Der Bildermacher aus Kronenburg

Rolf Dettmann zum 70. Geburtstag am 25. Februar 1985

Prof. Matthias Weber, Köln

Im Kreis Daun ist er gut bekannt. Das bringt sein Wohnsitz im nahen Kronenburg mit sich. 1973 malte er das Titelbild für das erste »Jahrbuch des Kreises Daun«. Es zeigt eine für Dettmanns Kunst kennzeichnende Monotypie (Ein-Druck): die im Goldton gehaltene Stadt Daun mit ihrem markanten Burgberg, rotkonturiert im durchsichtigen Glasgehäuse. Letzteres asymmetrisch und oben wie an der vorderen Kante geöffnet. Das Ganze auf changierendem, frottiertem Hintergrund eines satten Blau. Ein typischer »Dettmann«: voller Experimentierlust, farbfreudig, zeichnerisch klar und ausdrucksstark, symbolträchtig. Das über 1 250jährige Daun im schützenden, aber durchsichtigen Gehäuse; es möge bewahrt bleiben vor Unheil. Der engagierte Umweltschützer Dettmann appelliert in Bildform an die Zeitgenossen, verklärt nicht Bestehendes, sondern signalisiert Gefahren, versucht auf seine Weise Kulturgut zu retten. Seine surreale (überwirkliche) Bildersprache liebt das Sinnbild mehr als das nur ästhetisch befriedigende »Erinnerungsbild«, wie Dettmann unterscheidet.

Am 25. Februar 1985 wird Rolf Dettmann 70 Jahre »alt«. Man scheut sich, bei ihm dieses Eigenschaftswort zu verwenden. Dafür erscheint er viel zu rege, körperlich wie geistig quicklebendig, kulturellem wie politischem Geschehen sehr aufgeschlossen. Rolf Dettmann,der eine Kronenburgerin zur Frau hat, ist Vater zweier Töchter.

Er arbeitet jede freie Minute. Sein »Arbeiten« ist ihm zur zweiten Natur geworden. Bildermacher nennt er sich. Das ist eine ebenso abgrenzende wie sich bescheidende Untertreibung. Der Grund: der heutzutage unbestimmt, ja schillernd gebrauchte Begriff »Künstler«.

Das Spektrum von Dettmanns Ausstellungen reicht von Berlin bis Luxemburg und Belgien sowie von Duisburg bis Stuttgart. Etliche renommierte deutsche Museen besitzen Bilder von ihm. So u. a. das Suermondt-Museum in Aachen, das Lehmbruck-Museum in Duisburg und das Städtische Museum in Nürnberg, der Heimatstadt des Zeichnergenies Albrecht Dürer. Ihm hat Dettmann 1975 in seinen »Dürer-Metamorphosen« auf seine Weise gehuldigt. Die Spannweite seines Schaffens — Rolf Dettmann liebt mehr das schlichte Wort »Arbeiten« - sowie sein Fleiß erwecken hohen Respekt, ja Bewunderung. Um seine sprudelnde Ideenvielfalt, ein schier unerschöpflich scheinender Jungbrunnen seiner Intellektualität, beneiden ihn nicht wenige. Natürlich fließt viel von solchen Einfällen in seine Werke ein. Vor allem Zeitkritisches! Nicht immer wird dies allgemein mit Beifall aufgenommen. Mit Recht formulierte daher Marianne Schönberg dazu einmal so: »Die Zahl der Ja-Sager und Anpasser wächst, unser Land gebiert sie wie der Wald die Pilze in einem warmen Sommer. Es muß den Rufer in der Wüste geben, der Schwachstellen aufzeigt und sich nicht scheut, ins Gerede zu kommen«. Hier kennt Rolf Dettmanns Darstellungskunst, obwohl immer handwerklich, ja ästhetisch ausgefeilt, kein Pardon. Ob es dabei um zwischenmenschliche Beziehungen geht, wie den Wandel im Verhältnis von Mann und Frau, unser Verhältnis zu alten Leuten oder Kindern oder um drohende und akute Gefahrener unsere Landschaft und Umwelt. Dettmanns »Dürer-Metamorphosen«, 1975 als Bildband mit Texten von Sigrid Theisen erschienen, geben seinen unbestechlichen Beobachtungen in meisterlichen Zeichnungen beredten Ausdruck. Bilder zum Umweltschutz zeichnete und malte er schon, als das Wort noch lange nicht in aller Munde war. Dettmanns Kunst offenbart gewissermaßen ein kritisches, aber keineswegs humorloses Denken in Farben und Linien. Bloße Erinnerungsbilder durch Abmalen erscheinen ihm weniger aussagefähig und attraktiv. Von daher läßt sich seine Vorliebe für surreale Darstellungen leichter verstehen. Auch seine Symbolsprache in den Bildern. So etwa der »Stuhl«, dem heute noch geltenden Rangzeichen in der Hierarchie menschlicher Kultur (Beispiele: Herrscher-, Richter-, Lehrstuhl. »Stuhl anbieten«, »Stuhl vor die Tür setzen«, »Zwischen die Stühle geraten«). Oder die »Hand«, dem wichtigsten Instrument des Menschen zum Zupacken, Wirken und Gestalten. Sie kann gefühllose, unsensible Stahlhand sein, aber eben auch segnende und behütende Hand. Die Worte »In die Hand nehmen«, »Die Hand reichen«, »Die Hand über etwas halten« bringen vieles von dem zum Ausdruck.

Das Bild »Apfel der Erkenntnis« zeigt eine verdorrte Landschaft mit einem umgekippten Baum, dessen Wurzeln keine Nahrung mehr finden. Darüber hängt an einem Faden ein großer Apfel, wie ein Pendel zwischen Wolken und blauem Himmel. Dieses biblische Symbol »Apfel der Erkenntnis« zeigt auch erhebliche Schäden: die Frucht ist wurmstichig. Was könnte der Künstler damit andeuten wollen? Ist unsere Erkenntnis auch schon »angeschlagen« oder zumindest getrübt? Vermögen wir noch klar genug zu erkennen, wie wir unsere Umwelt ausbeuten und so unzumutbar belasten, daß sie »kippt«? Ein Bild, das zweifellos nicht nur dem ästhetischen Genuß dient und Fragen aufwirft.

In einem anderen Bild »Apfel der Hoffnung« bietet der Künstler dem Betrachter eine tröstliche Antwort an. Der Apfelkern bleibt vom Wurmstich unberührt und enthält schließlich die natürliche Möglichkeit, gesunde Frucht zu bringen. Im Bilde versinnbildlicht sie der Künstler mit der unzerstörten, lebenskräftigen Landschaft.

Neben dem gleichsam intellektuellen Rolf Dettmann gibt es den volkstümlichen. Wer die alten Heimatkalender des ehemaligen Kreises Schieiden aufschlägt, wird sich schnell erwärmen für die von Rolf Dettmann alljährlich besonders volksnah gestalteten Kalendarien:

über Eifeler Gewerbe, Heilige, Bräuche, Althäuser, Wohnungseinrichtungen, Wegekreuze, Wappen, Kirchen, Madonnen . . . Das Freilichtmuseum Kommern befand sich zu jener Zeit erst im Aufbau.

Aus den Bräuchebildern für die Heimatausgabe einer Eifeler Zeitung wurden später die Tuschezeichnungen für das Buch »Eifeler Bräuche«. Seit dessen erstem Erscheinen im Frühjahr 1981 erreichte das Buch im Herbst 1983 bereits die dritte Auflage. Gelegentlich werden Dettmanns Bräuchezeichnungen mit den innigen Volksbildern eines Ludwig Richter aus dem frühen 19. Jahrhundert verglichen. Nicht zu Unrecht. Wer sich im Kapellchen nahe der Kyllbrücke von Kronenburgerhütte das Altarbild der hl. Brigida anschaut, meint vor einem Meisterwerk der mittelalterlichen Kölner Malerschule zu stehen. Aber auch das ist Kunst Rolf Dettmanns. Viele Porträts von Eifeler Menschen zeugen davon, daß dieses Brigida-Bild kein Einzelfall blieb. Verständlich erscheint so, daß Rolf Dettmann 1961 für sein Bild »Eifelbauer am Feierabend« als erster deutscher Künstler von der Europäischen Vereinigung bildender Künstler von Eifel und Ardennen in der alten Kaiserstadt Aachen mit dem Kunstpreis dieser Gruppe ausgezeichnet wurde, zusammen mit dem belgischen Maler Roger Greische.

Der Dettmann-Freund und Kölner Verleger Dr. Heinrich Heinen schrieb 1965 über Rolf Dettmann: »Ich beobachtete über seine Schultern hinweg, wie seine Hand kraftvoll mit farbigen Flächen und strengen Linien die Gedanken eines eigenwilligen, individuellen Lebens auf die Leinwand projizierte. Weniger das Anekdotische oder das romantisch Erzählende ist in Rolf Dettmanns Bildern festzustellen und zu entdecken als vielmehr immer wieder ein Anlauf und ein Versuch, das im geistigen Austausch mit seiner Umwelt errungene Gedankengut darzustellen.« Diese Aussage scheint auch für den 70jährigen Rolf Dettmann noch charakteristisch. Über seine Methode sagte der Künstler 1983 selbst: »Ich warte nicht darauf, bis mich die Muse küßt. In jeder freien Minute male ich.«

Wer das Glück hatte oder hat, Rolf Dettmanns nähere Bekanntschaft zu machen und mit ihm eines der von ihm so sehr geliebten Gespräche zu führen, vermag zu ahnen, wie ernst dieser Künstler es mit seiner Arbeit meint. Wie sollten auch sonst seine umfassenden Bilder-Serien Zustandekommen? Rolf Dettmann sagt dazu einfach: »Ich muß das tun!«

Danken wir ihm, der ganz seiner Kunst lebt, für eine solche Hingabe, die viele Menschen beschenkt. Verbinden wir damit zu seinem 70. Geburtstag herzliche Glück- und Segenswünsche für noch viele schöpferische Jahre.