Sturmkatastrophe im Eifelwald

24. November 1984: 250.000 Festmeter Schadholz im Kreise Daun

Dr. Irmund Wenzel, Daun

 

Vielen Gefahren ist der Wald in seinem langen Leben über ein Jahrhundert ausgesetzt. Die Sorge vor Waldbränden verfolgte uns in den trockenen Jahren um 1976, bei denen jeder Funke das dürre Laub am Boden zu einem Flächenbrand entzündet hätte. Der Schnee hat nicht nur nach 1950, sondern im Frühjahr 1980, als das ausgetriebene Laub besonders große Angriffsflächen bot, große Waldteile im Mosel-raum niedergewalzt. Auch der Sturm richtet besonders an hohen Bäumen auf staunassen Böden immer wieder Schäden an. Der große Sturmschaden, der am 4. Dezember 1960 in den Forstämtern Kelberg und Daun je 60.000 fm Holz in einer Nacht zu Boden warf, ist allen Waldarbeitern und Forstleuten noch in Erinnerung. Schon 1939 gab es einmal große Sturmwürfe.

Der größte Sturmschaden entstand aber im Eifelwald am 24. November 1984. Es war nicht so sehr eine starke, gleichmäßige Sturmeinwirkung, die die gefährdetsten Stellen heimsuchte, sondern es bildeten sich offensichtlich Wirbelsysteme, die durch die Waldbestände zogen und, wo die Trombe gerade hintraf, richtete sie Verwüstungen an. Das erkennt man daran, daß die Bäume in allen Richtungen geworfen oder gebrochen wurden, daß die Windhosen Gassen in Bestände rissen und nur wenige Meter nebenan, wo man etwa bei alten Windwurflöchern und nassen Bodenpartien größere Schäden befürchten mußte, fiel kein Baum. Tannen wurden mit tonnenschweren Basaltklötzen im Wurzelraum aus dem Boden gerissen. Eichen wurden geknickt und der Bruchanteil war hoch.

Es war eine Katastrophe, die im Trierer Land besonders den Kreis Daun heimsuchte und hier besonders den Nordostteil. Von Daun aus nach Norden und Osten massierten sich die Schäden. Etwa 250.000 fm Schadholz wurde im Kreis Daun zu Boden geworfen, davon ca. 80.000 fm im Forstamt Kelberg, 75.000 fm im Forstamt Daun und 50.000 fm im Forstamt Hillesheim. Solche Massen liegen für Forstleute schon außerhalb des üblichen Erfahrungsbereichs. Für Außenstehende können sie nicht mit einem Begriff verbunden werden, deshalb kann man das an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn man die im Forstamt Kelberg oder im Forstamt Daun angefallenen Windwurfhölzer auf schwerste Lastzüge verladen würde und diese Züge ohne Zwischenräume parkt, gäbe das für jedes dieser Forstämter eine Parkstrecke von Daun nach Koblenz. Für das Windwurfholz im Kreis Daun müßte eine Straße von Daun bis weit in das Ruhrgebiet hinein lückenlos durch diese Fahrzeuge voll geparkt werden.

Im Anfang stand zunächst die Notwendigkeit der Verkehrssicherung. An der Bundesstraße 257 bei Darscheid dauerten die Räumungsarbeiten vier Tage, bis die Straße wieder gefahrlos passierbar wurde. Dann galt es, aus dem Katastrophenanfall zu retten, was zu retten ist; denn allein der Holzwert ist mit etwa 25 bis 30 Mill. DM anzusetzen.

Zunächst mußten also die Schadanfälle als Grundlage für eine Organisationsplanung ermittelt werden. Es spricht für die Sorgfalt der Forstbeamten, daß im großen und ganzen die Schadensschätzung nicht mehr als etwa 10 % vom Ergebnis abweicht. Eine Präzision, die bei dem Chaos, das der Sturm hinterlassen hatte, kaum erwartet werden konnte. Diese Voraussetzungen waren aber wichtig für die Planung der Aufarbeitung und des möglichen Verkaufs. Zwei wesentliche Gesichtspunkte zeichneten sich sofort ab: Zunächst waren die Arbeiten mit eigenen Kräften und Maschinen überhaupt nicht durchzuführen und dann bot der Holzmarkt keine Chance für eine sinnvolle Verwertung.

Windwurfgasse bei Boverath

Es galt also, möglichst bald die Arbeitskapazität aufzustocken. Für solche Arbeiten kommen nämlich nur besonders erfahrene Arbeiter in Frage, die nochmals in der Unfallverhütung speziell geschult werden mußten. Für den schnellen Arbeitsfortschritt und vor allen Dingen zur Verminderung der Gefahren mußte schweres Rückegerät besorgt werden. Nach diesem Vorlauf konnte dann im Januar der Großeinsatz beginnen. Es kamen Arbeiter aus Finnland, Schweden, Polen, Jugoslawien, Belgien, Holland und besonders aus Österreich zum Einsatz. Nicht alle Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, waren positiv, aber bei der Bewältigung einer solchen Katastrophe muß man mit Rückschlägen rechnen und diese einkalkulieren.

Anzuerkennen ist der Einsatz von Fachpersonal, Arbeitern und Maschinen, die aus dem Hunsrück in den Kreis Daun kamen. Besonders aber muß hervorgehoben werden, daß die einheimischen Arbeiter in den Revieren, die vom Sturmschaden am stärksten betroffen wurden, auch der zuverlässigste und sicherste Faktor war. Arbeiter und Forstbeamte haben sich unter schwierigsten Verhältnissen weit über das Maß hinaus, das man in solchen Fällen erwarten kann, mit ihrem Wald identifiziert und die Katastrophe als ihre persönliche Herausforderung angenommen und die Aufgaben bewältigt.

Schließlich mußte trotz eines generellen Konzepts, das sich auch im Enderfolg bewährte, von Tag zu Tag improvisiert werden. Dieses Planungskonzept wurde frühzeitig den waldbesitzenden Gemeinden vorgelegt und von diesen anerkannt. Damit waren die Voraussetzungen für die Handlungsfähigkeit gegeben. Rückblickend war die Zusammenarbeit mit denwaldbesitzenden Gemeinden, das Verständnis und das gemeinsame Tragen der Probleme ermutigend in den schweren Monaten. Der Vollzug der Arbeiten stand unter einem besonderen Zeitdruck, denn bei Einsetzen der warmen Witterung beginnt die Gefahr, daß durch einen holzzerstörenden Käfer, das nicht aufgearbeitete Holz weitgehend entwertet wird. Da in der Forstwirtschaft Insektizidbehandlungen auf Flächen auf keinen Fall in Frage kommen, ging es also darum, das Holz bis etwa 1. Mai aufzuarbeiten, zu rücken und an Lagerplätzen zu poltern, damit nur dort der Schutz am fertig aufgearbeiteten Holz und ohne Flächenwirkung vorgenommen werden konnte. Das war besonders wichtig, weil bei der derzeitigen Marktlage jede Mängelrüge, selbst wenn sie auch nur als Vorwand genommen wird, zur Ablehnung führen kann.

Als im Januar die starke Frostperiode zunächst die Arbeit ausschloß, war aber bereits schweres Hilfsgerät organisiert. So konnte zum Schluß der Frostperiode bereits mit der vollen Arbeit begonnen werden. Im Februar setzte dann eine zweite strenge Frostperiode ein. Bagger und starke Rückegeräte konnten das gefrorene Holz entzerren, so daß die Arbeit nicht unterbrochen zu werden brauchte. Das waren erhebliche Zeitgewinne, die bei der späteren extrem nassen Witterung im Frühjahr den entscheidenden Fortschritt brachten.

Was trotz aller Schwierigkeiten, aller Unsicherheiten bei den von außen hinzugezogenen Hilfskräften und trotz der extrem widrigen Witterung nicht von vornherein sicher war, ist dennoch gelungen: Im Laufe des Mai waren alle wertvollen Hölzer geborgen und gesichert. Restarbeiten für Industriehölzer, die nicht diesem Wertverlust unterlagen, sorgten danach für fortlaufende Beschäftigung der einheimischen Arbeiter.

Der Holzverkauf mußte in neue Spuren gebracht werden. Der einheimische und bisherige Markt war für solche Mengen nicht aufnahmefähig. So ging das Holz aus dem Eifelwald nach Holland, Belgien, Österreich, Italien, Frankreich und bis nach Skandinavien. Wurden aus dem Windwurf 1960 damals die letzten Flöße auf dem Rhein vom Forstamt Kelberg aus organisiert, so kam 1985 die Deutsche Bundesbahn mit Holztransporten wieder zu Ehren. Aus den Forstämtern Kelberg und Daun wurde auch das Holz an die Mosel transportiert, um auf dem Wasserwege nach Norden verfrachtet zu werden. Mit der Aufarbeitung des Holzes und selbst mit dem Verkauf ist zwar ein ungewöhnliches Stück Arbeit geleistet, aber die Probleme sind nicht gelöst; denn die Folgen werden erst in den nächsten Jahren richtig erkennbar. Rein wirtschaftlich gesehen ist ein Vorrat entnommen, der für die Erträge der nächsten Jahrzehnte geplant war und in Zukunft Einnahmelücken verursacht. Das gilt nicht nur für die sehr aufwendigen Kulturmaßnahmen und kostspieligen Pflegemaßnahmen der Jungbestände, das gilt auch für die künftige Finanzierung der Forstbetriebe überhaupt. Dabei konnte in Anbetracht der Marktlage und der schwierigen Aufarbeitungsbedingungen bei weitem nicht der gesamte Wert des Holzes, das gebrochen war, realisiert werden.

Ein Bagger entzerrt den »Verhau« nach Abtrennen vom Wurzelstock.

Das entzerrte Holz liegt zur Aufarbeitung bereit.

Viel schlimmer sind aber die waldbaulichen Folgen. In dem Bereich nördlich und östlich von Daun bis in den Raum Kelberg und Kaisersesch ist wohl kaum ein Bestand ohne Sturmgassen geblieben. Ein Waldbestand trägt sich aber aus der inneren Stabilität, die durch frühzeitige Durchforstung und naturnahe Förderung eines gesunden Kronenraumes herbeigeführt wird. Der besonders gepflegte Waldrand schützt dieses Gefüge. Diese innere Stabilität ist nun in fast allen Beständen verloren gegangen. Durch die Lücken und Gassen sind offene Ränder entstanden und es ist nicht abzusehen, welche Folgen das für den Erhalt des Waldes in Zukunft haben wird.

Es bleiben noch viele offene Fragen. So deutet sich die Vermutung an, daß durch die Schadstoffbelastung die Festigkeit der Wurzeln bei allen Baumarten gelitten hat und die künftige Stabilität der Bestände zusätzlich gefährdet ist. Früher konnte man durch Wipfelköpfungen an offenen Rändern vorübergehend die Angriffsflächen für den Sturm vermindern und so die Standfestigkeit erhöhen. Bei kritischer Beobachtung müssen wir feststellen, daß durch den Nadelverlust infolge der Schadstoffbelastungen in vielen Fällen die Kronen so geschädigt sind, daß der Sinn einer Wipfelköpfung fraglich wird.

Nachdem im vorigen Jahrhundert zur Förderung der Landeskultur oder Wald in der Eifel künstlich wieder aufgebaut worden ist, ist er nun Belastungen ausgesetzt, deren Wirkungen sich gegenseitig steigern und somit seine Existenz auf manchen Flächen bedrohen.

Ein Spezialrückegerät transportiert das aufgearbeitete Holz zum Verladeplatz.

Foto: Ingrid Merk, Daun