»Dir, Eifel, mein Lied!«

Die Eifel in Wort und Weise aus Amerika

Herbert Wagner, Hillesheim

Franz Friedrich (Fritz) Veling wurde am 28. 12. 1841 in der Augustinerstraße (heute Bäckerei Frings) in Hillesheim geboren. Seine Eltern waren der Apotheker Hermann Josef Veling und Luise geb. Goergen. Das Ehepaar hatte neun Kinder, von denen Fritz das jüngste war. Er studierte in Stuttgart Ingenieurwissenschaft (Dipl.-lng.) und Musik. Verheiratet war er mit einer geborenen Volperts aus der deutschsprachigen Schweiz. Mit seinem älteren Bruder Martin Friedrich Josef (* 25. 11. 1826 in Hillesheim), der Apotheker war, ist er — vermutlich um 1880/82 — nach Pottsville in den USA ausgewandert und dort 1910 gestorben1. In der neuen Heimat betätigte sich Fritz Veling nebenher auch als Schriftsteller und Komponist. Seine in Hilllesheim bekannt gewordenen Arbeiten befassen sich fast ausnahmslos mit der Eifel. So beispielsweise seine in der Wochenzeitung »Hillesheimer Volksblatt« (Redaktion, Druck und Verlag von Wilhelm Rosenkranz jr. in Hillesheim) 1901 in mehreren Fortsetzungen veröffentlichte Erzählung

 In 39 Kapiteln erzählt Veling eine Geschichte, die er — Dichtung und Wahrheit — um 1795 in Hillesheim spielen läßt. In ihrem Mittelpunkt stehen die ehemalige kurfürstliche Kellnerei2 und ihre Bewohner, die Familie Faßmann. Ihr spielt der Rechtskonsulent Pfennighoß, ein »Ferkelstecher und Bauernschinder«, sehr übel mit, weil die Tochter Gretchen, in die er sich verguckt hat, wegen seines schlechten Charakters nichts von ihm wissen will; außerdem hat sie »unter der großen Buche im Bolsdorfer Wäldchen« einen ändern kennen und lieben gelernt. Nach mancherlei Widrigkeiten, herbeigeführt vom Pfennighoß, aber auch glücklichen Zufällen, stehen die von der Madonna beschirmten »Helden« der Erzählung, »das liebe, bescheidene Eifelkind« Gretchen Faßmann, der »Engel Hillesheims«, und »der bescheidene höfliche Fremdling«, der Bürgermajor Robert Lebon aus Bordeaux, »Hillesheims und der ganzen Umgegend Wohltäter«, schließlich doch noch als Brautpaar vor dem Altar: Gretchen, »eine mittelgroße, schlanke und doch volle Gestalt. Über die nicht zu hohe Stirne fielen zu beiden Seiten Löckchen hernieder, einzelne größere Locken umwallten Nakken und Busen, während das Haupthaar in einer goldgelben, mächtigen Flechte mehrmals ihren Kopf wie ein Diadem umschlang und oben durch einen silbernen Pfeil, dem Zeichen der Jungfräulichkeit, festgehalten wurde. Das nach antiker Art getragene weißseidene Hochzeitsgewand war unter ihrem vor Wonne wogenden Busen durch einen mit Edelsteinen besetzten goldenen Gürtel (ein Geschenk Roberts) befestigt. Die winzigen Ärmel wurden durch goldene Spangen emporgehalten und offenbarten Arme, wie sie schöner die Antike nicht gekannt hat.«

Eifellied

 

Neben Gretchen stand der Bräutigam, »hoch und schlank gewachsen, die langen, schwarzgelockten Haare, in der Mitte gescheitelt und bis auf die Schultern herabfallend, umrahmten sein fein geschnittenes Antlitz. Der knapp und adrett sitzende Militärfrack war bis zur Taille zugeknöpft und allda mit einer von Gretchen goldgestickten weißseidenen Schärpe umgürtet. Die offene Brust wurde von den reichverzierten Lapels vorteilhaft hervorgehoben, nach oben schlössen sie sich an den hohen, goldverbrämten und umgeschlagenen Kragen an. Die enganliegenden Hosen in die umgekrämpten Stulpstiefel zierlich und faltenlos eingeschmiegt, den Degen an der Seite, so stand der schwarzäugige junge Major an der Seite seiner Braut: der dunkle Kelte und die blonde Germanin — ein Bild des Friedens und der Liebe, an welchem sich die beiden Nationen ein Beispiel nehmen könnten und sollten. << — Das »Fest der Freude und der Liebe« aber konnte der Bösewicht Pfennighoß nicht ertragen: »an einer Stelle, wo einst ein heidnischer Priester die ganze Gegend verflucht haben soll«, hat er sich während der Trauung erhängt.

Diese Textproben zeigen, daß Velings Erzählung eine für die Zeit der Jahrhundertwende typische Heimat- und Liebesgeschichte im klischeehaften und sentimentalen »Gartenlauben«-Stil der Marlitt und Courths-Mahler ist, die man — wie auch seine Gedichte — der Trivialliteratur zurechnen muß. Das schließt aber nicht aus, eher ein, daß sie seinerzeit außerordentlich gefallen hat und gewiß nicht nur wegen ihres Lokalkolorits und nicht nur in Hillesheim mit Begeisterung gelesen worden ist. Was aber aus dem Rahmen fällt und Beachtung verdient, ist die Tatsache, daß Veling schon damals — allerdings aus den liberalen USA — einer deutsch-französischen Verständigung das Wort geredet hat, was um 1900 sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ganz und gar unüblich war. In vielen Passagen hat er auch — ähnlich wie Franziska Bram, die übrigens seine Nichte war3 — farbige Bilder von den Menschen und Zuständen in Alt-Hillesheim gezeichnet, die seine gute Beobachtungsgabe und sein genaues Erinnerungsvermögen, aber auch seine Liebe zeigen, mit der er in der Ferne auch noch nach Jahren an der alten Heimat gehangen hat, dem »Land der stillen Wonne, wo schon so viele Generationen seiner Ahnen und er selbst so glücklich gewesen«; darüber hinaus haben sie heute dokumentarischen Wert:

»Die altersgraue Kellnerei mit dem schönen Garten steht heute noch, wenn auch vielfach verändert; der alte Born, der ewig junge und frische, entspringt noch immer lustig zu Füßen des alten Gebäudes, und in stillen Nächten erzählen sich die beiden von den alten Zeiten« — diese Idylle ist leider längst verschwunden; aber «das Bolsdorfer Wäldchen ist noch wie vor hundert Jahren der Zufluchtsort der Liebenden, und seine Maienkräutlein sind noch heute die duftendsten der Gegend«. — Velings Heimatliebe und -Sehnsucht sprechen auch aus seinem Gedicht

 

Gruß an die Eifel

Mein Eifelland wie bist du schön!

Doch weit entfernt liegst du von hier,

daß ich im Geiste nur kann sehn,

wie übers Meer du lächelst mir.

Ich seh e deine Waldeshöh'n,

wo über steilem Felsenhang

bemooste Burgruinen steh'n

 

aus Ritterzeit, vergangen lang'.

Ich höre deine Bächlein hell,

die plätschern durch manch stilles Tal,

entsprungen aus kristall'nem Quell,

der munter sprudelt allzumal.

Ich s p ü re auch den eis' gen Wind,

der über deine Berge weht,

wenn schneebedeckt die Dörflein sind

und heimlich nur ihr Leben geht.

O traute Heimat, sei gegrüßt

mit allen Sinnen, Herz und Hand,

die du in weiter Ferne bist!

O sei gegrüßt, mein Eifelland!

 

 

Von Veling stammen auch Worte und Weise zu dem in Hillesheim noch immer mit Inbrunst gesungenen

 

Hillesheimer Adventslied

Wirst du noch lang, o Messias, verweilen?

Steigst du nicht bald aus den

Wolken herab?

Du bist der Heiland, uns Sünder zu heilen,

auf den uns Gott die Verheißung einst

gab.

Könnten wohl Seufzer den Himmel

zerteilen,

Schäfer der Fluren, habt ihr ihn gesehen ?

Saht ihr nicht etwa ein himmlisch Gesicht,

welches die Strahlen der Gottheit

erhöhen?

Saht ihr den Schöpfer der Welten denn

nicht?

Höre, o Vater, der Deinigen Flehen,

und es erscheine dein göttliches Licht!

o so gib uns den Gerechten herab!

 

Ganz vergessen dagegen und nicht mehr bekannt, obwohl mit Noten überliefert und bei der Herbstversammlung des Eifelvereins 1891 in Hillesheim uraufgeführt, ist Velings »Eifellied« (s. Notenblatt).

Man kann Velings Arbeiten, die er als »ein Fremdling stets in hartem fremden Land« aus Heimweh geschriebenn hat, gewiß nicht zur großen Literatur zählen; aber man darf sie sicher — ohne Rangunterschiede aus den Augen zu verlieren! — der Heimatliteratur zurechnen.

1 Frdl. Mitteilung von Frau Johanna Walter geb. Veling, Konz; ob Pottsville in Arizona, Pensylvania oder Texas konnte nicht ermittelt werden, wahrscheinlich aber in Pensylvania. — Beide Velings sind bei Mergen, Die Amerika-Auswanderung aus dem Landkreis Daun, Metzdorf 1958, nicht erfaßt: Entweder sind sie ohne Entlassungsurkunde oder von einem anderen Wohnort aus ausgewandert.

2 Ehem. »altes« Haus Esselen in der Kölner Straße, 1974 abgerissen.

3 Siehe: Heimatjahrbuch Daun 1982, S. 119.

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