Spuren des Soldatentums in Daun

Historisches rund um den bunten Waffenrock

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Die ersten nachweisbaren »militärischen« Spuren in der Eitel, in und um Daun, sind die des Steinzeitmenschens. Hört man im Schulunterricht, er sei Jäger und Sammler gewesen, so muß er auch Krieger gewesen sein, um sich, seine Familie, Sippe oder Horde gegen raubende Feinde zu verteidigen. Seine selbstgefertigten Waffen, wie Steinäxte, Faustkeile und Steinspeere, brachten ihm strategische Vorteile gegenüber jenen, die nur die bloße Faust benutzten. An Nachschub mangelte es nicht; war die Waffe defekt oder verloren, machte er sich an Ort und Stelle aus hartem Eifeler Basalt eine neue.

So marschierte er kilometerweit durch dichte Wälder der Vulkaneifel, hauste in Höhlen (u. a. Buchloch bei Gerolstein) und suchte Schutz im Felsgestein von Ernstberg, Asseberg, Wehr-büsch, Warth, Layen usw. Die Erfindung von Pfeil und Bogen, dieser weittragenden Schnellflugwaffe, revolutionierte damals wohl alle Streitkräfte. Jahrtausende war diese »Wunderwaffe« das Nonplusultra der damaligen Bevölkerung, die davon reichlich Gebrauch machte, wie Munitionsfunde (Speer- und Pfeilspitzen) ahnen lassen, die auch dort gemacht wurden, wo heute die Stahltürme der Dauner Fernmeldetruppe in den Himmel ragen.

Um das Jahr 1000 v. Chr. drang von Südosten kommend ein indogermanischer Stamm in unseren Raum ein und formte ihn um. Es waren die Kelten, denen Daun seine Entstehung als befestigter Ort verdankt. Sie rodeten den Wald, legten Felder an und sicherten die kleine keltische Siedlung mit einem Zaun ab. »Duron« (Zaun, Festung) nannten sie ihren Weiler, bauten Trampelpfade zu breiteren Wegen aus und pflegten nachbarschaftliche Beziehungen zu Orten und Siedlungen wie u. a. Dockweiler und Mehren. Zahlreiche Hügelgräber und Keltenfriedhöfe lassen sich in und um Daun nachweisen.

Noch heute ist aus diesen modernden Resten deren hohe Kultur zu erkennen, die unserem Raum auch seitens der Wissenschaft den Begriff der »Mehrener Kultur« verlieh.

Militärisch gesehen wußten sich die Kelten gut zu sichern. Strategisch wichtige Punkte besetzten sie mit Wachtposten, die sich durch optische und akustische Zeichen sowohl bei Tag als auch bei Nacht schnell und sicher verständigen konnten. (Nerother Kopf, Asseberg, Wehrbüsch, Dauner Burgberg, Firmerich, Mäuseberg, Hoher List, Steineberger Ley, Hoch-Kelberg, Barsberg u. v. a.) Bei Gefahr suchten sie Schutz in Fliehburgen. Dorthin flüchtete man mit Frauen, Kindern und vor allem mit dem Vieh, dem größten Besitz der Kelten. (Vieh hieß bei ihnen »skats«, unser heutiges Wort »Schatz«).

Wichtiger noch als Schaf und Rind war den Kelten das Pferd, das nicht nur als Reittier sondern auch als Kavallerie diente und vor Streitwagen gespannt wurde. Ihm war es zu verdanken, daß Widerstände, die dem erobernden Keltenvolk begegneten, rasch überwunden wurden. Neben Pfeil und Bogen, neben der geschäfteten Streitaxt aus Bronze und dem langen Ger verschaffte gerade das Pferd das entscheidende Übergewicht und ließ die Truppe schnell, beweglich und stoßkräftig werden. Der keltisch-germanische Krieger war ein leidenschaftlicher Kämpfer. Mit blinder Wut, die in die Geschichte als »furor teutonicus« einging, stürzte er sich auf seinen Feind. Die Truppenführer hatten die größte Mühe, ihre Krieger im Zaum zu halten. Sie hatten es bedeutend schwerer als ihre Urenkel, die Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr, die auf den Gehorsam ihrer Soldaten vertrauen. Dem kelti-sehen Krieger konnte man nichts befehlen, ihn konnte man nur überzeugen. Der Geschichte sind Heerführer bekannt, die nicht wegen ihrer militärischen Geschicklichkeit oder ihres hohen strategischen Wissens ihre Mannen befehligten, sondern nur aufgrund ihrer rhetorischen Fähigkeiten. Dies waren entscheidende Gründe, weshalb sie den militärischen exakt ausgebildeten Römern mit ihrem bekannten Kadavergehorsam unterlagen. Die Waffen der Kelten waren genau wie ihre Taktik mehr für den Angriff als für die Verteidigung geeigriet. Sie lehnten Brustpanzer und Beinschienen ab, weil sie sich dadurch in ihrer Freiheit zu sehr beengt fühlten.

Neben dem zwei Meter langen Speer fanden sich in Gräbern häufig die Axt und die eisenbeschlagene Keule. Es waren Waffen, die am leichtesten herzustellen waren und für die jeder Krieger persönlich aufkommen mußte. Eine so perfekte Waffenkammer und Rüstungsindustrie wie sie die Römer hatten, kannten unsere Vorfahren noch nicht. Das Schwert, in der Eisenzeit die Hauptwaffe, galt aber auch als das Erkennungszeichen des freien Mannes. Es war das Symbol der persönlichen Freiheit und erfreute eines jeden Mannes Herz so wie heute noch jeder Junge auf seinen »Dolch« oder sein »Fahrtenmesser« stolz ist.

In Daun gab es seinerzeit viele keltische Krieger, aber noch keine Kaserne. Aber an der Stelle der heutigen Bundeswehrkaserne wurde alsbald eine Behausung errichtet, die ihren Ursprung Soldaten verdankt, und zwar römischen Soldaten, die vor Christus unter Caesar den gesamten gallischen Raum — und damit auch die Eifel — eroberten. Sie nutzten die Wege der einheimischen Treverer, bauten sie zu breiten Handels- und Heeresstraßen aus und erweiterten die militärischen Warten der Urbevölkerung zu stark ausgebauten Stütz- und Beobachtungspunkten der nunmehrigen römischen Besatzung.

Sie legten auf der Dauner Burg — den Namen »Dunum« behielten sie bei, — eine starke Mauer an und bauten die gesamte Anlage zu einem Bollwerk der Verteidigung aus. Eine Römerstraße verlief nicht nur durch die Stadt Daun zur Burg (man konnte sie deutlich bei der Verlegung der Gasleitung 1980 erkennen), sondern auch von Mehren kommend, am jetzigen Eischeiderhof vorbei, durch die Bahnhofsstraße, am Hunert und den heutigen Kasernen vorbei bis nach Dockweiler. Dort kreuzte sie die breite Militärstraße Koblenz-Mayen-Kelberg-Hillesheim-Lüttich.

Reiche Händler, verdiente Veteranen und wohlhabende Offiziere siedelten in und um Daun. Gräber, Münzen und sonstige Funde beweisen es. Auf den Römerstraßen, die Geschwindigkeiten zuließen, die erst wieder ausgangs des letzten Jahrhunderts erreicht wurden, herrschte reger Verkehr. Händler eilten von Ort zu Ort und auch Soldaten, die Tagesmärsche von 50 und 70 km bei einer Gepäckbelastung bis zu einem Zentner erbringen konnten, erfüllten mit ihrem Marschschritt unseren heimatlichen Raum. Das liebliche Tal der Lieser, die sie »Lesura« nannten, erlebte jedoch nicht nur kriegerische und politische Unruhen sondern auch wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Dort, wo die heutigen Kasernen stehen, erbaute damals ein Römer, vermutlich ein Veteran, ein Gebäude, vielleicht eine Raststation, in der vorübereilende Menschen Souvenirs, Wein, aber auch den beliebten »Drees« kaufen konnten. Übrigens muß ihnen damals das kohlensaure- und mineralhaltige Wasser genauso gut geschmeckt haben wie den heutigen Soldaten und Eiflern, denn sie opferten zahlreiche Münzen den Quellgöttern.

War die römische Armee auch noch so stark, kampferprobt und diszipliniert, den in den folgenden Jahrhunderten in den Eifelraum drängenden Völkern konnte sie nicht Widerstand leisten. Die rund 400 Jahre dauernde römische Besatzung, die ihre Spuren in Kultur und Sprache, in der Natur und den Lebensgewohnheiten der Eifelbevölkerung hinterließ, ging zu Ende. Lange Zeit wird es nun im Dauner Raum ruhiger. Erst im Jahre 731 erfahren wir, daß der Ritter Sigumbert, ein fränkischer Edelmann, der sich im Kämpfen mit Sarazenen tapfer bewährte, zum Dank den gesamten heutigen Dauner Raum als Lehen empfing. Er und seine Nachfolger erbauten die Stammburg für das später berühmte Dauner Ritter- und Adelsgeschlecht. Sigumberts Nachkommen taten sich rühmlich in Kämpfen hervor, sei es gegen die Wikinger, die Prüm eroberten, sei es gegen andere Feinde oder in Kreuzzügen.

Um das Jahr 1000 errichteten die Ritter eine neue Veste auf dem Dauner Burgberg, der bessere strategische und zolltechnische Möglichkeiten bot. Jedoch reguläre Soldaten wie zur Römer- und Frankenzeit gab's nicht in Daun, sieht man davon ab, daß die Lehnsträger und Vasallen der Landesherren (für Daun waren es die Trierer Erzbischöfe und Kurfürsten) im Falle der Kriegsgefahr »Mannen« zu stellen und für deren Verpflegung und militärische Ausrüstung selber aufzukommen hatten. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte entwikkelte sich aus dem Stand der Freien die Miles, die Ritter (= Militär), die sich aber immer mehr verselbständigten und infolge der Anwendung des Schießpulvers und der zunehmenden Zahl kleinerer Kriege immer mehr von der Lehnsmiliz zur Soldmiliz übergingen.

Kriege führen, Soldaten unterhalten, das war von jeher sehr teuer, und wenn man nichts hatte und bei den Bauern nichts Herauspreßbares mehr vorhanden war, holte man es sich eben oft in »Wildwestmanier«; man belagerte Ortschaften und Städte, überfiel Reisende, raubte, und kidnappte, plünderte und erpreßte. So edel, hilfreich und gut, wie dies in vielen Sagen zu lesen ist, waren die Ritter selten. Ein besonders verwegender Raufbold und Partisan soll der Dauner Ritter Egidius, der »tolle Gilles«, gewesen sein, der sich mit seinen Ulmener Freunden nicht scheute, den Erzbischöfen und Kurfürsten den Gehorsam zu verweigern, sogar gegen sie zu ziehen, was zur Folge hatte, daß das übrige Reich sich gegen diese sogenannte Eifelbande im Eifelbund vereinigte. Kurfürst Balduin von Trier zerstörte (1352) deren Raubnester in Ulmen und Daun. Vermutlich wurde zu dieser Zeit auch das Örtchen Daun, umgeben von Stadtmauern, Gräben und Toren, ein Raub der Flammen. Um diese Zeit erkannte ein anderer Dauner die günstige Lage am Fuße des Asseberges, im heutigen Kasernengelände. Er errichtete auf den Resten einer ehemaligen römischen Villa eine kleine Festung, den Hof Kolverath, bearbeitete das Land und fühlte sich wohl. 620 Jahre später legte man beim Ausbau der jetzigen Militäranlage Überbleibsel jenes Wirtschaftsgebäudes frei. Man fand römische Ziegel und Scherben, den Rest einer Wasserleitung, vom Asseberg kommend, und Mörtelreste. Von jenem Kolverather Hof existiert außer der Flurbezeichnung heute nichts mehr.

Noch Jahre nach dem Westfälischen Frieden fielen 1650 über 8000 Lothringer mit vier Geschützen in Daun ein. Sie raubten, mordeten, plünderten. Und die Dauner Einwohner mußten im wahrsten Sinne des Wortes »stillhalten«, denn alle Burgen waren zerstört, verteidigende Waffen oder Soldaten nicht mehr vorhanden. Rund vierzig Jahre später (1689) berichtete Pastor Schenten: »Dieses Jahr war für die Stadt Daun verhängnisvoll, indem der Ort und die Kirche von den Franzosen ausgeplündert wurden; sie machten das Heiligtum zu einem Stall für ihre Pferde, weil die Brandstifter die ganze Stadt in einen Aschenhaufen verwandelt hatten.«

Ein Jahrhundert lang geschahen immer wieder Greueltaten und kriegerische Ereignisse. 1794 ordnete der Trierer Kurfürst zwar eine Aushebung regulärer Miliz an, die alle ledigen, waffenfähigen Männer von 18 bis 40 Jahren betraf, im Falle der Not auch die Verheirateten. Jeder Mann erhielt ein Feuergewehr mit 60 Patronen. Aber sie konnten die Revolutionstruppen der Franzosen nicht aufhalten, die 1795 in Daun einfielen, plünderten, gräflichen und kirchlichen Besitz verkauften und bis 1815 blieben. Das Kurfürstentum war zu Ende.

Eine neue Epoche brach mit der preußischen Ordnung an. Daun wurde Sitz des Landrates, einer Postexpedition, einer Steuerrezeptur, eines Friedensgerichtes, aber nicht der einer Garnison. Obwohl viele preußische Beamte um Versetzung aus diesem »rheinischen Sibirien« baten, gab es doch in zunehmendem Maße Dichter, Maler und Künstler, die für die schöne Eifel eine romantische Lanze brachen und sie in deutschen Landen bekannter machten. Dazu trugen auch mehrere Besuche des Kaisers bei.

Einen Entwicklungsrückschlag brachte der l. Weltkrieg mit all seinen Schrecken. 71 Dauner kehrten nicht mehr nach Hause. Erneute Besatzung durch Franzosen. Die Nachkriegsjahre mit ihrer Massenarbeitslosigkeit und Inflation trafen die industriell und wirtschaftlich schlecht gestellte Eifel besonders hart. Doch alles Böse geht einmal vorüber, so auch der II. Weltkrieg, der 267 Daunern das Leben forderte. Die neue Geschichte Dauns erlebte dann 1951 mit der Wiederverleihung der Stadtrechte einen Höhepunkt und erhielt 1965 einen besonderen Akzent: Daun wurde Garnisonsstadt. Das Fernmeldebataillon 940 und später auch der Fernmeldestab 94 betraten geschichtsträchtigen Boden und bezogen die Kasernen an der Heinrich-Hertz-Straße. 20 Jahre weilen nun Soldaten in unsichtbaren Stadtmauern. Ein gutes Verhältnis zwischen Bevölkerung und Soldaten ist entstanden und viele Freundschaftsbande wurden geknüpft. Vereine und Organisationen haben kräftigen Aufwind bekommen, und die Dauner Garnison ist auch zu einem wertvollen Kulturträger geworden. Statt der Verbreitung kriegslüsterner Parolen leisten die Soldaten Dienst zur Erhaltung des Friedens — eben dort, wo vor Jahrhunderten bis zum Jahre 1945 immer wieder Stämme und Völker zur Selbstvernichtung ihre Waffen kreuzten.