Content-Type: text/html Der Erntenotstand 1984

Der Erntenotstand 1984

Im Landkreis Daun etwa 10 Millionen DM Ernteschäden

Heinz J. Neisen, Daun

 

Das Jahr 1984 wird in die Geschichte der Landwirtschaft des Kreises Daun als ein schweres, von manchen Rückschlägen gekennzeichnetes Wirtschaftsjahr eingehen. War es 1976 die anhaltende Trockenheit, die zu erheblichen Dürreschäden — man erinnere sich noch an den Strohtransport aus der Pfalz — geführt hat, so war es diesmal ein wochenlang anhaltender Regen, der den größten Teil des Getreides zur Erntezeit vernichtet hat.

Während unter normalen Bedingungen in unserem Kreisgebiet die Getreideernte Ende September nahezu abgeschlossen ist, standen zum gleichen Zeitpunkt 1984 noch etwa 60 % des Getreides auf dem Halm. In Zahlen ausgedrückt heißt dies: Rund 6.500 ha der Getreideanbaufläche (ca. 25.000 Tonnen) konnten bis dahin wegen des schlechten Wetters nicht geerntet werden. Große Teile des Getreides waren als Qualitätsware nicht mehr zu vermarkten oder völlig unbrauchbar geworden.

Um in dieser Situation zu retten, was zu retten war, hatte Landrat Orth für den gesamten Bereich des Landkreises Daun nach vorheriger Einsetzung eines Krisenstabes und Beratungen mit Vertretern des Bauernverbandes, des Maschinenrings und einer Abordnung betroffener Landwirte am 23. 9. 1984 den Erntenotstand ausgerufen. Dieses förmliche Verfahren war Voraussetzung dafür, daß die Bundeswehr im Rahmen von Hilfeleistungen im Frieden insbesondere bei den zu erwartenden und dann auch tatsächlich eingetretenen Engpässen beim Transport sowie bei der Trocknung und Lagerung eingesetzt werden konnte.

Aus diesem Grunde wurde bei der für den Kreis Daun zuständigen Kommandobrücke, dem Verteidigungskreiskommando VKK 422 in Gerolstein, in kürzester Zeit Personal und Transportraum in der Eifelkaserne zusammengezogen. Daneben wurde in militärischen Anlagen und privaten Fabrikationshallen Lagerkapazität zur Zwischenlagerung von Getreide bereitgestellt. Rund 120 Soldaten aus Gerolstein, Daun, Trier und Hermeskeil waren mit insgesamt über 60 Fahrzeugen vom 27. 9. 1984 an mit zwischenzeitlichen, witterungsbedingten Unterbrechnungen bis zum 9. Oktober im Einsatz. Eine straffe Organisation im VKK und eine vorbildliche Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung (hier war über zwei Wochenenden hinweg eine Koordinationsstelle eingerichtet) sorgten dafür, daß nahezu alle Forderungen der betroffenen Landwirte und Genossenschaften für den Transport des Getreides zu Trocknungs- und Annahmestellen erfüllt werden konnten. Der erste Bundeswehr-Transport wurde am 27. September 1984 vom Dennerthof (Gemarkung Lissendorf) zu einer Trocknungsanlage in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Insgesamt sind von den Lastwagen der Bundeswehr bis zum 9. Oktober rund 4.000 Tonnen Getreide transportiert worden. Darüber hinaus waren die im Kreisgebiet zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Speditionen nahezu Tag und Nacht im Einsatz, mußte doch die gesamte Aktion an den wenigen Schönwettertagen (insgesamt acht Tage) abgeschlossen werden. Am 9. 10.1984 wurden die Fahrzeuge der Bundeswehr schließlich abgezogen, da die restlichen Arbeiten durch gegenseitige Hilfe innerhalb der Landwirtschaft erledigt werden konnten.

Das gesamte Ausmaß der Nässeschäden ist nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Abschätzung (seinerzeit war in der Presse von Beträgen zwischen 6 und 12 Mio. DM die Rede) mit ca. 10 Mio. DM zu veranschlagen. Diese Verluste haben die einheimische Landwirtschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt getroffen. Zum 1.10. 1984 machten sich nämlich erstmals die finanziellen Auswirkungen der Milchmengenkontingentierung (Quotenregelung) bemerkbar. Letztlich konnten die finanziellen Einbußen durch die Haltbarmachung von Getreide (insbesondere für die Verwendung als Futtermittel) etwas abgemildert werden. Doch haben die Kosten hierfür in vielen Fällen den Nutzwert des Getreides überstiegen.

Bei aller berechtigter Freude über die gelungene Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr, Verwaltung und Bevölkerung bleibt im Kreise der Landwirte ein etwas bitterer Nachgeschmack über die bereitgestellten Hilfen zurück. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß ein umfassender Schadensersatz bei Naturkatastrophen praktisch nicht möglich ist. Die Sturmschäden in den Wäldern des Kreises Daun und der Erntenotstand hatten ein so großes Ausmaß, daß alle Hilfsmaßnahmen, auch bei im Einzelfall durchaus berechtigter Kritik, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein können.