»Jung' wat woar dat jelattich«

Verliert Schlittenfahren seine frühere Anziehungskraft?

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Ich werde das Gefühl nicht los, daß Kinder heutzutage weniger Schlitten fahren als früher. Dabei gab es in den letzten Jahren genügend Schnee und an Freizeit mangelte es ebenso wenig. Trotzdem sind Wiesen und Hänge fast leer, die einst so beliebten Schlittenbahnen fast wie ausgestorben. Die Luft ist nicht mehr erfüllt vom jubelnden Kindergeschrei: »Achtung! Bahn frei«! Woran mag es liegen? Verliert dieser beliebte Wintersport seine Anziehung oder ist die anziehende Macht des Fernsehers stärker? Ist die dörfliche Kinder- und Jugendgemeinschaft nicht mehr so zusammenhaltend wie früher oder sind die Interessen heute durch Schulen, Vereine oder Gruppen in individuellere Bahnen gelenkt? Haben die Kinder wirklich mehr freie Zeit oder wird ihnen das Leben nach Terminkalender schon zu früh anerzogen? Da war es vor wenigen Jahrzehnten doch noch anders. Da fieberte im Winter die Jugend direkt hin zur täglichen Freizeit, in der dann der seit Generationen vererbte Schlitten herausgeholt, die Kufen blank gerieben wurden, um dann mit Geschrei zur nächstbesten Rodelbahn zu ziehen. Mehr als einmal kamen, sehr zum Leidwesen von Eltern und Lehrern, die Hausaufgaben zu kurz, nur um jede Minute des allzukurzen Wintertages auszunutzen.

Man war nie allein; man traf an jedem Abhang mit vielen zusammen, begrüßte sich mit einem Schneeballwurf und rodelte bis zur Dunkelheit. Kalte Finger, blaue Nasen, eisverkrustete Strümpfe und mancher Hosenboden, oft als letzte Bremse benutzt, zeugten von toller Ausgelassenheit. Sprungschanzen wurden gebaut, die manchen schwachen Schlitten wieder in seine Einzelteile zerlegten; es wurde »Bauch-jes« gefahren oder »Bimmelbahn«, vornweg der beste Lenker mit Schlittschuhen. Beifall wurde dem geklatscht, der die weitesten Sprünge mit seinem Schlitten schaffte, Geheimnisse über gefettete und geschliffene Eisenkufen ausgetauscht, Gelächter für denjenigen, der purzelnd ohne Schlitten das Ziel des steilen Hanges erreichte, oder Mitleid für den, der im nahen Bombentrichter landete und nun schleunigst nach Hause mußte, die nassen Kleider zu wechseln.

Rasbach, Kreuzberg, Wehrbüsch und Rosenberg, Layen, Rammelspädchen, Hommese Pasch u. a. Stellen waren beliebte Rodelbahnen, deren Qualität oft das Gesprächsthema Nummer eins in Schule und Freizeit waren. Doch nichts ging über jene Bahnen, die die glatten Straßen, die den heutigen Autoverkehr noch nicht kannten, abgaben.

Stolz erzählen noch heute viele Erwachsene, wie sie mit selbstgebauten Bobs vom Berg hinab zur Mühle rasten, daß die Funken spritzten und der eisige Winterwind Tränen in die Augen trieb. Die gleichen bekämen heute graue Haare, wenn deren Kinder es ihnen nachmachen würden. Wahre Heldenepen ranken sich um tollkühne Fahrer, die vom steilen Burgberg herab ihre Schlittenfahrerkunst bewiesen, Fußgänger mit viel Geschrei auf die Gefahr hinweisend, wenn man die Burgfriedstraße herabschoß. Und wer die scharfe Kehr an der alten Schule nicht meisterte, der warf sich, Schlimmeres verhütend, in den Schnee oder steigerte das Tempo noch durch die Schußfahrt den steilen Arensberg hinab.

Was für kindgemäße Freude war doch vorhanden, trotz mancher blutigen Schramme und blauer Beule, die stolz herumgezeigt wurden, und trotz manchen kleinen Ärgers. Da streute einer Asche auf die Fahrbahn, um Sicherheit für die Fußgänger zu schaffen. »Die dohn dat nur, um oos ze ärjern«! war die einhellige Meinung der Kinder und mit quergestelltem Schlitten schrubbte man die bremsende Asche zu Seite. Da tönte der Ruf: »Polizei«! oder - ich weiß bis heute nicht warum - : »Da kommt die Fuffzehn«!, und schwupps versteckte man sich oder den Schlitten, bis die »Grünen« vorbei gegangen waren. Schlittenfahren war schön und kräftemessend. Schlittenfahren war ein Erlebnis, vielleicht auch nur für Kinder in ihrer phantasievollen Erlebniswelt. Sctrtittenfahren war ein Wagnis, von dem Erwachsene viel verloren haben. Und heute?

Lesen wir abschließend, was ein Dauner am 17. 1. 1924 geschrieben hatte, und freuen wir uns mit an dessen »Pläsier«.