Das römische Landgut im Kylltal

Grundbesitz war Voraussetzung für sozialen Aufstieg

Erwin Schöning, Gerolstein

Als Gaius Julius Cäsar 58 bis 55 v. Chr. Gallien und Teile Germaniens unterwarf, ging dieses eroberte Gebiet in den Besitz des Römischen Reiches über. Es entstanden große staatliche Domänen, die entweder dem kaiserlichen Fiscus (Finanzministerium) oder dem kaiserlichen Privatvermögen (patrimonium principis) angehörten. Daneben gab es aber auch zahlreiche private Landgüter, die dem römischen Ritteradel, den senatorischen Familien oder reichen Kaufleuten gehörten.

Der Grundbesitz war in damaliger Zeit eine wichtige Voraussetzung für den sozialen Aufstieg. Deshalb dürften die großen privaten Landgüter ausschließlich in den Besitz der führenden Schicht gewesen sein. Ebenso wie die Domänen, wurde auch ein großer Teil des privaten Grundbesitzes von Pächtern (coloni) bewirtschaftet. Es wurden Pachtverträge abgeschlossen, die üblicherweise über fünf Jahre liefen und nach Ablauf stillschweigend verlängert wurden. Unter den Besitzern gab es im 2. Jahrhundert n. Chr. auch bereits Einheimische, die als Stammesführer von Anfang an mit den Römern zusammengearbeitet hatten und dafür das römische Bürgerrecht erhalten hatten.

Es ist daher nicht auszuschließen, daß ein gewisser Marcus Victorius Pollentinus, der im Jahre 124 n. Chr. auf der Hustley zwischen Gerolstein und Pelm einen Tempel zu Ehren der Göttin Caiva errichten ließ, ein romanisierter Kelte mit römischem Bürgerrecht war. Vielleicht war er oder einer seiner Nachkommen sogar Pächter oder Besitzer der im Gerolsteiner Stadtteil Sarresdorf ausgegrabenen Villa rustica mit dem fränkischen Namen Sarabod. Daß dieser Pollentinus ein reicher Mann war, zeigt schon die Summe von 100000 Sesterzen, die er für den Unterhalt dieses Tempels stiftete, wie aus einer im Jahre 1833 gefundenen Votivtafel hervorgeht. 100 000 Sesterzen entsprechen nach dem heutigen Geldwert etwa 600 000 DM.

Im Kylltal und seiner Umgebung hat man zahlreiche Spuren römischer Siedlungen aus dieser Zeit festgestellt. Die Villa Sarabodis war eine der üppig ausgestatteten Herrensitze, wie sie reiche Städter damals oft als luxuriöse Zweitwohnungen auf dem Lande besaßen.

Unter Villa rustica verstehen wir einen ländlichen Hof mit Wohn- und Wirtschaftsteil und etwa 400 Morgen Land. Ein solcher Hof beherbergte mit der Familie des Besitzers, dem Personal und Arbeitern etwa 50 Menschen. Der Hof bestand aus dem Herrenhaus, dem Wohnhaus für das Gesinde, den Ställen für Pferde, Rinder, Schafe und Schweine, Getreidespeicher, Geräteschuppen und Scheune. Der gesamte Wohn- und Wirtschaftsteil war mit einer Mauer umgeben, die Schutz vor Raubgesindel und wilden Tieren bot. Das Herrenhaus war zusätzlich durch einen Wall vom Hofplatz abgetrennt.

Michael Müller-Wille1 zitiert einige Ausführungen von S. Applebaum, der den landwirtschaftlichen Betrieb einer Villa rustica in Britannien zu charakterisieren versucht hat. Ähnliches läßt sich auch auf die damaligen Landgüter im Eifel-raum übertragen. Demnach umstanden Platanen, Walnuß- und Kastanienbäume als Windschutz den Hof. Der Gemüse- und Obstanbau erlebte zu der Zeit einen Aufschwung. In einem Garten zog man Blatt- und Wurzelgemüse, u. a. Gartenmelde, Rettich, Pastinake, Mohren und weiße Rüben sowie allerlei Gewürzpflanzen wie Petersilie, Koriander, Fenchel und Sellerie. Aber auch Blumenbeete mit Rosen, Mohn, Lilien und Stiefmütterchen waren angelegt.

In der kalten Jahreszeit waren die Frauen des Hofgesindes mit Spinn- und Webarbeiten beschäftigt, während die Knechte auf der Dreschtenne das Korn droschen, das in der Scheune gelagert war. Nach der Pollenanalyse bauten die römischen Landwirte damals Getreidearten an, die schon während der Bronzezeit in Mitteleuropa bekannt waren. Hierzu gehörten: Emmer, Einkorn, Binkel (Zwergweizen), Dinkel (Spelz), Gerste, Hafer, Roggen und Hülsenfrüchte. Weizen und Gerste waren damals das Hauptbrotgetreide. Der Hafer gewann als Futterpflanze für das Vieh immer mehr an Bedeutung. An Obst wurden Äpfel, Pflaumen, Süßkirschen, Pfirsiche und Walnüsse geerntet. Den Birnbaum schien man damals in unserer Region nicht zu kennen. Rind, Pferd, Esel, Schwein, Schaf und Ziege gehörten zum Viehbestand des römischen Hofes. Hühner und Gänse hatten auf dem Hofplatz ihren Auslauf. Die Rinder bekamen im Winter als Futter Bohnenstroh, Wicken, Rüben, Heu und Laub, nur die als Arbeitstiere benutzten Rinder erhielten zusätzlich Hafer und Gerste. Solange die Witterung es im Herbst zuließ, ließ man die Rinderherden im Wald und auf den Weiden des Hügellandes grasen.

Die Schweine suchten sich ihre Nahrung in den Wäldern, wo sie von Hirten gehütet wurden. Die Schafe wurden während des Winters in einem geschützen Tal eingepfercht, nur die Muttertiere wurden zum lammen in einer Hürde im Hof untergebracht. Durch die Schafzucht wurde die Versorgung mit Wolle gesichert.

Zu den Ackergeräten gehörte der schwere Wendescharpflug, eine germanisch-belgische Erfindung aus der Latenezeit. Dieser war fürden schweren Eifelboden geeigneter als der im Mittelmeergebiet gebräuchliche Pflug. Ebenso kannte man damals bereits eine primitive Mähmaschine, die von einem Esel oder Stier geschoben wurde, wie aus Reliefbildern zu ersehen ist. Ansonsten wurde das Korn mit der Sichel und das Gras mit der Sense geschnitten.

Die Felder waren mit Hecken umgeben, die die Wintersaat gegen das auf dem Brachland weidende Vieh schützten. Gedüngt wurden die Felder mit dem anfallenden Viehdung, der in Gruben gesammelt wurde und den man im Winter mittels einer Art Tragbare auf die Felder brachte.

Der Grundbesitz spielte auch bei der Besteuerung eine große Rolle. Hierzu wurden regelrechte Katasterkarten geführt, die auf einer genauen Vermessung der Grundstücke beruhten, wobei auch eine Bodenklassifizierung vorgenommen wurde. Der Kataster wurde durch den Kommunalcensus, der alle fünf Jahre fällig war, auf dem neuesten Stand gehalten. Es wurden die Bürger und ihr Rechtsstand aufgenommen, außerdem der unbewegliche und der bewegliche Besitz, wozu bei letzteren u. a. die Sklaven gehörten. Nur der in der Liste aufgeführte galt als römischer Bürger.

Die Steuerveranlagung geschah durch eine Erklärung des Steuerpflichtigen, wobei dieser mit einer Kontrolle zu rechnen hatte. Aufgrund der Steuerveranlagung wurden die Kommunalsteuern (munera) festgelegt, die nicht nur in Geld, sondern auch in Naturalien und Dienstleistungen bestehen konnten. Diese Steuern dienten ausschließlich zur Deckung der kommunalen Ausgaben.

Von größerer Bedeutung waren die Steuern, die an den Staat zu zahlen waren (tributum, Stipendium). Sie wurden durch den Provenzial-census festgelegt, der in unregelmäßigen Abständen auf Anordnung des Kaisers stattfand. Die Leitung des Census lag beim Provinzstatthalter. Ähnlich wie beim Kommunalcensus ging es darum, Anzahl und Rechtsstand der Provinzbewohner sowie ihren Besitzstand festzustellen. Der Procurator war die höchste Instanz in der Steuerrechtsprechung in der Provinz. Für die drei Provinzen Gallia Belgica, Germania superior und Germania inferior gab es nur einen Procurator mit Sitz in Trier. Dieser leitete die Erhebung der Steuern, bearbeitete Gesuche um Steuerermäßigungen und war für die Änderung der Steuermerkmale zuständig. Die Einziehung der Steuern selbst war jedoch Sache der städtischen Behörden. Die Magistrate und Ratsherren hafteten persönlich für den Eingang der festgelegten Steuerleistungen.

Jeder Landbesitzer, ob römischer Bürger oder nicht, hatte dabei die Grundsteuer in Form einer prozentualen Abgabe vom Ertrag je nach Bodenklasse zu zahlen. Die Ablieferung erfolgte sowohl in Geld als auch in Naturalien. Diese Grundsteuer war die wichtigste Provenzialsteuer. Sie dürfte etwa bei einem Zehntel des Ertrages gelegen haben. Es gab ferner eine Vermögenssteuer, von der aber römische Bürger ausgenommen waren, was auch für die Kopfsteuer (tributum capitis) galt.

Ein Teil der indirekten Besteuerung gehörte ebenfalls in das Ressort des Provinz-Procura-tors, nämlich die Umsatzsteuer von 1 % (cen-tesima rerum venalium), Sklavenverkaufssteu-er 4 % (im Sklavenhandel statt der Umsatzsteuer: vicesima quinta venalium mancipiorum) sowie Sklavenfreilassungssteuer 5 % (vicesima libertatis).2

Zu alledem kam seit Septimius Severus (193 -211) als Sondersteuer die annona militaris, welche zur Beköstigung und Ausrüstung des Heeres beitrug. Dafür war eine besondere Behörde zuständig. Sie unterhielt vornehmlich in den mit Truppen belegten Provinzen Speicher (morrea) für diese Abgaben. Das Militär spielte für die Wirtschaft in den Grenzprovinzen eine große Rolle. Mit ihr kamen Handwerker, Händler und Gastwirte, so daß in der Umgebung von Truppenlagern bald dörfliche Siedlungen entstanden.

Literaturangaben:

Germania Romana, III. Römisches Leben auf germanischem Boden. Herausgegeben von Hermann Hinz, Heidelberg 1970, Carl-Winter-Universitätsverlag.

1) Michael Müller-Wille: Die landwirtschaftliche Grundlage der Villae rustica. In Germania Romana, III. Römisches Leben auf germanischem Boden, S. 39 f.

2) Dietwulf Baatz: Rechtsstand und Verwaltung des flachen Landes in römischer Zeit. In Germania Romana, III. Römisches Leben auf germanischem Boden, S. 13. Dr. B. Dohm: Um Munterley und Löwenburg, Heft 1 -August 1979.