Besinnliche Rast im Elzbachtal

Auf den Spuren der Geschichte in und um Lirstal

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Ein Grab im Schnee

Kreuze sind sichtbare, ermahnende Zeichen christlichen Glaubens. Sie weisen hin auf religiöses Brauchtum, sei es bei Kreuzwegen und Bittkreuzen, sei es bei Altar-, Grab- oder Prozessionskreuzen. Es sind aber auch steingewordene Zeugen vergangener Schicksalschläge, sie künden von Unglücks-, Not- und Todesfällen, fordern auf zum Nachdenken aber noch mehr zu einem stillen Gedenken und Gebet. Zahlreiche Holzkreuze sind verwittert und vermodert; doch Namen in Stein geritzt, geschlagen und graviert tauchen aus dem Dunkel des Vergessens auf und erinnern an Vergänglichkeit.

In Lirstal, jenem stillen Ort im Elzbachtal, steht hoch oben am Waldesrand in der Flur »Eichels« ein altes Kreuz aus hartem Basalt. Es trägt die Jahreszahl 1816. Vor Jahren stand es am Wegesrand einer uralten Straße, die früher die kürzeste Entfernung nach Virneburg (über Arbach, Münk und Nachtsheim) war. 1967 wurde dieses Kreuz 100 Meter näher zum Ort neu aufgestellt, da der ursprüngliche Standort innerhalb des Feriendorfes lag. Die verwitterte, nur mit Mühe entzifferbare Schrift lautet:

Ana Krenssers ist hir doth

geblieben im Lahr Lierstall

An dieses Unglückskreuz knüpft sich folgende tragische Erzählung:

Im Winter des Jahres 1816 begab sich jene Anna (vermutlich lautete der Name Kreusser, so wie sich heute noch Familien in Lirstal benennen) nach Virneburg, um Besorgungen zu erledigen. Recht früh nach der Mittagszeit machte sie sich auf den Nachhauseweg, der über vier Stunden dauerte. Ein eisiger Wind pfiff. Anna zog die dunkle Weste fester zu und schritt rasch voran, auch wenn die Last des Gekauften drückte. Graue Wolken trieb der Wind über die steilen Täler und dichten Wälder. Es begann zu schneien. Erst langsam, dann immer heftiger und dichter fielen die Flocken vom Himmel, deckten rasch Boden und Hekken zu, lagerten sich ab auf Wald und Weg. Kälter wurde es, und die Dämmerung brach ein. Immer schwerer fiel es Anna, Schritt für Schritt mit ihrer Last durch den schon hohen Schnee zu gehen, oft bergauf und auch bergab. Stunden war sie unterwegs und immer anstrengender und kräfteaufzehrender wurde der Weg. Doch unter Aufbietung aller Kräfte strebte sie dem heimatlichen Lirstal zu, erreichte noch die Flur »Eichels«, wenige hundert Meter von häuslicher Geborgenheit. Dunkel war es nun, und dichtes Schneegestöber peitschte ihr kaltes Gesicht. Keinen Laut, keinen Lichtschimmer vernahm sie. Kein Hundegebell oder Glockengeläut verkündeten Sicherheit. Ringsum nur kaltes, erbarmungsloses Weiß. Anna erkannte die Gegend nicht mehr. Sträucher und Bäume — alles erschien ihr fremd und unwirklich. Erschöpft brach die Arme zusammen. Nur etwas ruhen wollte sie, neue Kraft sammeln; weit konnte es ja nun nicht mehr sein. Bald würde sie in der warmen Stube bei ihren Lieben sein. Aller Kummer und kalter Schmerz würden dann vergessen sein. Anna begann zu träumen, und lautlos fiel der Schnee vom Himmel, deckte sie zu und wurde so zu ihrem Leichentuch.

Dörrenbach — Dürmich

Im Vorpochtener Wald, direkt an der Kreisgrenze Daun/Cochem, stand ein Kreuz, das leider vor wenigen Jahren gestohlen wurde. Es trug die Inschrift: 1683 Fats Hvprig Sohn Pavl von Dvrebich. Der Volksmund will wissen, daß es sich um das Unfallkreuz eines Hausierers handelt, der an jener Stelle erschlagen wurde.

In Publikationen wurde vermutet, daß es sich bei jenem Ermordeten um einen Händler aus Dörbach bei Wittlich oder aus Dörrenbach bei St. Wendel handelte. Doch diese Vermutungen stimmen nicht. Jener arme Haubrich, der nur vier Kilometer von seinem Heimatort entfernt umgebracht worden war, stammte aus Dörrenbach, einem Ort im Kreis Daun, der zwar noch besteht, aber jenen Namen nicht mehr führt.

Dieser kleine Weiler, der zuletzt Dürmich genannt wurde, läßt sich seit Jahrhunderten nachweisen. Er liegt links der Elz oberhalbder Karte »Grentzen des Oberstifts Collen« von 1689 sind die Dörfer »Durrebach« und Lierefeldt« (Lirstal) zu erkennen Lirstal, zu dem er gesellschaftlich und kommunalpolitisch gehört.

Das Lirstaler Oberdorf: 1618 Dörrenbach, 1620 Dürrenbach, 1683 Durebich, 1689 Durrebach, 1724 Deurenbach, 1751 Dürbach, vor 1789 Dürrenbach, 1807 Durbach, 1810Teurnebach, um 1890 Dürmich, ab 1920 Oberdorf.

Diese namentliche Umwandlung des Ortsnamens von »Dörrenbach« hin zu »Dürmich« läßt sich leicht durch den Eitler, hier speziell den Struther, Mayener und Kelberger Dialekt erklären. Noch heute spricht groß und klein in diesem Raum in der Dialektsprache die Ortsnamen von z. B. »Arbach — Mannebach — Schönbach — Sarmersbach u. a.« nicht so aus wie sie geschrieben werden, sondern die Mundart schleift sie ein in »Oarbich — Manne-bich — Schimmich — Soamischbich u. a.«. So wundert es also nicht, daß aus »Dörrenbach« ein »Dürremich« und letztlich ein »Dürmich« wurde.

Ein Großbrand 1825

In einer gewaltigen Feuerkatastrophe brannte 1825 der Ort vollständig mitsamt der Kirche ab, die inmitten des Dorfes lag. In den folgenden Jahren wurde Dürmich größer und schöner wieder aufgebaut. Über die Brandursache erzählt man sich, daß Erwachsene versucht haben, ein großes Hornissennest im Kirchturm auszuräuchern.

Dürmich besaß nie eine politische oder verwaltungsmäßige Eigenständigkeit, sondern wurde stets als ein Teil der etwas größeren Gemeinde Lirstal betrachtet. Wir erfahren in der Geschichte nie etwas von Schöffen, Vögten oder Bürgermeistern, noch von Vertragsabschlüssen oder urkundlich festgelegten Entscheidungen in oder durch den Ort Dürmich.

Der Name findet sich wohl mehrmals in Steuerverzeichnissen, Flur- und Katasterkarten, in denen er aucb heute noch weiterlebt. Bei Dürmich, das wie Lirstal stets zur Herrschaft der Grafen von Virneburg gehörte, befand sich ein großer Stausee, gespeist vom Uersfelder- und Elzbach. Genügend frisches und klares Wasser war vorhanden für die .einstigen Fischzuchtweiher, die so manchen wohlschmeckenden Fisch der gräflichen Speisetafel lieferten. Ebenso dürfte der Staudamm gleichzeitig als Stauwehr für die in Dürmich gelegene Getreidemühle gedient haben. Der durchbrochene Damm ist noch heute deutlich zu erkennen.

In der Geschichte taucht der Name »Dürmich« 1920 zum letzten Male auf, als berichtet wird, daß der Sommer so heiß und trocken war, daß das Bächlein Elz austrocknete, die Aale im Bachschlamm zugrundegingen und das Wasser der Brunnen in Lirstal versiegte. Nur-der Brunnen in Dürmich hielt nach wie vor seinen gleichen Wasserstand. Später differenzierte man nur noch in »Oberdorf« und »Unterdörf«. An dieser Namensunterscheidung wird bis heute festgehalten.