Die Feldhecke lebt

Plädoyer zur Erhaltung heimischer Wildsträucher

Hans Mühlhaus, Darscheid

 

An »der Jaß«, dem alten Weg zwischen Dorf und Weiherwiese, wächst am Hang eine Feldhecke. Die Natur hat sie gepflanzt; der Mensch hält sie mit der Axt in ihren Grenzen. Wie schön ist sie im Winterkleid! Im Rauhreif glitzern die Äste, Schneebärtchen hängen an welken Blättern. Verschiedenartige Sträucher stehen nebeneinander. Gleich am Anfang breitet eine stachelige Wildrose ihre hängenden Zweige weit aus, dann folgen Holunder und Weißdorn, Schlehengebüsch, Brechweiden, Haselsträucher mit hängenden Kätzchen und mitten darin ein alles überragender Wildapfelbaum. Um das Gehölz wuchern Geißblatt und Brombeerranken.

Im Sommer ist die Feldhecke voller Leben. Eine bunte Vogelschar bewohnt sie: auf höchster Spitze sitzt der Neuntöter, im Baum brütet der Buchfink, am Boden die Goldammer und in den Hecken die Dorngrasmücke und die Braunelle. Überall, auf Feld und Wiese, im Dorfgarten und am Bachesrand, finden sie Speise und Trank, aber ihr Zuhause und ihre Zuflucht in der Not ist die Feldhecke. Ein Heer von Spinnen hat Fangnetze gebaut, um Stechmücken und Schmetterlinge zu erbeuten. Manches fliegende Samenkörnchen landet in der Feldhekkengemeinschaft, wo es Wurzeln schlägt, aufwächst, blüht und gedeiht. Ehrenpreis, Bärenklau und Kohldisteln locken mit ihrem Duft schillernde Insekten an und bilden große Farbtupfen unter dem sonnendurchfluteten Grünstreifen. Überall recken sich goldene Köpfe des Löwenzahns dem Lichte entgegen.

Unter dem Wurzelwerk einer Weide wohnt seit Jahren ein Igel. Er ist ein Nachtjäger, der es auf Mäuse, Frösche, Schnecken, Schlangen, Würmer und Käfer aller Art abgesehen hat. Auch das kranke Vögelchen verspeist er mit gutem Appetit. So ist sein Bäuchlein allmählich fett und rundlich geworden. Wenn dann der Herbst kommt und die Luft nach Schnee riecht, wird es Zeit, daß er sein Winterlager bereitet. Das dürre Laub dazu spendet die Hecke. Er verkriecht sich im alten Laubnest, gräbt es noch ein wenig tiefer in den Boden hinein und ringelt Kopf und Beine ein unter sein stacheliges Kleid. Je mehr er sich dreht, um so mehr Blätter spießt er mit den Stacheln auf und so wird sein Stachelpanzer zu einem Blätterpelz, einem molligen Wärmehalter für die kalte Zeit. Nun beginnt er den langen Winterschlaf. Er schläft bei Tage und in der Nacht, er schläft, wenn der Wind durch die Hecke pfeift und der Schnee Wiese und Feld bedeckt; er schläft, wenn die Dorfjungen auf dem Weiher »Paneis schlagen«; er schläft, bis die Frühlingssonne kommt, die ihn aufweckt zu neuen Jagdzügen im alten ihm vertrauten Revier.

Wir aber wollen den stacheligen Ritter schützen, wo wir es nur können, denn wir wissen, wie nützlich er ist und wie oft in der motorisierten Zeit sein Leben bedroht ist. Wir wissen aber auch, daß er am besten geschützt wird, wenn wir ihm die alte Feldhecke erhalten, d. h. sie sauber halten vor Schutt- und Hausratabfällen und sie schützen vor der Unsitte des Abbrennens. So erhalten wir ihm und vielen nützlichen Kleintieren Heimat und Wohnstatt, den Feldern und Saaten einen Wind- und Wetterschutz und unserer heimischen Landschaft ein wertvolles Stück ihrer verborgenen Schönheit.

 

Wer staunen und lieben

kann, gehört zu den

Gesegneten dieser Erde.

Manfred Hausmann