Auf dem Friedhof

der evangelischen Gemeinde Daun

Elisabeth Münch, Daun

 

Eigentlich stimmt diese Überschrift — rechtlich gesehen — nicht ganz, denn der Friedhof ist, wie wohl die meisten Friedhöfe im linksrheinischen Gebiet, seit den Zeiten des Code Napoleon Eigentum der Zivilgemeinde Daun. Ursprünglich war der Friedhof einmal ein Garten. Er gehörte dem Apotheker Ludwig Biehaut, der ihn nach einer Eintragung im Kataster im Jahre 1862 der Zivilgemeinde Daun »zur Anlegung eines Begräbnisplatzes für die Evangelischen in der Gemeinde Daun« übereignete. Die Eintragung im Kataster lautet auch heute noch »Garten«, und es ist deutlich zu sehen, daß die in Klammern dabei stehende Bezeichnung »Friedhof« von anderer Hand erst später hinzugefügt worden ist.

Unwillkürlich kommen dem Betrachter, wenn er seine Blicke über den heute vom Verkehr umbrausten und so gar nicht mehr »friedlichen« Gottesacker gehen läßt, Gedanken an die »gute, alte Zeit«. Gehörte dieser Garten doch einst einem Junggesellen, eben dem Apotheker Biehaut, der ihn in seiner ganzen Größe als Garten genutzt hat. Was wurde in solch großem Garten nicht alles angebaut. Es gab noch keine Obst- und Gemüsegeschäfte, keine Konservenfabriken, keine Tiefkühltruhen, die es einer Hausfrau ermöglichten, die benötigten Lebensmittel ganz nach Bedarf täglich einzukaufen oder frischzuhalten. Wer braucht heute noch einen großen Garten? Die Zeiten haben sich sehr geändert. Damals, als aus dem »Garten« ein Friedhof wurde, waren ringsum noch Gärten, Felder und Wiesen, zu denen man von der kleinen Kreisstadt aus ein gut Stück Weges zu gehen hatte.

Nur selten kam es vor, daß einer der wenigen Evangelischen in Daun auf dem stillen Gottesacker seine letzte Ruhestätte fand. Das erste Grab auf dem Friedhof war das eines Kindes, des Söhnleins Hans vom damaligen Landrat Dr. Alwin Aschenborn. Es wurde im Jahre 1862 nach kurzem Erdendasein dort bestattet. »Das Herzblatt seiner Eltern« steht auf dem kleinen Grabstein. Wenige Jahre später, 1865, wurde der Vater, der aus Zielenzig im Osten unseres Vaterlandes stammte, hier beigesetzt. Landrat Dr. Aschenborn gehörte dem 1. Spezial-Presbyterium der Teilgemeinde Daun an, das am 26.12.1861 erstmalig unter Vorsitz des Pfarrers Lekebusch aus Wittlich zusammentrat.

Auf der anderen Seite hat im Jahre 1883 auch Apotheker Biehaut sein Grab gefunden. Manche Schnurren aus seinem Leben sind heute noch bei alten Daunern bekannt. Nach wenigen Schritten finden wir einen Grabstein, auf dem Jagdtasche und Hörn an einen Ast gehängt sind. »Jagd vorbei!« Auch für den alten Oberförster Wilhelm Müller war sie im Jahre 1877 vorbei, desgleichen für den 1888 im Alter von 48 Jahren verstorbenen Kg. Förster Adolf Winkler. »Der Kreis seinem treuen Oberförster« steht auf dem Grabstein des Oberförsters Müller. Sowohl Apotheker Biehaut als auch Oberförster Müller haben der Gemeinde jahrelang in großer Treue gedient.

Manch altem Dauner mag auch der alte Förster Eugen Ernst Glandien noch bekannt sein. Sein Schwiegersohn war der lange Jahre in Daun tätige Rektor Peter Frank. Auch ein anderer Grabstein weckt Erinnerungen an das alte Daun. Der Vater des alten »Jungs Meester« hatte sich von seiner Militärdienstzeit bei der Garde seine Frau Wilhelmine geb. Schmasow aus Berlin mitgebracht, die 1882 starb.

Am Ende des Friedhofs finden wir die Gräber der Familie von König vom Eischeider Hof. Alte Dauner werden sich noch des früheren Besitzers des Eischeider Hofs, Hans von König, entsinnen, der durch lange Jahre bis zu seinem Tode Presbyter der Gemeinde Daun war. Er starb kurz vor Ende des ersten Weltkrieges am 17.8.1918. Neben seinem Grabe ruht sein Vater, der ehemalige Polizeipräsident von Oppeln, Wilhelm von König, gest. am 6.9.1904, sowie sein Bruder Walter, gest. am 27.9.1899. Gegenüber den Gräbern der Familie von König finden wir die Ruhestätten von zwei Männern, die ebenfalls Daun eng verbunden waren, der Waldenhof war einmal ihr Eigentum. Oberst a. D. Dr. Hermann Kaufmann nahm sich aus Gram über den für Deutschland unglücklichen Ausgang des ersten Weltkrieges im Dezember 1918 in Metz das Leben. Da seine Kirche ihm deshalb das kirchliche Begräbnis versagte, ließ ihn sein Bruder Oberstleutnant a. D. Eduard Kaufmann später nach Daun überführen. Ihre unverheiratete Schwester Maria Kaufmann wurde auf dem Friedhof bei der katholischen Kirche beigesetzt. Oberstleutnant a. D. Eduard Kaufmann starb am 11.8. 1923, nachdem er 1919 seinen Austritt aus der katholischen Kirche vor dem Amtsgericht Daun erklärt hatte und zur evangelischen Kirche übergetreten war. In seinem Testament hat er der evangelischen Gemeinde noch einen größeren Geldbetrag vermacht.

Von der seit vielen Jahrzehnten hier ansässigen Familie Anschütz finden wir fünf Gräber, das des Vaters, des früheren Lokomotivführers Georg Anschütz, der lange Jahre Presbyter war, sowie die seiner Töchter Clementine, Gertrud und seiner Söhne Otto und Nikolaus.

Zwei schwere, von Efeu überwucherte Basaltplatten decken die Ruhestatt der jungen Frau Marie Roos, geb. Zeitz und ihres Kindes Ännchen. Der Ehemann von Frau Roos war Presbyter unserer Gemeinde. Der Sohn von Frau Roos, der noch Mitte der 20er Jahre in Gerolstein tätige Forstmeister Roos.

Außer dem Presbyter Anschütz finden wir die Gräber von drei weiteren langjährigen Presbytern der evangelischen Gemeinde Daun, nämlich das des im Jahre 1912 verstorbenen Steuerinspektors — so hießen die späteren Katasterkontrolleure und heutigen Katasterdirektoren — Karl Herbst sowie die Gräber des Obersteuerinspektors Karl Kliesch und seines Schwiegervaters, des Straßenbaumeisters i.R. Karl Münch, die beide 1957 starben. Manche Gräber bergen Tote, die ihr Beruf für kürzere oder längere Zeit in die Eifel verschlagen hat und deren Familien längst wieder weggezogen sind. So liegt ganz in der Nähe des Eingangs zum Friedhof das Grab von Rechnungsrat Gustav Wülfing, der beim Bau der Bahnstrecke Gerolstein-Daun-Mayen hier tätig war und am 2.10.1903 starb. Auch er war Presbyter des »Spezial-Presbyteriums Daun« wie der Kataster-Kontrolleur Emil Jerrentrup, der neben ihm zur letzten Ruhe gebettet wurde. Am Ende des Friedhofs liegt das Grab von Frau Bertha Behnke geb. Laging, der Mutter des früheren Kreistierarztes Dr. Behnke, gestorben 1921.

Mancher Grabstein ist im letzten Krieg durch Bomben beschädigt, manche Inschrift im Laufe der Zeit unleserlich geworden. Viele Gräber sind nach dem letzten Krieg dazu gekommen und mancher Grabstein erzählt von viel Not und Vertriebenenschicksal. Wo hatten, die hier nun schlafen, einst ihre Heimat? Sie kamen aus Pommern, Schlesien, Ostpreußen; wir lesen Namen wie Stolpmünde, Ohlau, Bärsdorf, Breslau als Geburtsorte. Ein Ehepaar Müller stammte aus dem Kreise Schlochau. Wir finden weiter das Grab eines Kindes Heinz Mallasch, es kam mit seinen Eltern aus Silginnen/ Ostpreußen und starb auf der Flucht im Lager Eisenach/Thüringen. Die Angehörigen brachten seine Urne mit und setzten sie hier bei. Im Juli 1967 haben die Eltern die Urne nach ihrem jetzigen Wohnort Leeste bei Bremen überführen lassen.

Zwei Gräber bergen, was sterblich war, von zwei »Brüdern von der Landstraße«, deren irdische Wanderschaft hier ihr Ende fand. Einer hatte längere Zeit im Kloster Himmerod gearbeitet. Angehörige waren nicht auffindbar, und so ging außer dem Totengräber und dem Gemeindepfarrer nur noch ein Zisterzienser vom Kloster Himmerod hinter seinem Sarge.

Der 1946 verstorbene Dipl.-Landwirt Karl Salm war als Bodenschätzer beim Luftgaukommando XII in Wiesbaden tätig. Seine Familie ist später von Daun verzogen.

Manches wäre noch zu sagen, von Toten, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. So vom alten Stallschweizer Wilhelm Christen des Eischeider Hofs, dem früheren Gendarmeriebeamten Hans Knüfermann, der nach jahrelanger Erblindung 1951 starb; ferner von dem am 1. 8.1948 beim Schwimmen im Pulvermaar bei Gillenfeld ertrunkenen Heinrich Stübler sowie von einem im ersten Weltkrieg an Wundstarrkrampf gestorbenen Soldaten. Auch der frühere Verwalter des Eifelheims, Hermann Hansen, der 1930 starb, ist hier zur letzten Ruhe gebettet. Seine Witwe zog nach dem Tode ihres Mannes mit ihren beiden Töchtern nach Sömmerda in Thüringen.

Einhundertzweiundzwanzig Jahre Friedhof für die Evangelischen der Gemeinde Daun — zugleich mehr als ein Jahrhundert Geschichte der evangelischen Gemeinde Daun, einer Diasporagemeinde, die im Jahre 1864 nur 64 Evangelische zählte und heute allein in der Kreisstadt mehr als 1000 Gemeindemitglieder hat. Nun erfolgen seit Jahren keine Bestattungen mehr auf dem Friedhof und die Toten der evangelischen Gemeinde Daun werden am Rosenberg zur letzten Ruhe gebracht. Möge der »Garten«, der ein Stück Geschichte der evangelischen Gemeinde und der Stadt Daun verkörpert, als Anlage auch in Zukunft erhalten bleiben.