Altes Brauchtum in unserer Zeit

Richtsprüche beim Abschluß eines Kirchenbaues

 

Hans Mühlhaus, Darscheid

 

Als nach 15monatiger Bauzeit, es war am 24. Juli 1970, die Pfarrei Darscheid sich anschickte, das Richtfest der neuerbauten Pfarrkirche zu feiern, flatterten hoch über den Firstbalken die bunten Bänder des Richtbaumes lustig im Winde. Viele Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder waren gekommen, um die seltene Feier eines Kirchenrichtfestes zu erleben.

Pünktlich, wie angekündigt, stiegen ein Maurer, Josef Schneider aus Darscheid, und ein Zimmermann, Stoffels jun. aus Dreis, über die Sparren des Dachgebälks hinauf zum Richtstrauß. Da standen sie nun in schwindelnder Höhe, um vom hohen Firstbalken herab die Richtsprüche vorzutragen. Der Maurer begann: »Es ist von alters her ein schöner Brauch, ein Fest zu feiern, wenn der Bau gerichtet. Wohlan, wir machen davon jetzt Gebrauch, die Arbeit an dem Rohbau ist verrichtet.

Hoch überm neuen Kirchenhaus, auf dem Gebälk, da haben wir den bunten Richtbaum aufgestellt. Nun ziemt es sich, weil alles herrlich steht, dem Herrgott Dank zu sagen im Gebet: Herrgott, trotz Schwachheit wagten wir zu bauen für Dich, Unendlicher, ein irdisch Haus. Oh, möchtest Du in Gnaden niederschaun auf alle, die da wandeln ein und aus! Gern wollen wir, wenn dieser Bau vollendet, um den Altar mit Deinem Priester stehn, die Augen und das Wort zu Dir gewendet mit Andacht dankbar dann für jene flehn, die mitgewirkt mit ihrem Scherflein Geld, den Bau geplant, geleitet und erstellt. Herr, gieße stets von diesem Gotteshaus auf sie und alle Deinen Segen aus! Danach sprach der Zimmermann:

»Gott grüß euch, alle, die hier stehen und freudig diesen Bau besehen, den durch des ewgen Gottes Macht so glücklich wir zustand gebracht. Fürwahr, er ist zwar aufgericht, jedoch, gedeckt ist er noch nicht; noch können Regen und Sonnenschein von oben und überall hinein. Drum rufen wir zum Meister der Welt, er wolle von dem Himmelzelt nur Heil und Segen gießen aus hier über dieses offne Haus. Immer, wenn der Richtstrauß weht, der Zimmermann hält seine Red; Er ist der 1. Stand im Staate, nutzt mehr als mancher im Gemeinderate, ist immer schon der 1. Stand gewesen, das kann man in der Bibel lesen. Ja, Adam war ein Zimmermann, was man gar wohl verstehen kann. Und Vater Abraham zum Exempel, der zimmerte schon einen Tempel. Und Noah hat die Arch erbaut, weil mit dem Zimmern er vertraut. Und Moses sowie die Propheten das Zimmerhandwerk nicht verschmähten. Der heilge Josef, wie ihr wißt, ein Zimmermann gewesen ist. So könnte ich noch viele nennen, die wir als große Leute kennen. Allein, ich glaub, es ist genug, wer zuviel spricht, der ist nicht klug! Drum will vom Zimmermann ich schweigen und Gott dem Herrn die Ehr erzeigen. Zu seiner Ehre, seinem Ruhm erbauten wir dies Heiligtum. Wer sich im Glauben weiß verwandt, der reich sich hier die Bruderhand! Wie sich die Sparren fest vereinen und tragen leicht die schwere Last, so soll als Mittler euch erscheinen die Eintracht in der Tage Last. Du, Kirch, steh fest im Sturm der Zeit, fest wie der Fels im Meer! Von Ewigkeit zu Ewigkeit sei Dir, Gott, Preis und Ehr!«

Die Zuschauer applaudierten lange und herzlich den mutigen Männern, die in ihren Richtsprüchen die Freude und den Dank aller zum Ausdruck gebracht und dabei die Bitte um Gottes Segen nicht vergessen hatten. Bevor die Wagemutigen den Abstieg begannen, prosteten sie noch auf das Wohl der Pfarrgemeinde und warfen die leeren Gläser hinab, wo sie klirrend zerschellten. Auch das gehört zum Richtfestbrauchtum, denn Scherben bedeuten Glück. Oder soll damit angedeutet werden, daß Glück und Glas leicht zerbrechen? Wer weiß es — Brauchtum ist immer sinnvolles Tun.

Im Gasthaus »Zur Alfbachquelle« erwarteten gedeckte Tische die vom Bauherrn, Pfarrer Hellinghausen, eingeladenen Gäste. Kein Bauarbeiter durfte fehlen. Viel Freude und viel, viel Spaß beherrschte den Abend. Wie könnte es auch anders sein, denn:

So ein Richtfest, das ist lustig,

so ein Richtfest, das ist schön!

Endlich kann man da die Bauleut

einmal bei der Arbeit sehn.

Hollahi, hollaho...