Lehrstellensuche vor 60 Jahren

Nikolaus Becker, Daun

 

In Nähe der Kreisgrenze Daun-Wittlich, in Eckfeld geboren, kam ich 1923 aus der Schule. Mein Ziel war, das Schneiderhandwerk zu erlernen. Im Winter 1923/24 ging ich auf die Suche nach einer Lehrstelle. Mein erstes Ziel war Manderscheid, wo ich bei drei Schneidermeistern um eine Lehrstelle vorsprach, aber keiner war bereit, mich aufzunehmen. Am nächsten Tag führte mich der Weg nach Mehren mit dem gleichen Ergebnis und am übernächsten Tag wanderte ich nach Strotzbüsch, wo mein Wunsch ebenso wenig in Erfüllung ging. Der nächste Marsch führte nach Schutz, doch Meister Großmann wollte auch keinen Lehrling einstellen. Ein Herr Conrad, der keine Meisterprüfung hatte, gab mir den Rat, in Spang vorzusprechen, wo er zwei Jahre als Geselle gearbeitet hatte. Der sei ein tüchtiger Meister. Das bestätigte auf Anfrage auch ein in Eckfeld wohnender Landwirt aus Spang. Dann schrieben mein Vater und ich an Meister Dahm und bekamen die Antwort, daß er und sein Sohn zu Pfingsten 1924 mit den Fahrrädern nach Eckfeld kämen und da sollte ich mich dann vorstellen. Ich war ein schmächtiges Kerlchen von 42 Kilo, doch Meister Dahm sagte mir nach längerer Unterhaltung eine Lehrstelle zum 1. Dezember 1924 zu. Einige Wochen später wurde ich 16 Jahre alt und am 1. Dezember packte ich Köfferchen und Rucksack und ging mit meinem Vater die 25 km nach Spang zu Fuß. Fünf Stunden waren wir unterwegs zu meiner Lehrstelle, wo ich Kost und Logie bekam. Die Erinnerung also macht deutlich, daß auch vor 60 Jahren die Suche nach einer Lehrstelle ihre Mucken hatte und der »goldene Boden« des Handwerks mühevoll und strebsam erarbeitet werden mußte.