Mach deine Augen auf
Hildegard Sebastian, Daun
Mach einmal deine Augen auf |
und sieh nur einmal richtig hin, |
denn dann hat erst dein Lebenslauf |
für dich den rechten Sinn, |
wenn du begreifst, daß neben dir |
ein Mensch zugrunde geht, |
der Hilfe sich erhofft von dir. |
Noch ist es nicht zu spät! |
Mach einmal deine Augen auf |
und achte drauf!
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Dein Nachbar, schau, ist schwer erkrankt |
und dir, dir geht es gut. |
Es wird dir tausendfach gedankt, |
gehst du nur hin und machst ihm Mut. |
Wenn du begreifst, daß Hilfe not |
und daß es Christenpflicht, |
es sei dein oberstes Gebot: |
Verlaß den ändern Menschen nicht! |
Mach einmal deine Augen auf . . .
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Ein alter Mensch, fast taub und blind, |
steht ängstlich dort am Steg, |
damit er wieder weiter find', |
hilf du ihm über'n Weg. |
Geh hin und hab mit ihm Geduld, |
er wird dir dankbar sein. |
Daß er nicht sieht, ist's seine Schuld? |
Nun sieh das endlich ein. |
Mach einmal deine Augen auf ...
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Ein Kind irrt ganz allein umher, |
weil seine Eltern tot; |
nun hat es keinen Menschen mehr, |
wenn ihm ein Unglück droht. |
Komm, nimm's in deinem Hause auf |
wenn dir das Leid erspart. |
Glaub mir, o Mensch, es wartet drauf, |
weil 's Schicksal gar so hart. |
Mach einmal deine Augen auf . . .
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Du hast es doch - das große Glück; |
drum sei zu andren gut, |
denn es kommt tausendfach zurück, |
was man dem Nächsten tut. |
Du wirst es sehn, man dankt es dir, |
wirst sehen, daß sich 's lohnt. |
Drum öffne Herz und Hand und Tür |
dem armen Nachbarn neben dir, |
der dort im Elend wohnt. |
Mach einmal deine Augen auf |
und achte drauf! |