Vom versunkenen Schloß

Eine Sage und was dahinter steckt Hans

Mühlhaus, Darscheid

 

Zu den Kostbarkeiten der Vulkaneifel gehören die einzigartigen Maare. Wie »Augen Gottes« liegen sie in der bergigen Landschaft. Am Tage spiegeln sich auf kräuselndem Wasser die Sonne und die Wolken des Himmels, des Nachts der Mond und die zahlreichen Sterne. Mitten in der 50 Kilometer langen Vulkanreihe, die sich von Bad Bertrich bis Stadtkyll hinzieht, liegt das Weinfelder Maar, auch Totenmaar genannt, mit seinem Kirchlein am Bergeshang. Im Schatten der kleinen Kirche, unter alten Ebereschen stehen viele Kreuze. Es ist der Friedhof von Schalkenmehren, von dem das Maar seinen zweiten Namen bekam. Eine weihevolle Stätte stillen Gedenkens!

Und was wob die Eifeler Volksseele nicht alles an Sagen und Geschichten um ihr vielgeliebtes Totenmaar! Da ist der Pilatusfelsen von dem hinab der unglückselige römische Statthalter, der nicht zur Ruhe kam, sein Leben beendete. Dann weiß sie zu erzählen von dem schönen Schloß, das einst hier gestanden hat, mit den glitzernden Fenstern und spitzen Türmchen. Die Schloßherrin hatte nie Mitleid mit den Armen, die an ihrer Tür um ein Stück Brot bettelten. Der Graf bat sie oft, gut zu den Notleidenden zu sein, aber sie hatte ein hartes Herz.

Eines Tages - der Graf war zur Jagd geritten -hetzte sie die Hunde einem armen Weiblein nach, aber da hatte der Himmel kein Erbarmen mehr. Unter Donner und Blitz und mächtigem Getöse schwankte der Boden, und ein Abgrund verschlang das Schloß mit allem, was darinnen war. Der Graf, der davon hörte, wollte es nicht glauben. Als jedoch sein Falchert eine Quelle aus dem Boden stampfte, erschrak er und ritt eilends zurück. Schon von weitem sah er an Stelle des Schlosses den See. Sein unschuldiges Kind, das er schon ängstlich betrauerte, gab ihm der Himmel wieder. Es lag in der schwimmenden Wiege, die gerade ans Ufer trieb.

Das ist die Sage vom versunkenen Schloß. In einem dramatischen Schauspiel erleben wir den Untergang eines Schlosses durch die Schuld einer herzlosen Gräfin. Der historische Kern dieser Sage blieb lange Zeit verschüttet. Frau Anna Droste-Lehnert, Lehrerin und Begründerin der einstmalig so segensreichen Heimweberei in Schalkenmehren, hat ihn freigelegt. Aus ihrem schriftlichen Nachlaß sei einiges hervorgehoben:

Die alte Kirchenchronik bestätigt, daß »im Kirchlein dort oben«, also in Weinfeld, St. Gangolf verehrt wurde. Vermutlich waren die Edlen von Daun die Begründer der Verehrung. Ein Sproß der Dynastie, Erzbischof Theoderich l (963 - 977), erbaute als Domprobst die Stiftskirche zum hl. Gangolf in Mainz und legte den Grundstein zum Bau der Trierer Marktkirche St. Gangolf, die sein Freund, Bischof Gerardus von Toul, finanzierte und erbauen ließ. All dies geschah im 10 Jh., als nach den zerstörenden Normanneneinfällen ein Wiederaufbau begann, der begleitet war von einer Welle von Verehrung und Liebe zum hl. Gangolf, dem jungen Heiligen der Kirche Gottes! Der erhabene Turm der Gangolfskirche zu Trier ist heute noch ein bewundernswerter Zeuge jener großer Zeit.

Findling am Falchertsborn in der Nähe des Eisenbahntunnel Daun-Schalkenmehren

St. Gangolf, den die berühmte deutsche Dichterin Roswitha von Gandersheim (t 996) »Stolz des Landes« nennt, weil er der fromme und gütige Edelmann aus Burgund war, der, ehe er sich zum Mahle setzte, die Armen vor seiner Tür speiste. König Pippin rief den klugen und tapferen Ritter an seinen Hof, wo er zum Freund und Berater des Königs wurde und mit ihm die aufständischen Friesen (Zeit des hl. Bonifatius) besiegte. Wie mag es ihn betrübt haben, als er von der Untreue seiner Gemahlin erfuhr, die während seiner Abwesenheit zur Ehebrecherin geworden war. Er sprach sie darauf an, aber sie leugnete. Erst nach einem Gottesurteil — sie sollte mit bloßer Hand einen Stein aus dem Brunnen heben, dabei verbrannten ihre Finger— bekannte sie den Ehebruch. Gangolf zeigte sie nicht an, weil auf Ehebruch die Todesstrafe stand, sicherte ihr den nötigen Lebensunterhalt zu und verließ das Schloß, um in der Einsamkeit als Schuldloser, die Schuld der treulosen Gemahlin zu sühnen. Oft drängt es ihn hinaus in den Wald, zur Jagd mit dem Falken. Es ging ihm darum, quälende Gedanken zu zerstreuen und in der Natur Geist und Herz zu stärken, um das schwere Kreuz leichtertragen zu können. Trotz aller Nachsicht und verzeihender Liebe schlich der Ehebrecher eines Nachts in das Schlafgemach des Grafen und brachte ihm eine tödliche Wunde beim, an der er nach einigen Tagen starb (t 760). Das Volk der Franken trauerte sehr um den Verlust eines großherzigen Wohltäters, eines edlen Ritters, eines Vorbildes christlicher Treue und Liebe! Seit 1957 stand im Kirchlein am Totenmaar eine Gangolf-Statue. Auf dem Schild hatte der Künstler eine Bitte aufgeschrieben: »St. Gangolf, Mach fest den Ring, den Ehefeind bezwing!«

Die Statue des heiligen Gangolf, die vor einigen Jahren aus der Kirche am Totenmaar auf Weinfeld gestohlen wurde.

Am Falchertsborn, unweit des Weinfelder Maares, ragt ein schwerer, gewachsener Stein in Gestalt und Größe eines Pferdekopfes aus dem Boden hervor. Man darf ihn getrost Falchert nennen, denn so hieß das wundersame Pferd, das schnell war wie ein Falke und, der Sage nach, den born, wie es in Schalkenmehren heißt, aus dem Boden kropte (mit dem Huf scharren).

Es ist unschwer zu bemerken, daß die Sage vom versunkenen Schloß durchleuchtet wird von der frommen Legende des verehrungswürdigen St. Gangolf. Er fand neben dem gleich-gesinnten St. Martin eine ehrenvolle Aufnahme. Die Sage bewahrt sein Andenken und gibt ihm eine Heimstatt an unserem geliebten Totenmaar.