Kultur und Volkskunst

 

Theater der Amateure

Spiele mit Fäden und Stäben

Marianne Schönberg, Jünkerath

Figurentheater nennt es sich, mit Sitz in Hillesheim; im alten Gebäude des ehemaligen Klosters zuhause und über den ummauerten Hof zu erreichen. Es ist das erste Theater seiner Art im Kreis Daun. Die meisten der jungen Leute, die da zusammen arbeiten, kennen sich aus der Schulzeit.

Porträt einer selbstgebastelten Puppe, eine Marionette, an Fäden lenkbar.

Angefangen hat die Freude am Spiel mit den Puppen in der Oberstufe der Hauptschule. Da begeisterten sich Jugendliche für darstellerische Möglichkeiten, die durch Bewegung mit Fäden oder Stäben erreicht wurden. Das war im Werkunterricht. In gemeinsamer Arbeit entstanden Marionetten, Puppen, die sich mit Hilfe einer verwirrenden Vielzahl von Fäden bewegen lassen, mit ein wenig Phantasie lebendig werden.

Was lag damals näher, als ein Textbuch zu schreiben und ein Bühnenbild zu bauen? Beleuchtung und musikalische Untermalung der Szenen gehörten natürlich auch dazu. Im katholischen Pfarrheim Hillesheim stellte die Leiterin der Werkgruppe, Maria Michels, das kleine Amateurtheater vor, das »Töpfchen mit dem Bulle- Bulle- Bäuchlein« hatte Premiere. Kinder und Erwachsene sahen die versöhnliche Geschichte und alle waren hell begeistert vom Puppenspiel. Das machte Mut.

Die Gruppe setzte sich wieder zusammen und man wurde sich einig; Stabpuppen kommen nun ins Programm. Damit kann man Schattenspiele aufführen. Ob das in der Eifel Freunde findet? Diese Frage mußte sich aus dem Angebot beantworten, und nach monatelangen Vorarbeiten »stand« zum Jahresende 1983 die neue Aufführung, eine märchenhafte Geschichte aus dem Französischen, »Tistou mit den grünen Daumen«. Im Grunde für Kinder geschrieben, offenbart das Stück seine hintergründige Thematik allen Erwachsenen, die sich eine Spur Illusion erhalten haben, die Vorurteile zu Hause lassen und für Märchen offen sein können.

Tistou ist der Sohn eines Waffenfabrikanten, ein freundlicher kleiner Junge, den der Vater mit seinen Geschäften vertraut machen will. Schließlich soll er die Fabrik einmal übernehmen. Doch alle Mühe der Erziehung bringt seltsame Ergebnisse. Das hat einen besonderen Grund. Den erkennt allein der alte Gärtner; Tistou hat grüne Daumen. Was der Knabe damit berührt, wird zum phantastischen, blühenden Naturereignis.

So wachsen über Nacht in der Armensiedlung und am Gefängnis rankende Blumen. Aus kindlicher Empörung über die todbringenden Waffen, die sein Vater in der Fabrik herstellen läßt,überzieht sie der kleine Junge mit wuchernden Gewächsen. Sie taugen nicht mehr zum Schießen, der Ruin der Familie scheint besiegelt. Daß sich Vater und Mutter nach dem ersten Schreck besinnen, aus der besonderen Begabung des Knaben ein neues Geschäft zu machen, erweist sich als normale, berechnende Idee. Doch die Eltern hatten nicht mit den Gefühlen des Kindes gerechnet. Dessen Liebe galt dem alten Gärtner, der seine grünen Daumen entdeckt hatte und nun verstorben war. Ihn wollte er suchen und stieg im Gerank hoher Pflanzen wie selbstverständlich zum Himmel. Unsere Großeltern hätten ihn Engel genannt. Heute würde man Aussteiger sagen.

Die Akteure der Stabpuppen. Unzählige Male gaben sie den Schattendarstellern Bewegung und Stimme, sie haben sich mit mit ihrer Rolle identifiziert.

Soweit die Geschichte. Nach jeder Aufführung dauerte es Sekunden, bis das Publikum wieder in die Wirklichkeit zurückfand und den Theaterleuten Beifall spendete. Damit war die Frage, ob diese Gruppe mit den Puppen an Stab und Faden Zukunft hat, klar beantwortet.

Schattenspiele und Marionettentheater sind eine sehr alte und in vielen Ländern Europas und Asiens gepflegte Darstellungsform menschlicher Wünsche und Nöte. Was die Wiedergabe so liebenswert macht, ist die Beschränkung aufs Detail, auf kleine, wichtige Dinge. Fäden und Stäbe recht zu lenken sind zwar das A und O, doch beim Figurentheater beginnt die notwendige Sorgfalt schon mit dem Aussägen winziger Finger oder Haarsträhnen. Ihre Vollkommenheit bestimmt die natürliche Wirkung auf der Schattenbühne. Was da in Hillesheim zu sehen war, ließ erstaunen.

Die jungen Leute, die hinter den Kulissen arbeiten, haben sich natürlich umgesehen. Sie waren in Ravensburg, in Augsburg, den deutschen Zentren der Puppenspielkünste. Doch erlebte Eindrücke umzumünzen und ihnen individuelle Gestalt zu geben, das erfordert Geschick und Einfühlungsvermögen; es ist Kunst. Etwa ein Jahr arbeitet die Gruppe in ihrer Freizeit, um ein neues Stück bühnenreif zu machen. Oft dauerts auch länger, Geduld ist ein sehr wichtiges Hilfsmittel. Was in Vorbereitung ist?

Eine satirische Betrachtung des Grimm'schen Märchens vom Fischer und seiner Frau. Im Foyer des alten Klosters sind bereits Stabpuppen zu sehen, die für diese Aufführung erstellt wurden. Was dem Arbeitskreis zu wünschen wäre?

Kritische und aufmerksame Begleitung eines Publikums, das »da« ist, wenn man es bittet. Nur so kann das Hillesheimer Figurentheaterlebendig bleiben und mit ihm eine bühnenbildnerische Darstellungsform, der man den Reiz des Besonderen gern zuerkennt.