Sag mir, wo . . .
Hildegard Sebastian, Daun
Wo sind die Wiesen voll roten Mohn? |
Wo sind die leuchtenden Blüten? |
Trug sie der Sommerwind davon |
die in der Sonne erglühten?
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Wo sind die Wiesen so herrlich grün, |
der Teppich von Margariten? |
Mußten verwelken, mußten verblüh'n |
die leuchtend weiß erblühten?
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Wo ist der Vögel große Schar, |
die munter umhergeflogen? |
Sind sie längst wie jedes Jahr |
über das Meer schon gezogen?
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Wo ist ihr Lied, das so herrlich klang |
und uns Menschen erfreute, |
was der Wind einen Sommer lang |
über die Fluren streute?
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Wo sind die bunten Schmetterlinge, |
die doch tanzten im Sonnenschein? |
Vergänglich - wie so viele Dinge, |
die uns zeitweilig erfreu'n.
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Wo sind die Bäume, die grün und stolz |
in Wäldern gen Himmel geragt? |
Längst hat an ihrem knorrigen Holz |
der Zahn der Zeit schon genagt.
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Wo ist der muntere, klare Quell, |
der sich ins Wiesental fügte? |
Wo ist sein Wasser so silberhell? |
Ob es vielleicht schon versiegte?
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Wo sind die Rehe am Waldesrand, |
die dort so friedlich geäst? |
Hat nicht der Mensch mit frevelnder Hand |
ihnen den Wald fortgefräst?
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Wo sind sie Häuser im alten Stil, |
die so gemütlich doch waren? |
Manches dem Bagger zum Opfer fiel, |
was schon so alt war an Jahren.
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Wo sind die Sterne vom Himmelszelt, |
die so golden gefunkelt? |
Hat nicht Leid und Not in der Welt |
auch schon den Himmel verdunkelt?
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Wo sind die Bienen vom Sommer her, |
die so emsig gesummt |
mit ihren Flügeln von Honig schwer? |
Alle sind längst schon verstummt.
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Wo sind die Träume der Jugendzeit, |
die du als Kind wohl geträumt? |
Längst schon hat die Vergangenheit |
das meiste beiseite geräumt.
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Wo ist das Lachen von deinem Kind? |
Ach, schon lange verklungen |
und in des Lebens rauhen Wind |
ist es davon dir gesprungen!
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Wo sind die Menschen, die du geliebt, |
die dich liebend umfangen? |
Bliebst du zurück und bist betrübt, |
weil sie schon von dir gegangen?
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Wo ist der Gott, der alles lenkt, |
auch wenn du's oft nicht verstehst? |
Er ist es, der dein Schicksal verhängt, |
wo du auch immer hingehst.
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Wo ist dein Zuhause nach dieser Zeit, |
wenn du verlassen die Welt. |
Gott hat für alle Ewigkeit |
dir eine Bleibe erstellt! |