»Mein Buch«

In Hinterlistental schrillt die Sirene. Ein Haus steht in Flammen. Die Feuerwehr eilt zur Brandstätte. Der Wehrführer freut sich über den forschen Einsatz seiner Leute, wie sie zupacken und löschen. Der Feuerschein ist weithin zu beobachten. Da rückt auch die Feuerwehr von Oberknüttelbach heran. Sie will helfen, sich in die Löschmannschaft einordnen. »Nix da«, bedeutet der Listentaler Wehrleiter: »Das ist mein Brand!« — Gemach, eine bekannte Mär aus fernen Tagen. . .

Ähnlich sinnvoll wie Feuerwehrleute plagen sich manche Autoren, wenn sie erstmals der fünfhundert- oder tausendjährigen Geschichte eines Ortes nachspüren und mühselig nach Quellen schürfen, ehe die Daten aus entschwundenen Jahrhunderten im Computer gespeichert werden können. Schön, wir sind geschichtsbewußt geworden. Also wächst die Zahl der Chroniken, die alljährlich mit berechtigtem Stolz von Ortsbürgermeistern präsentiert werden. Wenn die Gemeinde sich's leisten kann, genehmigt der Gemeinderat jedem Haushalt des Ortes ein Exemplar der Chronik. Über den ansehnlichen Rest der Auflage wacht der Bürgermeister, damit kein Exemplar an die falsche Adresse, geschweige denn auf den Markt gelangt. Es ist, was da sauber und teuer gedruckt vorliegt, in den Augen des kommunalen Herausgebers »mein Buch«. Darauf gehört die Hand, man möchte drauf sitzen bleiben. Schließlich hat die Chronik, zur rechten Wahlzeit verteilt, ihren Zweck erfüllt. Sie ist vorzeigbar, ein wertvolles Mosaik der Heimatliteratur. Aber bitte, nur für's Dorf. — Arme Chronik, die du da gestapelt im Keller oder auf dem Speicher vergilbst, eben weil du »mein Buch« bist. Angenommen: Ein Bauersmann ackert, sät und erntet, füllt Keller, Speicher und Scheune mit Nahrungsmitteln, Früchten und Futtervorräten, speichert die von den Kühen erzeugte Milch in Tanks — und all das, damit nur ja nicht irgendwer, der sich für Nahrung interessiert, etwas davon mitbekommt. »Nix da, das ist meine Ernte!« Diesen Landmann wird es nicht geben. Aber den Trend, »mein Buch« gleichsam als Silage zu horten, den kann man da und dort beobachten. Leider. — Doch deuten wir's, dem Humor verbunden, in heimischer Mundart: Mey leewe Koochen, soht Bunnes!

Nico Sastges