Abschied von einem Freund

 

Mit den Familienangehörigen des am 16. Juni 1985 überraschend verstorbenen Staatsministers Dr. Alois Mertes trauerten nicht nur dessen Freunde in der Eitel. Sein Freundeskreis reichte über das Rheinland, ja über die Bundesrepublik hinaus. Ein weltweites Berufsfeld als Diplomat und Volksverbundes Wirken für den eifeler Bundestagswahlkreis ließen das Mitgefühl an seinem Tode bei höchsten Repräsentanten des Staates und der Kirchen wie bei der Bürgerschaft gleichermaßen spürbar werden.

Der plötzliche Abschied löste auch bei seinen politischen Gegnern Betroffenheit aus. Sie verloren einen weitsichtigen Gesprächspartner, der in allen politischen Lagern Sympathie, Achtung und Wertschätzung genoß; einen Mann sachkundiger Analyse und fairer Auseinandersetzung. In grundlegenden Fragen der Friedenssicherung waren seine weltweit gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen von hohem Wert, gegensätzliche Auffassungen einander näherzubringen.

Dr. Alois Mertes im Gespräch mit seiner Kusine, Frau Clara Eis geb. Mertes, bei der Ausstellung des Malers Degode in den Räumen der Kreissparkasse in Gerolstein. Zur Laudatio auf den von ihm besonders geschätzten Maler weilte Dr. Mertes zum letzten Male in seiner Heimatstadt.

 Foto: Marianne Schönberg

Bei aller Hektik, Alois Mertes liebte die Stille und suchte die Öffentlichkeit, um Resonanz seines Denkens zu spüren. Er debattierte frisch von der Leber, manchmal ungeschminkt - doch behutsam, wenn das Thema Lebens- oder Überlebensfragen berührte. Hohe Politik vermochte er in die Sprache der Bürger umzusetzen: In England und Amerika, in Frankreich, in Rußland und vor allem daheim. Das hielt den sprachbegabten Diplomaten fit bei seinen Blitzreisen in den Wahlkreis Eifel. Dort fand er Bürgernähe, im politischen Zirkel ebenso wie im Vereinsleben oder in geselliger Runde.

Sein Tag war ausgefüllt. Rastlos eilte er von der politischen Bühne zu den Arbeitskreisen der deutschen Bischöfe, wo er als Mitlgied im Zentralkommitee deutscher Katholiken differenzierte Gedanken zur Lösung sozialer und karitativer Aufgaben beitrug.

»Sein praktiziertes Christentum brachte er in das politische Wirken ein; es verlieh ihm seine ungewöhnliche Kraft und sein Charisma«. So deuteten im Nachruf die Landräte der Eifel- und Moselkreise Daun, Bitburg-Prüm und Bernkastel-Wittlich seine Wesensart. Neben Auszeichnungen, die ihm im Dienste des Auswärtigen Amtes zuteil wurden, ehrte Bundespräsident Karl Carstens den getreuen Mitstreiter für Freiheit und Menschenwürde mit dem Bundesverdienstkreuz l. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Der Rat seiner Vaterstadt Gerolstein würdigte seine Heimatverbundenheit, die er in zahlreichen Vorträgen und literarischen Beiträgen zur Geschichte, Volkskunde, zum Brauchtum, zur heimischen Kunst- und Mundartpflege bekundete, mit der Verleihung der Goldenen Ehrennadelder Stadt, deren 650-Jahr-Feier zur Stadtrechtverleihung 1986 er leider nicht mehr erleben kann.

Mit Dr. Mertes schied ein umsichtiger, stets freundlicher Mitarbeiter aus dem Kreis der Autoren des Heimatjahrbuches des Landkreises Daun. Seine fundierten Beiträge in den Jahrbüchern seit 1973 verraten die intellektuelle, feinsinnig artikulierte Spannbreite seines Menschseins - ein wertbeständiges Vermächtnis, das uns erhalten bleibt. Auch dafür haben wir unserem Freund zu danken.

Nico Sastges