von knapp 10m und einer Tiefe zwischen 15 und 24 m. Es liegt nahe, in diesen Gebäuden die Reste einer ehemaligen Straßenstation zu sehen, zu der vor allem mehrere Läden und Herbergen gehörten. Nach dem Grabungsbefund wurde der Ort nach 275/6 n. Chr. Opfer brandschatzender Germanen, die auf breiter Front in die linksrheinischen Provinzen eingebrochen waren. Nach der Lücke in der Münzreihe verging danach mehr als eine Generation bis in constanti-nischer Zeit, wohl im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts der Ort erneut aufgesucht und mit einer starken Befestigungsmauer umgeben wurde. Die Umwehrung umschloß etwa kreisförmig die Siedlung (Durchmesser 135- 145 m) und umfaßte eine Innenfläche von fast 1,52 ha. Die Mauer bestand aus einem 3,70 m breiten Gußmauerwerk, das mit Handquadern verblendet war und vor allem im Bereich der Türme zahlreiche Spolien, insbesondere Grabmalquader, aufwies. Die Befestigung selbst zeigt größere Gemeinsamkeiten mit den spätrömischen Kastellen von Neumagen und Bitburg und war wie diese auf staatliche Initiative wohl infolge der Residenzverlegung nach Trier errichtet worden, für das sie als Straßenkastell wie zahlreiche Bergbefestigungen in Eifel und Hunsrück Schutz- und Sperrfunktionen wahrzunehmen hatte.

Das Jünkerather Kastell hatte 13 Rundtürme mit einem Durchmesser von rund 10m, davon drei (D, L, N) mit einer Schlupf- oder Ausfallpforte, sowie zwei Toranlagen (A, H), vermutlich in Form quadratischer Tortürme. Ein Graben wurde bisher nicht beobachtet, sollte aber im Abstand von ± 20 m die Befestigung umgeben haben. Dürftig sind auch, verglichen mit den vorangegangenen Jahrhunderten, die Beobachtungen zur kastellzeitlichen Innenbebauung. Lediglich die Mauerreste zweier in ihrer Bedeutung unklarer Gebäude etwa im Zentrum des Kastells dürften mit der Befestigungsanlage zeitgleich sein.

Besondere Beachtung verdienen die zahlreich in der Befestigungsmauer verbauten Reliefsteine, vornehmlich Bruchstücke größerer Grabdenkmäler. Zwei sollen hier näher vorgestellt werden.

Ein Bruckstück eines zweigeteilten Reliefs aus Kalkstein (vgl. Foto) zeigt eine Wagenfahrt und eine Schiffsdarstellung. Auf dem oberen Teil erkennen wir einen zum Galopp anspringenden Hengst, von dem Kopf und Vorderbeine fehlen, sowie den vorderen Teil eines vierrädrigen Wagens. Erhalten ist ein zehnspeichiges Vorderrad sowie das vordere Ende des Leiterkastens, auf dem der Lenker sitzt. Auf dem Mittelteil des Wagens sitzt eine weitere menschliche Figur mit langem Gewand. Der untere Teil zeigt ein Schiff mit großem dreiteiligen Segel, das gerade gerefft wird, indem ein im Schiff stehender Mann es vom Mast herniedergleiten läßt. Daher erklärt sich auch die starke Bauschung des Segels, in das der Wind noch hineinfährt. Unten ist nicht der Schiffsrand, sondern ein verschnürter Warenballen sichtbar, auf dem links ein Mann sitzt, welcher ein Signalhorn zu blasen scheint.

Relief mit Wagenfahrt und Schiffsdarstellung

Relief mit Jagddarstellung

Das zweite Fragment aus rotem Sandstein zeigt auf nischenartig gehöhltem Grunde zwei nach rechts sprengende Reiter. Die Pferde sind starkhalsige Tiere mit borstiger Nackenmähne. Sie werden ohne Sattel von zwei Männern geritten die eine gegürtete Tunica und darüber einen eng anliegenden Überwurf mit Kapuze tragen. Zwischen den Pferden sind Rücken und Ohren eines oder zweier Jagdhunde sichtbar. Links wird das Bildfeld von einem im Verhältnis zur Größe der Figuren sehr wuchtigen korintischen Pilaster begrenzt.

Nach dem vorliegenden Fundmaterial — die Münzreihe bricht um 400 ab — ist davon auszugehen, daß das Kastell im Zuge der Germaneneinfälle nach 406/7 zerstört oder aufgegeben wurde. Darin ist offenbar auch der Grund zu suchen, weshalb das spätere Jünkerath — anders als Bitburg oder Neumagen — seinen antiken Namen nicht bewahrt hat und auch nicht an der gleichen Stelle wie das römische Icorigium errichtet wurde.

Heute erinnern an das spätrömische Kastell nur noch wenige Überreste. Die Straße »Am Römerwall« markiert durch ihren Halbkreis die westliche Hälfte der spätantiken Befestigungsmauer. Eher lieblos sind westlich von Turm E 13 Quader aus der Kastellmauer abgelegt, die 1978 im Zuge von Kanalarbeiten zum Vorschein kamen. Dabei wurde ohne Wissen der zuständigen Denkmalfachbehörde, die erst verspätet eingeschaltet wurde, die Türme C, D und E weitestgehend zerstört (vgl. Foto). Trotz behördlicher Auflagen wurde wenig später bei Anlage der einzelnen Hausanschlüsse es wiederum versäumt, die Fachbehörde von den Arbeiten in Kenntnis zu setzen, so daß abermals wichtige Befunde ohne fachgerechte Beobachtung verlorengingen.

Rechts die Reste des bei Kanalarbeiten im Jahre 1978 weitestgehend zerstörten Turms.

Fotos: Archiv Landesmuseum Trier

Literatur

H. Koethe, Straßendorf und Kastell bei Jünkerath. Trierer Zeitschr. 11, 1936, Beiheft 50-106 W. Binsfeld in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Band 33 (Mainz 1977) 300 - 304 K. J. Gilles in: Die Römer an Mosel und Saar (Mainz 1983) 332 - 333