HANDWERK UND BRAUCHTUM

Handwerker-Dynastien in Daun

Familientradition des Handwerks im 18. Jahrhundert

 

August Meyer, Daun

 

Adelsgeschlechter pflegten zu allen Zeiten ihren Stammbaum und waren stolz auf ihre Ahnen, besonders auf jene, von denen ihr Name auf sie überkommen war. Töchter kamen in den Stammbäumen nur dann vor, wenn sie in höhergestellte Familien geheiratet hatten — oder wenn kein männlicher Erbfolger da war. Handwerker könnten oft genau so stolz einen Stammbaum führen und darin nachweisen, daß ihr Handwerk ein Familienbesitz war, der gehegt und gepflegt und vererbt wurde. Als Beispiel dafür seien hier einige Handwerkerfamilien aus dem Amtsort Daun im 18. Jahrhundert aufgeführt. Daun hatte längst nicht die Vielfalt an Handwerkern wie etwa der bedeutendere Marktort Hillesheim oder gar Mayen oder Cochem. Aber für die Schuhmacher, Schneider und Schmiede gab es mindestens seit 1784 eine eigene Zunftordnung.

Die Schuhmacher

1675 starb der Dauner Theodor Steffens. Er war Schuhmacher, hatte aber keine Handwerksnachkommen in der Familie. Auch von Joh. Konrad Mengelkoch, der 1680 als Pate einmal als »sutor« (Schuster) bezeichnet ist, läßt sich nicht ersehen, ob er wirklich als solcher gearbeitet hat und ob in der Familie das Handwerk weitergegeben wurde. Er starb 1716. In den Steuerlisten von 1702 hatte er als »Nahrungsgeld« nur 5 albus aufzubringen. Hans Heinrich Scholtheis, der in diesen Listen als Schuhmacher aufgeführt wird, stand mit nur 2 albus darin. 1719 heißt es, daß er sehr betagt sei. In den Kirchenbüchern finden sich keine weiteren Informationen über ihn.

Daun scheint also zu Beginn des Jahrhunderts mit Schuhmachern schlecht versorgt gewesen zu sein. Da kommt im Jahre 1728 der Prümer Hubert Stark. Er hatte 1727 in Hillesheim eine Luzia Mey geheiratet. Nun läßt er sich in Daun nieder, d. h. er wird in die Gemeinde Daun aufgenommen und erhält das Recht, als Schuhmacher tätig zu sein. Einer seiner Söhne, Matthias Stark, verheiratet mit einer Dauner Klerings, übernimmt das Handwerk und gibt es weiter an zwei seiner Söhne, die es in das 19. Jahrhundert hineintragen. Hubert stirbt 1763, Matthias lebte von 1730 bis 1804, Heinrich Stark wurde 1761, Matthias Stark 1775 geboren.

Neben Hubert Stark schusterte ein Johann Bamberger in Daun. Er heiratete 1730, starb aber schon 1738. Im selben Jahr 1738 heiratete der Blankenheimer Peter Mongen A. Katharina Groß aus Daun und betrieb das Schusterhandwerk. Als er 1789 starb, war sein Sohn Ellas Mongen (1759 - 1812) längst in seine Fußstapfen getreten. Mit seiner Frau aus Schalkenmehren, Gertrud Roden, hatte Elias zehn Kinder, von denen sieben keine drei Jahre alt wurden. Im Jahre 1781 wurde der Loricher (Rhein) Simon Hartmann mit seiner Ulmener Frau (Klütschen) in einem schriftlich festgehaltenen Verfahren als Schuhmacher in Daun aufgenommen. Auch der Sohn Karl Anton Hartmann übte bei des Vaters Tod 1804 das Handwerk aus. Ebenfalls aus Lorich kam der Schuhmacher Josef Mehren und heiratete die Tochter des Bürgermeisters Bersin (1786).

Die Schneider

Der »Wollenweber« Wilhelm Mohr war, wie das Kirchenbuch festhält, der Schwiegersohn des Amtsverwalters Martin Hamman. Er kam aus Hillesheim. Zwei Kinder seiner zweiten Frau trugen das Handwerk weiter: Johann Bernard Mohr und Anna Katharina, die den Schneider Nikolaus Theisen heiratete. Deren Sohn Johann Theisen mußte sich wegen einer Schlägerei mit der Witwe des Johann Bernhard, der 1764 verstorben war, verantworten. Ob es dabei um Verwandtschaftsprobleme oder um Konkurrenz ging, läßt sich leider nicht mehr feststellen. Der Sohn des Joh. Bernhard Matthias Mohr heiratete nach Boverath und dessen Schwiegersohn Wilhelm Lot wird 1806 als »textor« und »liniarius« bezeichnet (Weber, Leinwandhändler).

Eine Tochter des Nikolaus Theisen heiratete den Schneider Wilhelm Britz, der aus Fachbach nach Daun kam im Jahre 1758. Er erlebte noch die Ausbildung seiner Söhne Johann Britz und Hubert Britz. Letzterer brachte von seiner Wanderschaft als Schneidergeselle seine Frau mit. Bei der Taufe des ersten Kindes steht von ihnen der Vermerk »Zur Zeit in Daun«, bei den nächsten aber »Ehepaar aus Daun«. Hans Adam Angies erbte beim Tod des Vaters Peter im Jahre 1694 dessen Handwerk und gab es mit seiner Tochter Anna Maria weiter an Johann Stephani. Dieser war ebenfalls Schneider und der Sohn eines Schneiders gleichen Namens.

Johann Theodor Stephani, Enkel des Angies, Sohn des Johann, versorgte sehr lange die Dauner mit Kleidung. Er starb 1792 kinderlos. Er war verheiratet mit Anna Gertrud Groß, der Witwe des Hubert Molitor. Woher Heinrich Bersin nach Daun kam, ist nicht festzustellen. Er heiratete 1750 ein Mädchen aus Rastatt. Ob er das auf seiner Wanderschaft als Schneidergeselle kennengelernt hatte? Sein Sohn wurde Dauner Bürgermeister und dessen Sohn heiratete des Wilhelm Britz Tochter A. Gertrud.

Johann Theodor Düx, geboren 1759 in Daun, übte auch das Schneiderhandwerk aus. Er starb einen schlimmen Tod im Winter 1809. Auf dem Weg zwischen Darscheid und Mehren erfror er. Sicher war er auf dem Weg von einem Haus, in dem er gearbeitet hatte zum nächsten Kunden. Sein Sohn Joachim Düx, verheiratet mit einer Hartmann Tochter, schneiderte auch.

Die Schmiede

Zu Beginn des Jahrhunderts kommen drei Familien mit dem Namen Schlosser aus Hillesheim nach Daun: Johann Wilhelm Schlosser 1699, Joachim Schlosser 1708 und Theodor Schlosser 1721. Johann Wilhelm und Joachim werden als Schmied angegeben — von Theodor gibt es keine Berufsangabe. Joachim hat keine Kinder. Aber der Sohn des Theodor: Nikolaus Schlosser ist Schmied. Er lebt bis 1793. Sein Sohn Peter Wilhelm Schlosser ist auch als Schmied tätig. Aus Luxemburg kam 1773 der Schmied Peter Schmilz. Er heiratete Margarete Mongen, die Tochter des Schuhmachers Mongen. Auch deren Sohn Wilhelm Schmitz, 1776 geboren, betätigt sich als Schmied. Die heute noch als Schmiede bekannte Familie Gehendges oder Johäntges oder Johans — hatte auch im 18. Jahrhundert einen Vertreter in Daun.

Von Peter Augustin, gestorben 1698 und dessen Vater, der schon 1675 starb, liegt keine Berufsbezeichnung vor. Aber Augustins Sohn Philipp Johäntges wird in der Landmaß 1719 als Schmied 1719 als Schmied bezeichnet. Er hatte mit seiner Frau Maria Reichards aus Üdersdorf drei Töchter, also keinen Berufsnachfolger seines Namens. Aber der Schmied Theodor Schommers heiratet 1763 als Witwer Anna Maria Johäntges. Ihr Vater ist der aus Neroth nach,Daun zugezogene Hubert Johäntges. Er heiratete die Tochter des obengenannten J. Wilhelm Schlosser, die in erster, kurzer Ehe mit einem Theisen verheiratet war. Sie hatten nur Töchter. In der Schmiede des Joh. Wilhelm Schlosser ist also die Erbfolge wohl folgendermaßen verlaufen: 1. Joh. Wilhelm Schlosser (t 1734); 2. Tochter Maria verheiratet mit ? Theisen, dieselbe als Witwe verheiratet mit Hubert Johäntges (t 1782); 3. deren Tochter Anna Maria verheiratet mit Theodor Schommers, der bis 1812 lebte.

Die Bäcker

Vor 200 Jahren brauchte in Daun kaum jemand einen Bäcker, denn der eigene Backes buk das für den Hausgebrauch notwendige Brot — auch für große Familien. Bäcker gab es deshalb auch nicht viele und wenn, dann heißen sie »Weckbecker«.

Als solcher erscheint in der Landmaß von 1719 Ludwig Schommers. Außerdem steht bei ihm angegeben: »Hat einen Sohn bei sich, verheiratet«. Das kann nur Johann Heinrich Schommers sein, der 1715 geheiratet hat. Er wird in den Steuerlisten 1733 zusammen mit Matthias Thelen (oder Thielen) als Weckbecker mit 3 albus und 4 Pfennigen Jahressteuer belegt. Matthias Thelen war unverheiratet. Des Schommers Tochter A. Katharina heiratet einen Müller Spies aus Müden, der in der Bauernmühle tätig ist. Sein Sohn Cornelius Schommers führt nach des Vaters Tod 1770 die »Bäkkerei« wohl weiter. Er stirbt 1812.

1782 heiratet der Wirtlicher Georg Jakob Jager die Magdalena Johäntges aus Daun. Er wird als »pistor« bezeichnet, was sowohl Müller als auch Bäcker bedeuten kann.

Schlußbemerkung

In den Zusammenhang dieser Ausführungen gehörte auch die Betrachtung der Dynastien von Gastwirten, Krämern, Schreinern oder Zimmerleuten und Gerbern. Eine ganz besondere Art von Dynastie bildeten Müller. Ihrer soll in einer späteren Arbeit gedacht werden.

Aus obigen Informationen geht hervor, daß viele Handwerker von auswärts kamen, in Daun aufgenommen wurden und ihr Handwerk hier ausüben durften. Sie kamen aus Hillesheim, Blankenheim, Luxemburg, Lorich am Rhein, Fachbach an der Lahn, Prüm und aus anderen nicht näher bekannten Orten. Es wird auch umgekehrt gewesen sein, daß nämlich Dauner Handwerker während ihrer Wanderschaft als Geselle irgendwo seßhaft wurden und eine neue Heimat fanden. Die Wanderschaft gehörte ja damals gewissermaßen zur Ausbildung und war unabdingbare Voraussetzung für jeden, der Meister werden wollte.

Ein Dauner Handwerker konnte sich sicher nicht von seiner beruflichen Tätigkeit allein ernähren. Er und seine Familie waren daneben auch Bauersleute, die Felder, Wiesen und Garten bearbeiteten.

Mancher Schuhmacher oder Schneider mag kaum in eigener Werkstatt zu tun gehabt haben. Er ging, wie wir es bei Düx schon sahen, in die Häuser der Familien, die seine Arbeit brauchten. Dort flickte er, was zu reparieren war, nahm Maß für neue Schuhe oder Kleider und fertigte diese an Ort und Stelle. Die nötigen Materialien, Stoffe oder Leder, hatte der Kunde meist selbst besorgt und so konnte er nur die Arbeit in Rechnung stellen. Aber seine Arbeit brachte ihm Geld ins Haus. Es versteht sich daher von selbst, daß ein solches Unterpfand gern an die eigenen Kinder weitergegeben wurde: Söhne lernten beim Vater — Töchter heirateten einen ausgebildeten Handwerker, damit das »Geschäft« in der Familie blieb.

Mark Twain