BRÜCKEN ÜBER DIE KREISGRENZE

Der neue Nürburgring

Fortsetzung der in sechs Jahrzehnten gewachsenen Motorsporttradition

 

Helmut Klassmann, Daun

 

Für Motorsportfreunde ging am 12. Mai 1984 eine lange Wartezeit zu Ende. Durch eine eindrucksvolle Nonstop-Supershow mit Stars aus Show und Sport wurde der neue Nürburgring seiner Bestimmung übergeben. Wie vor fast 60 Jahren fanden die Feierlichkeiten bei Regen und Kälte statt. Zumindest in diesem Punkt wurde die Tradition fortgesetzt, im oft zitierten »Nürburgringwetter«. Die Einweihung des Nürburgringes 1927 fiel buchstäblich ins Wasser. Unfreundliches, schlechtes Wetter bestimmte viele große Motorsportereignisse auf der Nord- und Südschleife. Doch die Begeisterung der vielen hunderttausend Zuschauer ist »am Ring« haften geblieben.

»Für Rheinland-Pfalz ist heute ein Festtag«, meinte Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel, denn mit der Eröffnung des neuen Nürburgringes werde ein Meilenstein in der Geschichte des Motorsports gesetzt. Der neue Kurs sei die modernste Rennstrecke Europas, wenn nicht sogar der Welt. Sprach man vorher von der schönsten Rennstrecke der Welt, spricht man jetzt von der modernsten. Superlative für den Nürburgring gelten weiter.

Zwischen den Entwicklungen in den zwanziger Jahren und der Entscheidung zum Bau einer neuen, den heutigen technischen Verhältnissen angepaßten Rennstrecke lassen sich viele Parallelen ziehen. Hauptmotiv für den Bau der Rennstrecke war damals wie heute die Stärkung der Wirtschaftskraft der Nordeifel. In den zwanziger Jahren, als der Bau der Nord- und Südschleife beschlossen wurde, hieß sie das »Armenhaus Preußens«.

So gesehen, haben sich die Instrumente staatlicher Wirtschaftspolitik seit sechzig Jahren kaum verändert: Damals machten sich Hunderte von Arbeitslosen mit Schaufel und Spitzhakke daran, in die vergessene Hocheifel eine Rennstrecke zu legen. Als man in den siebziger Jahren erkannte, daß die internationale Bedeutung des Nürburgrings ins Abseits zu driften drohte und damit der Wirtschaftsfaktor Rennstrecke bedeutungsloser werden mußte, blieb nur die Flucht nach vorn. Die 81-Millionen-Investition für die neue Kurzrennstrecke wurde auch vorgenommen, um dem dünnbesiedelten und strukturschwachen Eifelraum für den Fremdenverkehr zusätzliche wirtschaftliche Impulse zu geben.

1976 wurde der Nürburgring mit seiner berühmten Nordschleife von den Formel-l-Fahrern boykottiert. Im Laufe der Zeit waren die Autos für den »alten Ring« zu schnell geworden. Die Technik forderte ihren Preis: Keine Formel-l-Rennen mehr auf der Rennstrecke, deren Name von der 678 m hoch gelegenen Nürburg entlehnt ist. Die 28,3 km lange Piste mit 172 Kurven schien aufgegeben. Zu diesem Zeitpunkt setzte eine breit angelegte Diskussion über den Erhalt des Nürburgrings ein. Eine Bürgerinitiative »Ja zum Nürburgring« wurde gegründet und mit zahlreichen Einzelaktionen hat diese Bürgerinitiative den Erhalt des Nürburgrings in der Eifel unterstützt und zur Finanzierung der Baukosten durch Spenden in Höhe von über sechs Millionen Mark beigetragen. Lange Auseinandersetzungen der Bundesregierung und der Landesregierung über die Finanzierung des Neubaues ließen eine schnelle Entscheidung nicht zu. Der Bund schied schließlich nach Zahlung der Hälfte der Baukosten aus der Nürburgringgesellschaft aus.

Der neue NÜRBURGRING

1 Start + Zielhaus

2 Boxen

3 neues Fahrerlager

4 jetziges Fahrerlager

5 Sporthotel »Tribüne« mit Haupttribüne T1 + T2

 

 

Die Bevölkerung wertete die Neubauplanung unterschiedlich. In den Boykott des Nürburgrings fiel die zweite große Erdölkrise. Knapper werdende Energien ließen, so die Gegner des Neubaues, eine derartige Investition nicht mehr zu. Dennoch kann auch heute nicht auf die praktischen Ergebnisse von Rennen verzichtet werden. Der Markt verlangt den Fahrzeugkonstrukteuren immer sparsamere Fahrwerks- und Triebwerkskonzepte ab. Scheibenbremsen, Sicherheitsgurte und feuerfeste Tanks, um nur einige wenige zu nennen, sind für die Sicherheit jedes Fahrzeugbenutzers unentbehrlich.

Die Eingriffe in die Landschaft wurden ebenfalls kritisch bewertet. Auch hier eine Parallele zu 1927. Naturfreunde warnten vor den Folgen des um sich greifenden Motorsports und wiesen darauf hin, daß durch das Abholzen einer breiten Straßenlinie die schönen für die Gemeinden so nutzbringenden Wälder dem Sturme preisgegeben sind.

Bereits bei der jetzigen Eröffnung und den ersten Rennen konnte man im Kreise Daun, vor allem im Süd-Ost-Teil des Kreises Daun positive Auswirkungen beobachten. Die Creme des Rennsports war zu Gast in Daun. Angefangen von Manuel Fangio über Stirling Moss, John Watson, Graham Hill, Jody Scheckter, Manfred Schurti, James Hunt, Carlos Reutemann, Alain Prost, Clay Regazzoni, Jack Brabham, John Surtess, Jacques Lafitte, Elio de Angelis und Niki Lauda - so sah die klangvolle Liste der Rennfahrer aus.

Der »alte Ring«, die landschaftlich wie motorsportlich unverändert reizvolle Strecke, bleibt erhalten. Alle Nürburgring-Freunde und viele hunderttausende Touristen aus aller Welt werden mit Privatfahrzeugen hier ihre Runden drehen können. Die Nordschleife steht der Industrie für Testzwecke weiter zur Verfügung. Bremsen-, Fahrwerk- und Reifentests werden auch in Zukunft auf der alten Strecke vorgenommen.

Mit einer erweiterten Palette soll der Nürburgring attraktiver gestaltet werden. Man hat erkannt, daß die rennsportbegeisterten Zuschauer allein den Ring und die Eitel nicht langfristig beleben können, sondern es müssen Alternativen besonders für die vom Rennsport freie Zeit geschaffen werden. So wurde hinter der alten unter Denkmalschutz stehenden Haupttribüne aus dem Eröffnungsjahr 1927 ein Rennsportmuseum erbaut. Es gibt auch Überlegungen, den Nürburgring zu einem Bundesleistungszentrum für den Motorsport weiter zu entwikkeln. Abgerundet wird das Angebot durch eine Go-Kart-Bahn, Hundeschlitten-Rennen, Radfahrertreffen und Fahrerlehrgänge. Der Ring ist wieder da, attraktiver denn je. Folgt man den Voraussagen der Fachleute, dann wird der Nürburgring seine Weltgeltung schnell zurückerobern. Die übersichtlich gewordene Rennstrecke bietet motorsportlich neue Anreize und ihr touristisches Image wird der Eifel neue Freunde zuführen.

Nürburgringmarkt

Zur Eröffnung des Nürburgrings 1927

 

Verfasser: Die Gesellen und Lehrlinge der Druckerei J. Schneider, Daun

 

War das ein Treiben Freitag-Nacht;

Per Auto wurden die Laden zur Nürburg gebracht.

4 000 Flaschen Dauner Sprudel,

Soll es reichen für all den Trubel?

Der Schang mit weißen Handgamaschen;

Verkaufte sag und schreibe 78 Flaschen -

Und von feinem edlen Magenwein,

Brachte er beladen sein Lastauto wieder heim.

 

Hermanns große Flasche mit dem Sprudel-Etikett,

Preiste das Wasser mit dem feinsten Hochdeutsch-Dialekt,

Sie stand doch nur zur Reklame dort,

Erzählte er tags drauf in seinem Heimatsort.

 

Dem Joseph mit der Mokka-Eule,

Gings an der Nürburg nicht mit genügender Eile;

Viel Personal aber gar keinen Käufer,

Man soll nichts machen mit zu großem Eifer.

 

Auch Karl Nebgen vom Luftkurort,

War mit seinem Laden dort.

Um die Gäste zu erfrischen,

Verkaufte er Südfrüche und Moselkirschen.

 

Der Wirt, der muntere Rappen-Weber

Bakam einen heftigen auf das Leder.

Vom Kappenmacher zum Wirt avanciert;

Hat er mal 10 Hekto Bier riskiert.

 

Eugen Elektrola hatte auch einen Stand,

Zigarren, Zigaretten und sonst Allerhand;

Rauchwaren vom Hause Neuerburg,

Gehn beim Rennen immer durch!

 

Am Bahnhof Utzerath lagert wartend Herr Sicken,

Er wollte die Gäste mit Knackwurst erquicken.

Und als all der Verkehr war vorbei,

Tat Herr Sicken einen Ohnmachtsschrei.

 

4 Monate reichen Semmel und Knackwürste noch aus.

Der Sicken trug demütig seinen Bestand nach Haus;

So wie er an den Bahnhof war gekommen,

hat er alles wieder mit nach Hause genommen!

 

Frau Dentistin auch ein Defizit erlitt,

Sie nahm umsonst ein paar hundert belegte

Brötchen mit;

Doch wird der Schaden so groß nicht sein,

Denn der Gemahl haust schon lange in Daun allein.

 

Alles in allem so richtig genommen;

Mußte auch noch ein Nassauer kommen,

Und alle die Nürburgsladenbesitzer;

Bekamen vom Herrgott einen kalten Spritzer.

 

Sie machen nun alle ein langes Gesicht,

Im Geldbeutel ist eingezogen Rheuma und Gicht.

Am besten hatte es von allen dabei,

An der Schule unsere Verkehrspolizei.

 

Ein Sprichwort trifft zu bei den meisten:

»Schuster bleib bei Deinen Leisten!«